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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 7. Februar 2018; 07:03
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International/Kinder:

> Süßer die Handschellen nie klicken ...

"Sandsackstellung": Im Kinderzimmer herrscht Krieg
(Aus graswurzelrevolution Nr. 426, februar 2018)

Auf der Suche nach Weihnachtsgeschenken für vier- bis zehnjährige Kinder
stieß man in der vergangenen Vorweihnachtszeit auf ein ganz besonderes
Angebot der Spielzeugfirma Playmobil. Eine "Polizei-Kommandozentrale mit
Gefängnis" soll der Einbildungskraft unserer Jugend auf die Sprünge helfen,
die ihre Phantasie sonst meist an so widerständigen Figuren wie Pirat*innen,
Hexen, Indianer*innen, und -- soweit es um Gewalt von oben geht --
allenfalls an sehr historischen Ritter-Figuren austobt. Nun sollen die
Kleinen Gegenwart spielen und dabei auf der rechtschaffenen Seite stehen.

Ich will vorwegschicken, dass die völlige Abschaffung von Gefängnissen
meines Erachtens wohl erst in einer fortgeschrittenen Phase des
erstrebenswerten Aufbaus einer anarchistischen Gesellschaft vollzogen werden
kann. Einstweilen sind Knäste ein Faktum, so wie z.B. Alkoholkater oder
Kopfläuse auch. Aber daraus macht man doch auch keine Playmobil-Baukästen!

Aber hier: Action ist garantiert: "Großeinsatz für die Polizei! Ein Ganove
muss gefasst werden. Von der Kommandozentrale aus wird die Operation
gesteuert. Der Chef weiß, wo sich jedes Auto und jeder Hubschrauber
befindet. Und genau zur richtigen Zeit schlagen die Beamten zu. Einen
Ganoven haben sie gefangen -- doch sein Komplize konnte entkommen. Rasch
werden dem Dieb die Fingerabdrücke abgenommen und ein Foto geknipst. Und
dann geht's hinter Gitter." (1)

Kinder sollen also nicht nur lernen, dass das "Zuschlagen" zum Zwecke der
Freiheitsberaubung ganz okay ist, wenn es von "Beamten" ausgeführt wird
(natürlich gegenüber "Ganoven") -- nein, auch dass es einen "Chef" gibt, der
als einziger den Überblick hat. Und Überblick wird groß geschrieben in
diesem Bausatz, der gleich mit zwei panoptischen Überwachungstürmen
aufwartet -- von den ,erkennungsdienstlichen' Hilfsmitteln mal ganz zu
schweigen.

Supersheriff!

Der Bausatz für 82,99 Euro enthält fast alles, was das Herz angehender
Sheriffs erfreut -- Werkzeuge der Bürokratie, der Zerstörung von
Privatsphäre, der unmittelbaren Gewaltanwendung: "1 Schreibtisch mit PC --
und Telefonanlage, 1 Waffenschrank, 2 Toiletten mit Waschbecken, 1
Sitzschale, 1 Schreibtisch, 2 Stühle, 2 Holzstühle, 2 Paar Handschellen, 2
Schlagstöcke, 2 Schnellfeuergewehre, 2 Baretts, 4 Pistolen, 2 Zahnbürsten,
[...] 1 Fingerabdruckerfassung, 2 Fingerabdruckfolien, 1 Büste, 1
Sträflingskleidung, 1 Blitzgerät, 1 Laptop, 1 Diktiergerät, [...]". (2)
Unerfindlich nur, warum die Playmobil-Designer*innen die so aktuellen
Pfefferspray-Dosen und sonstige chemische Kampfmittel vergessen haben -- man
hätte die entsprechenden Spiel-Dosen doch prima mit dem beliebten Juckpulver
befüllen können ...

Wie bei Wikipedia zu lernen ist, produziert Playmobil schon seit 1976
Spielfiguren im Polizei-Look. Und seit 1997 erhielten diese Figuren, die bis
dato lediglich auf "Knüppel und Kelle" zurückgreifen konnten, endlich "eine
moderne Handfeuerwaffe". (3)

Vielleicht ist das fürs Kinderspiel keine größere Zumutung als andere
gewalthaltige Themenwelten wie "Star Wars" oder eben die Piraten. Aber mir
will scheinen, dass bei der Einführung eines Gefängnisses als Spielwelt eine
neue Grenze überschritten worden ist. Die playmobiltypischen liebevollen
Details -- von den spartanischen Sanitäreinrichtungen bis zu den
beklemmenden Überwachungstürmen -- verdichten sich zu einer Lektion, die im
Kinderzimmer zu lernen ist: Abweichendes Verhalten rechtfertigt Strafe und
Totalüberwachung, und Widerstand ist mehr oder weniger zwecklos. Allerdings
gehört zu den "Features" des Bausatzes neben einem Verhörraum und einem
Hubschrauberlandeplatz auch ein "Mauerdurchbruch" (der am verfügbaren
Bildmaterial aber nicht nachzuweisen ist). Es bleibt unklar, ob dieser von
den "Ganoven" oder vom hochgerüsteten Ordnungspersonal bewerkstelligt wird
bzw. wurde -- vielleicht ein letztes Refugium für die kindliche Phantasie?

Was die Ganoven (oder Ganov*innen?) betrifft, so werden diese durch
zebragestreifte Häftlingskleidung kenntlich gemacht, die playmobiltypische
Einheits-Physiognomie wird hier auch gerne durch Bartstoppeln ins
Abweichende verschoben. Man wird sich diese Spitzbüb*innen als Bankraub-
oder Einbruchs-Delinquent*innen vorstellen dürfen -- wie die "Panzerknacker"
aus Entenhausen.

Aber manchmal müssen Ordnungskräfte ja ihrerseits in Gebäude einbrechen, um
übleres Gesindel wie Hausbesetzer*innen zu überwältigen. Auch hierfür findet
sich das Passende von Playmobil: ein "SEK-Polizist mit Hund und tragbarer
Tür-Ramme", der im Versandhandel schon für 2,99 Euro angeboten wird. (4)

Was soll ein vierjähriger Junge, was ein neunjähriges Mädchen mit so einem
Spielzeug anfangen? Ich bin nicht sicher, ob und wieviel Schaden so etwas in
Kinderköpfen anrichten kann. Es geht hier nicht nur um die Thematisierung
von Gewalt. Es geht ums Einüben in die Normalität eines Polizeistaates.
Wahrscheinlich ist trotzdem Gelassenheit angesagt. Aber was muss jemand
geraucht haben, um solches Spielzeug zu ersinnen?

Lego-Nazis

Den nächsten Schritt hat die Playmobil-Konkurrenz von Lego nicht selbst
unternommen, aber es sind Lego-kompatible Sets einer Firma "Modbrix" auf dem
Markt, mit denen das spielende Kind in die Rolle eines Wehrmacht-Offiziers
schlüpfen kann. Die Bewaffnung des Kinderzimmers wird hier auf ein ganz
anderes Niveau gehoben. Zum Set "Modbrix 17002 Wehrmacht Artillerie
Schützengraben" heißt es beispielsweise bei amazon, wo man derartige
Kotzware käuflich erwerben kann, die Bewaffnung bestehe aus "K98 Karabinern,
Maschinenpistolen, Panzerbüchsen, Minen und Luger Pistolen"; die Artillerie
hingegen "aus einer leichten Feldhaubitze, Vierlings Flakgeschütz und einem
schweren M08 Maschinengewehr, Häuserruine [sic] und Sandsackstellung".

Bei amazon ist zu lernen, das Spielziel dieser Sets laute "Kreativität".
Aber die Häuserruine ist bereits ganz fertig; der kreative Kitzel, ein Haus
zur Ruine zu machen (und zu schauen, wie dessen Bewohner*innen darauf
reagieren), bleibt den kleinen Rangen verwehrt.

Ferner steht bei Amazon zu lesen, die Sets seien "nicht geeignet für Kinder
unter 14 Jahren" und sollten "unter Aufsicht von Erwachsenen" benutzt
werden. Wie soll man sich das vorstellen? Ungefähr so: Der 14jährige
(hantiert mit einer Legofigur mit Panzerfaust): "Stirb, du dreckiger
Bolschewik!" -- Der Vater: "So kannst du das nicht sagen, Junge! Benutze den
Plural!" Oder was?

Interessant sind hier die Kundenbewertungen auf Amazon.de: Neben einigen
über das Nazi-Spielzeug entsetzten Kommentaren liest man hier folgendes
(unveränderte Orthografie): "Noch gesunde Kinder lieben es, ich war in dem
Alter auch schon fasziniert vom deutschen Militär." -- "Was der Linke
Abschaum hier von sich gibt ist unfassbar. Bei allem die Nazikeule schwingen
ist ja auch leicht. In Amerikaner spielen auch mit ihren Figuren. Und die
haben weit mehr getötet. Aber da geht's ja in Ordnung, sind ja nicht
Deutsch." -- "Tolle Figuren und Waffen. Nix für Bärchenwerfer und
Moralaposteln!;)" (5)

Modbrix sowie weitere obskure Anbieter lego-kompatibler Figurensets haben
auch reichhaltige Sortimente zur aktuellen staatlichen Gewaltsamkeit im
Angebot; sie orientieren sich an der "Special Weapons And Tactics"-Einheit
(SWAT) der US-Polizei, die in die Lego-Welt eingeführt werden soll. In
dieser Grauzone zwischen Militär und Polizei muss ebenfalls mit schweren
Waffen nicht gegeizt werden. Dass reale SWAT-Teams zur städtischen
"Aufstandsbekämpfung" gegründet wurden und ihre Existenz daher eine
besondere politische Dimension hat, wird in der Werbung für dieses
,Spielzeug' nicht explizit gemacht -- so wenig wie der
Völkermord-Hintergrund bei den Wehrmacht-Sets. Aber dass eine Begeisterung
für die Unterdrückung von Freiheitswünschen und eine Besessenheit mit
Ungleichheitsphantasien die Hirne der Macher*innen solchen Auswurfs fest im
Griff hat, ist unverkennbar.

Sie -- und die wieder wachsende Herde von Kälbern, die ihren Metzgern
bewundernd hinterdreinlaufen -- wollen die nächste Generation von Rednecks
und Staatsanbeter*innen in unseren Kinderzimmern heranziehen. Arme Kinder!
Aber wie ist mit einem solchen Trend umzugehen? Gegen die besonders
geschmacklose Wehrmachts-Serie läuft derzeit eine change.org-Petition, die
amazon und Lego auffordert, gegen die Hersteller vorzugehen. (6)

Mitte Januar 2018 hatte diese Petition knapp 63.000 Unterschriften. Aber
Verbieten macht nun einmal keinen Spaß. Und das Nazi-Spielzeug ist nur die
Spitze des Eisbergs. Staatsgewalt verherrlichendes Spielgerät muss vor allem
diskursiv geächtet werden -- dazu möge dieser Text beitragen. Und mit den
Kinderzimmern gilt es (de-) konstruktiv umzugehen. Wo der Playmobil- und
Pseudo-Lego-Schund auftauchen, sollte sofort als ,Task Force' ein "Kommando
Pippi Langstrumpf" folgen. Man kann die ganzen Sturmgewehre auch leicht über
einer Kerze erhitzen und den Lauf um 180° verbiegen. Oder die Figuren z.B.
in Rosa umpinseln. Der nächste Kindergeburtstag kommt bestimmt! Und dann ist
aber Schluss mit "Stillgestanden"!
(Leonie Felix)

Quelle: http://www.graswurzel.net/426/spielzeug.php

Anmerkungen
(1) Zitiert nach:
https://www.mytoys.de/playmobil-playmobil-6872-polizei-kommandozentrale-mit-gefaengnis-4260598.html
(2) Ebd.
(3) https://de.wikipedia.org/wiki/Playmobil
(4)
https://www.mukk.de/home/2459-playmobil-5369-special-plus-sek-polizist-mit-hund-playmobil-4008789053695.html
(5)
https://www.amazon.de/Modbrix-Wehrmacht-Artillerie-Sch%C3%BCtzengraben-Minifiguren/dp/B06XVZ5QBZ
(6)
https://www.change.org/p/amazon-stoppt-nationalsozialistisches-spielzeug-bei-amazon


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