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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 14. Februar 2018; 18:46
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Glosse:
> Die Wunderwuzzis
Aufstieg und Fall des Martin Schulz erinnern ein wenig an das Schicksal von
Christian Kern -- ja, da gibt es Unterschiede, die gibt es immer bei solchen
Vergleichen, aber die Parallelen sind überdeutlich: Beide haben abseits der
jeweiligen Bundespolitik Karriere gemacht, beide wurden als Retter auf den
Schild gehoben. Von beiden versprach man sich das Wiedererstarken der
Sozialdemokratie und von beiden meinten man, daß ihre Leuchtkraft allein die
Partei wieder attraktiv machen könnte. Die Parteiapparate machten um ihre
neue Spitzen ein geradezu messianisches Brimborium: Jetzt wird alles gut.
Kern als erfolgreicher Manager mit Herz und Anstand, präsentierte seinen
Plan A, und machte auf irgendwas zwischen Kreisky und Roosevelt, Schulz
hingegen war der Europäer, der alles in anderen Dimensionen sah als das
kleingeistige Berliner Establishment. Beide waren schon länger die
Personalreserve für den Spitzenposten, aber als das dann Realität wurde, war
doch alles neu -- plötzlich Parteichef, plötzlich Kanzler resp.
Kanzlerkandidat. Die Sozialdemokratie hüben wie drüben wollte einfach
glauben, daß da jetzt der Erlöser kommt.
Aber es war eben nur ein Hype und beide sind recht hart gelandet. Gründe
dafür gibt es sicher eine ganze Menge. Einer davon: So sehr das die
Parteigranden auch wollten, aus Kern konnte kein Kreisky werden und ein
Schulz kein Willy Brandt -- allein schon, weil diese beiden Vorgänger zuerst
für ihre Überzeugung ihr Leben riskiert hatten und dann dafür standen, ihre
Länder aus der Rückständigkeit schwarzer Kanzlerschaften herauszuholen. Kern
hingegen war im "modernen Österreich" schon aufgewachsen und hatte Karriere
als Manager gemacht, Schulz trat der SPD bei, als diese am absoluten
Höhepunkt ihrer Geschichte war. Das sind nunmal andere Voraussetzungen.
Ein anderer Grund ist aber auch, daß sich die Zeiten geändert haben. Die
Arbeiterparteien der 60er und 70er wandelten sich auch durch die Veränderung
der Arbeitswelt zu Parteien der Angestellten und zum Teil auch der Beamten;
Akademiker waren früher eher Sonderfälle in der Parteibasis, heute sind sie
deren tragender Bestandteil. Die Arbeiter fühlen sich heute nicht mehr
vertreten von der Sozialdemokratie und wählen rechte Parteien. Das hat auch
etwas mit der autoritären Art der Sozialdemokratie zu tun, die in früheren
Jahrzehnten geradezu josefinisch agierte, sprich: sich zwar für die Rechte
der Arbeiter engagierte, aber nicht mit ihnen. Das hat den sowieso schon
autoritären Charakter der Arbeiterschaft noch verstärkt. Mit dieser Basis
und in diesem politischen Klima war es natürlich möglich, eine autoritäre
Parteispitze zu etablieren. Doch heute geht die Arbeiterschaft eben lieber
zum Schmidt als zum Schmidl, also jenen rechten Parteien, die das Autoritäre
schon im politischen Gen haben. Übrig bleibt der Sozialdemokratie eine
Partei- und vor allem Wählerbasis, die großteils viel formale Bildung
erhalten hat und in der Mittelschicht angekommen ist. Die ist aber
zahlenmäßig nicht gar so groß und sie läßt sich nicht so leicht von einem
strahlenden Führer beeindrucken. Allein deswegen mußten Schulz und Kern
scheitern.
Der Wunderwuzzi auf der anderen Seite, Retortenkanzler Sebastian Kurz, hat
diese Probleme nicht. Einmal abgesehen davon, daß er zumindest derzeit der
Liebling des Boulevards ist, führt er auch eine Partei an, die nicht nur
schon immer autoritär war, sondern diese Haltung schon immer als gut und
richtig angesehen hat -- im Weltbild der Schwarzen gibt es nunmal Herren und
Knechte und das mit Gottes Segen.
"Es kann die Befreiung der Arbeiter nur Sache der Arbeiter sein". Diese
Brecht-Zeile ist bei den SPs in Europa schon lange in Vergessenheit geraten.
Also müßten sich die Sozis demokratisieren, um wieder Sozialdemokraten zu
werden. Was Labour in UK gemacht hat und was bei der SPD derzeit angedacht
wird, die Spitze tatsächlich von der Parteibasis wählen zu lassen, ist noch
lange nicht genug, aber geht zumindest in die richtige Richtung. Wenn die
Sozialdemokratie in Europa wieder Bedeutung haben möchte, wird sie aufhören
müssen, die Bourgeoisie kopieren zu wollen.
Nebenbei stellt sich dem Leser jetzt vielleicht die Frage: Was schert den
Verfasser dieser Zeilen das Schicksal der Sozialdemokratie? Nunja, solange
in Europa die Rechte, egal ob die bürgerlich-konservative oder die
irrsinnig-nationalistische, nicht nur die formale Macht, sondern auch die
kulturelle Hegemonie ihr Eigen nennt und dabei von der Sozialdemokratie
nicht einmal ansatzweise mehr herausgefordert wird, solange können wir von
einer besseren Welt, wo all die vermeintlichen Führer und Wunderwuzzis nur
mehr bemitleidenswert lächerliche Figuren wären, nicht einmal träumen.
*Bernhard Redl*
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