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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Freitag, 26. Januar 2018; 21:11
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Das neue Ö / Arbeit:
> Bösartigkeiten abseits von Hartz IV
Abschaffung der Notstandshilfe und Hartz IV auf österreichisch - das sind 
die bislang umstrittensten und auch bekanntesten Pläne der neuen 
Bundesregierung im Bereich Arbeitsmarkt. Es gibt allerdings noch einige 
mehr, die unserer Aufmerksamkeit verdiene. Hätten sie doch, würden sie 
umgesetzt, massive Auswirkungen auf Arbeitssuchende wie ArbeitnehmerInnen.
Einige "Höhepunkte" aus dem schwarz-blauen Regierungsprogramm:
1. Verschlechterung der Zumutbarkeitsbestimmungen
Zumutbare Wegzeiten sollen bei Teilzeit auf zwei Stunden, bei Vollzeit auf 
2,5 Stunden ausgeweitet werden. Zusätzlich sollen Berufsschutz und 
Entgeltschutz "in Richtung stärkerer Arbeitsanreize" überprüft werden. Das 
kann natürlich nur eine Aufweichung bedeuten.
Bislang ist innerhalb der ersten 100 Tage eine Vermittlung nur in den 
zuletzt ausgeübten Beruf zulässig, oder in ein Beschäftigungsverhältnis, das 
eine künftige Beschäftigung im "alten" Beruf nicht erschwert 
("Berufsschutz"). Zusätzlich besteht ein "Entgeltschutz" für die ersten 120 
Tage (das Einkommen im neuen Beruf darn nicht unter 80 Prozent der 
Bemessungsgrundlage für das Arbeitslosengeld liegen) bzw. ab dem 121. Tag 
(75 Prozent der Bemessungsgrundlage).
Der Sinn derartiger Regelungen: Der Berufsschutz soll den/die Betroffene/n 
vor einem Dequalifizierungsrisiko bewahren - also der Zuweisung in einen 
Job, der nicht den erlernten Qualifikationen entspricht, diese so entwertet 
und die Rückkehr in entsprechende Beschäftigungsverhältnisse erschwert. 
Zugleich soll verhindert werden, dass überqualifizierte Arbeitssuchende in 
Beschäftigungsverhältnissen mit formal niedrigeren Ausbildungserfordernissen 
und entsprechend niedrigerer Entlohnung vermittelt werden - tatsächlich 
allerdings entlang ihrer erworbenen Qualifikationen eingesetzt werden. Nur 
eben deutlich schlechter entlohnt.
Der Entgeltschutz soll vor Lohndumping schützen - also vor einem 
Verdrängungswettbewerb aktuell Beschäftigter durch "billige" 
Arbeitssuchende. Beide Maßnahmen sind also Schutzbestimmungen - sowohl im 
Sinne der Arbeitssuchenden als auch Beschäftigten.
Keinen Berufs- bzw. Einkommensschutz gibt es ab Bezug der Notstandshilfe. 
Jobs müssen nur "angemessen entlohnt sein" (nach Kollektivvertrag) und 
dürfen nicht "Gesundheit und Sittlichkeit" gefährden.
In den letzten Jahren schon wurden die Zumutbarkeitsbestimmungen deutlich zu 
Lasten der Arbeitssuchenden verschlechtert. Eine weitere Lockerung 
("Überprüfung . in Richtung stärkerer Arbeitsanreize") würde angesichts des 
nach wie vor krassen Missverhältnisses zwischen Arbeitslosenzahlen und 
offenen Stellen den Druck auf Arbeitssuchende, so gut wie jeden Job annehmen 
zu müssen, weiter verstärken. Das führt zwangsläufig zu Dequalifizierung und 
Druck auf bestehende Arbeitsverhältnisse.
2. Verschärfte Sanktionen
Verschärft werden sollen nämlich auch die Sanktionen - insbesondere die 
Sperrfristen. Entgegen immer wieder - insbesondere seitens der WKÖ oder ÖVP 
vorgebrachten Behauptungen - sind Arbeitslosengeld und Notstandshilfe alles 
andere als "soziale Hängematten". Wer z.B. eine Arbeitsaufnahme oder eine 
Schulungsmaßnahme verweigert, die Kontrollmeldung versäumt oder gänzlich 
"arbeitsunwillig" ist, dem wird wird das Arbeitslosengeld - meist zeitlich 
befristet - gesperrt. Derartige Sperren erfolgten im Jahr 2016 103.804 mal, 
ein Anstieg von 1,34 Prozent gegenüber 2015. Derartige Sperren bedeuten für 
die Betroffenen oft genug massive Einkommensverluste und existenzielle 
Ängste. Die Zahl der Sperren droht - in Verbindung mit den verschlechterten 
Zumutbarkeitsbestimmungen - unter schwarz-blau zu steigen. Wer nicht bereit 
ist, sich einem Dequalifizierungsrisiko auszusetzen oder einen 
Niedriglohn-Job anzunehmen, dem wird einfach das Arbeitslosengeld gesperrt. 
Die Entrechtung Arbeitssuchender schreitet voran.
3. Zeitliche Begrenzung geringfügiger Beschäftigungsverhältnis
Die Möglichkeit, neben dem Arbeitslosengeld bzw. der Notstandhilfe 
geringfügig dazuzuverdienen soll zeitlich befristet werden. Bislang konnten 
Arbeitslose - um ALG oder NH aufzustocken - bis zur Geringfügigkeitsgrenze 
(aktuell 428,05 Euro/Monat) dazuverdienen. Diese Möglichkeit soll nun 
deutlich eingeschränkt werden, um ein "Verharren im Leistungsbezug 
hintanzuhalten". Unterstellt wird auch hier, dass es sich mit 
Arbeitslosengeld, Notstandshilfe und geringfügigem Zuverdienst gut leben 
lasse und deswegen kein wiklicher Anreiz für die Aufnahme einer 
Erwerbsarbeit bestünde. Fakt ist: selbstverständlich gelten auch für 
geringfügige beschäftigte ALG- und NH-GeldbezieherInnen nicht nur sämtliche 
Regelungen betreffend Berufs- und Einkommensschutz sondern auch die 
Verpflichtung für den Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen - mit den 
entsprechenden Sanktionen bei Verweigerung oder "Vereitlung" einer 
Arbeitsaufnahme.
Die von schwarz-blau geplante Maßnahme drängt vielmehr Arbeitslose als 
"Aufstocker" in die Mindestsicherung, wenn ihnen ein geringer Zuverdienst 
verwehrt wird. Das kostet nicht nur die öffentlichen Hand Geld und erhöht 
die Zahl der BMS-BezieherInnen, das verpflichtet die Betroffenen auch zur 
Vermögensverwertung, bis BMS beantragt werden kann und erschwert tendenziell 
die Rückkehr am Arbeitsmarkt: Weil bspw. mit der Verwehrung einer 
Nebenbetätigung Arbeitsroutine, Tagesplanung etc. verloren gehen. Eine 
kontraproduktive Maßnahme die nur mehr Steuergeld kostet, Arbeitslose noch 
stärker in die Armutsfalle drängt und nur eine zusätzliche Schikane 
darstellt. Sonst nichts.
4. Beschränkte Anrechnung von Zeiten der Arbeitslosigkeit auf die 
Frühpension
Die schwarz-blaue Regierung will künftig die Anrechnung von Zeiten der 
Arbeitslosigkeit auf "Frühpensionen" auf maximal zwei Jahre beschränken. Der 
Terminus "Frühpensionen" deutet darauf hin, dass sowohl Korridorpensionen 
als auch Schwerarbeiterpensionen davon betroffen sein dürften.
Bislang wurden alle Zeiten von Arbeitslosigkeit - ohne Beschränkung - 
angerechnet. Lange bzw. häufige Phasen von Arbeitslosigkeit drückten zwar 
auch bislang auf die Pensionshöhe, die geplante Regelung droht Pensionen von 
Menschen, die von häufiger (z.B. SaisonierarbeiterInnen) oder von längeren 
Phasen (Langzeit- und ältere Arbeitslose) der Arbeitslosigkeit betroffen 
sind, noch kräftiger zu reduzieren. Wer im Alter länger arbeitslos ist - oft 
genug nicht freiwillig - der muss derzeit nach spätestens 12 Monaten der 
Arbeitslosigkeit in der Regel mit spätestens 63 Jahren in die 
Korridorpension abgehen, verbunden mit Abschlägen. Mit den schwarz-blauen 
Plänen droht die Pension bei vorzeitigem Antritt noch niedriger auszufallen. 
Insgesamt traten 2016 rund 27.000 Männer die Alterspension an. Rund 4.000 
Pensionsfälle betrafen dabei die Schwerarbeiterpension, 7.400 Fälle die 
Korridorpension. 16 Prozent der Alterspensionisten gingen dabei aus der 
Arbeitslosigkeit in die Alterspension. Tausenden Betroffenen, die in den 
nächsten Jahren von der Arbeitslosigkeit in die vorzeitige Alterspension 
gehen, drohen bei Umsetzung der Regierungsvorschläge massive Verluste.
5. Keine Verlängerung des Arbeitslosengeldbezugs bei Krankenständen
Bislang wird bei Krankenständen nach dem 4.Tag der Arbeitslosenbezug 
unterbrochen und durch Krankengeld - ausbezahlt von der jeweiligen 
Gebietskrankenkasse - ersetzt. Eine Regelung die auch Sinn macht: Wer 
Arbeitslosengeld bezieht, muss dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Das 
Krankengeld überbrückt jene Zeit, in der ein/e Arbeitslose/r dem 
Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung steht und daher auch kein Arbeitslosengeld 
bezieht. Derartige Unterbrechungen krankheitshalber verlängern den 
Arbeitslosenbezug.
Das will die Regierung nun ändern - unter dem Titel "Bekämpfung von 
Sozialmissbrauch". Künftig sollen Krankenstände (Ausnahme stationäre 
Aufenthalte) den ALG-Bezug nicht mehr verlängern. Diese geplante Maßnahme 
stellt im Zusammenhang mit der geplanten Abschaffung der Notstandshilfe und 
eine massive Verschlechterung für Betroffene dar: Kranke - insbesondere auch 
chronisch kranke - Arbeitslose drohen schneller aus dem 
Arbeitslosengeldbezug in die Mindestsicherung - mit allen Folgen wie Zwang 
zur Verwertung des Vermögens, Deckelung, Arbeits- und Teilhabepflicht, keine 
Anrechnung von Pensionszeiten . - zu fallen.
Zusammenfassung: Arbeitslose unter Generalverdacht
Das schwarz-blaue Arbeitsmarktprogramm liest sich über weite Strecken wie 
ein Generalverdacht gegenüber Arbeitssuchenden, es sich in der "sozialen 
Hängematte" bequem zu machen. Arbeitslose werden für ihr Schicksal 
verantwortlich gemacht, nicht gesellschaftliche bzw. wirtschaftliche 
Umstände. Trotz zehntausender Sperren jährlich, wird so getan, als bräuchte 
es nur ein strengeres Sanktionsregime, verschärfte Zumutbarkeitsbestimmungen 
und eine Kürzung von Leistungen und Zuverdienstmöglichkeiten und schon seien 
entsprechende "Arbeitsanreize" gesetzt, die ein Verweilen in der 
Arbeitslosigkeit weniger "attraktiv" machen würde. Im schwarz-blauen 
Regierungsprogramm gibt es keine Maßnahme, welche die sozial oder 
finanzielle Situation von arbeitsuchenden Menschen verbessern würde. 
Vielmehr schreitet die Entrechtung und der Druck auf Arbeitslose voran - mit 
entsprechenden Auswirkungen auch auf jene, die eine Beschäftigung haben. 
Denn: dem Ziel einer schnelleren Vermittlung unter Androhung von 
Repressionen und dem weiteren Abbau des Berufs- und Einkommensschutzes wird 
die industrielle Reservearmee vergrößert und der Druck auf Löhne und 
Arbeitsbedingungen erhöht.
Weder wird auf die Versicherungsfunktion des Arbeitslosengelds - eben gegen 
das Risiko Arbeitslosigkeit und drohender Verarmung abzusichern, noch auf 
die so wichtige wirtschaftspolitische Funktion der 
Arbeitslosenversicherung - nämlich in Zeiten steigender Arbeitslosigkeit 
gesellschaftliche Nachfrage zu erhalten - eingegangen. Weder wird auf die 
wichtige Funktion des Sozialstaates - und hier insbesondere der 
Arbeitslosenversicherung - zur Krisenbewältigung eingegangen noch 
Arbeitsmarktpolitik als wesentliches Instrument zur Förderung 
gesellschaftlicher Integration und Gleichstellung verstanden. Vielmehr soll 
Arbeitsmarktpolitik vollkommen auf den unmittelbaren und kurzfristigen 
Bedarf der Unternehmen abgestellt werden. Diese Regierung ist, was sie ist: 
eine rechtskonservatives, autoritäres und neoliberales Projekt.
*Markus Koza*
Quelle: 
https://diealternative.org/arbeitszeit/2018/01/schwarz-blaue-arbeitsmarktpolitik-i-boesartigkeiten-abseits-von-hartz-iv
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