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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 17. Januar 2018; 14:53
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Kommentierte Presseschau:
> Das Boulevardblatt wiedermal
Die Kronenzeitung ist ja seit Jahrzehnten berüchtigt für ihre Schlagzeilen. 
Aber was derzeit so an Berichten in der Krone passiert, fragt man sich 
wirklich, wozu die SPÖ eigentlich solange dieses Blatt angefüttert hat? Ja, 
die Krone ist wirklich unbestechlich -- würde sie sonst dermassen viel 
türkisblaue Propaganda betreiben? Das Schrägste dieser Tage war unter dem 
Titel: "45,9% der kriminellen Ausländer sind Asylwerber" Folgendes: "Die 
Regierung hat am Mittwoch erste Auszüge des Sicherheitsberichts für das Jahr 
2016 bekannt gegeben, nachdem dieser zuvor im Ministerrat diskutiert worden 
war. Wie Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) mitteilte, seien bereits 
45,9 Prozent der in Österreich straffällig gewordenen Ausländer Asylwerber. 
[...] Kickl hatte vor dem Ministerrat gesagt, dass alleine die Zahl der 
ausländischen Tatverdächtigen um 13 Prozent angestiegen sei. In Österreich 
wurden 2016 rund 500.000 Straftaten angezeigt, 40 Prozent davon gingen auf 
das Konto von Ausländern. "
Es ist geradezu eine Kunst, in so wenigen Zeilen so viel Topfen 
zusammenzuschreiben. Natürlich, die "Sicherheitsberichte" des 
Innenministeriums sind auch nie sonderlich seriös, sondern Ausfluß der 
Denkweise von Polizisten und deren Minister. Wie die Zahlen zustandekommen 
ist immer wieder ein Grund zur Debatte. In diesen Berichten gibt es nie eine 
Unschuldsvermutung, weil dafür halt die Justiz zuständig ist. Und natürlich 
werden mehr Ausländer angezeigt und natürlich gibt es genug Delikte wie etwa 
fremdenstrafrechtliche, wegen denen Inländer eher selten belangt werden. 
Aber egal. Dieser Bericht ist nunmal in der Welt. Die FPÖ zitiert ihn 
zumindest tendenziös und die Krone zitiert die FPÖ danach nicht nur 
tendenziös, sondern einfach falsch. Denn daß 45,9% der kriminellen Ausländer 
Asylwerber seien, hat nicht einmal Strache behauptet. 45,9% sind das, was 
die Polizei als Aufklärungsquote angibt - hat also weder mit 
Staatsbürgerschaft noch mit Asylstatus irgendwas zu tun. Die Regierung hat 
auch nicht erst Auszüge aus den Sicherheitsberichten bekanntgegeben -- die 
stehen nämlich schon seit Tagen im Volltext im Netz. Und wenn weniger als 
die Hälfte aller angezeigten Straftaten zu Tatverdächtigen geführt hat, kann 
kaum jemand sagen, wieviele davon "auf das Konto von Ausländern" gingen --  
schlicht weil man es nicht wissen kann. Einmal abgesehen davon, daß ein 
Tatverdächtiger kein Verurteilter ist.
Die wirklichen Zahlen in den drei Sicherheitsberichten des Innenministeriums 
über das Jahr 2016 (insgesamt rund 500 Zeichen) sind sehr detailliert, aber 
auch höchst konfus angegeben. In der Zusammenfassung wird hauptsächlich von 
Anstiegen an nichtösterreichischen Tatverdächtigen berichtet , die absoluten 
Gesamtahlen sind da nur schwer herauszufiltern -- einmal abgesehen davon, 
daß sich 2016 mehr Asylwerber als sonst in den letzten Jahrzehnten in 
Österreich aufgehalten haben und daher auch logischerweise deren 
Anzeigenstatistik hochschießt, was im Sicherheitsbericht zumindest an dieser 
Stelle aber nicht erwähnt wird. Bei genauer Lektüre bleibt aber letztlich 
Folgendes über: Bei 537.792 Anzeigen und einer Aufklärungsquote von 45,9% 
wurden 22.289 Tatverdächtige mit Asylwerberstatus ermittelt. Das ist 
allerdings nicht wirklich eine beeindruckende Zahl, mit der man Hetze 
betreiben kann. Deswegen steht sie aber auch nicht in der Kronenzeitung.
Womit wir wieder bei des Österreichers liebsten Boulevardblatt wären. Denn 
das kann schon noch einen Zacken unseriöser als oberwähntes Beispiel: "Der 
Helfer wurde für zwei armenische Asylwerber in Linz zum Feind: Das Duo 
passte den Mitarbeiter der Migranten-Betreuungsfirma ORS vor seiner 
Privatadresse in Linz ab, prügelte auf ihn ein und brach ihm den Kiefer. Das 
Motiv ist noch nicht klar, die überführten Täter und das Opfer müssen erst 
befragt werden." Diese Geschichte ist schlicht und ergreifend frei erfunden. 
Es gab laut Polizeibericht in besagter Nacht eine Auseinandersetzung in Linz 
und dabei wurde einem österreichischem Staatsbürger ins Gesicht geschlagen. 
Allerdings war es in Prügelei zwischen zwei Österreichern, weil der eine den 
PKW des anderen blockiert hatte. Die beiden "Armenier" waren in Wirklichkeit 
aus Afghanistan und konnten nur zusehen, wie in Österreich Konflikte in 
Straßenverkehrsfragen geregelt werden. Nachdem die "Wiener Zeitung" den 
wirklichen Polizeibericht veröffentlicht hatte, stellte die Kronenzeitung in 
ihrer Netzausgabe den Artikel offline. Aber gelesen werden ihn halt doch 
mehr Leute haben als das Dementi der Polizei in der Wiener Zeitung.
Und so geht das tagein-tagaus in der Krone. Und wenn es mal nicht gegen in 
Österreich lebende Ausländer geht, dann halt um Ost-AKWs -- mit fettem Lob 
für die Regierung: "Klares NEIN zu den Atom-Ruinen an den Grenzen" titelte 
das Blatt, natürlich inklusive großem Porträt von Ministerin Köstinger: "Ich 
stelle mich überzeugt an die Spitz der Anti-Atompolitik. Aktiver Einsatz 
bedeutet auch die konsequente Prüfung von rechtlichen Schritten beim Ausbau 
von AKWs und das Einschreiten gegen grenznahe Atomlager." Die Pointe dabei? 
Nun, diese Berichterstattung wurde im Netz von der "Liste Pilz" 
angeprangert -- denn kurz vor diesem Artikel hatten die Pilze genau solche 
"rechtlichen Schritte" beantragt und wurden von der Koalition 
niedergestimmt. Was natürlich auch nicht in der Krone steht. Von der 
Tatsache einmal ganz abgesehen, daß ich einmal von Regierungsmitgliedern 
oder der Krone irgendwas über AKWs in Deutschland oder der Schweiz hören 
möchte. Die liegen nämlich sogar in der Windrichtung -- aber sie sind eben 
kein Erbe des Ostblocks...
Manchmal kann man in der Kronenzeitung auch einfach nur so Blödsinn lesen. 
Headline und Teaser zu einem Interview: "Erstmals ist eine Frau Ministerin 
für Umwelt -- WIEN. Mit der Vertrauten von Kanzler Kurz, Elli Köstinger 
(Bild), übernimmt nach 150 Jahren das erste Mal eine Frau das Ministerium 
für Nachhaltigkeit und Tourismus. Im Interview mit Conny Bischofberger hat 
die Kärntnerin große Pläne." Naja, das Umweltressort gibt es erst seit 1972. 
Und seither waren es fünf Frauen, die in österreichischen Regierungen die 
Zuständigkeit in Umweltfragen hatten. Erst seit 2000 sind Umwelt und 
Landwirtschaft ministeriell zusammen. Möglicherweise haben wir aber jetzt 
die erste Ministerin für Ackerbau, wie das Ressort 1867 hieß. Ob es hingegen 
in k.u.k-Zeiten einen Nachhaltigkeitsminister gegeben hat, läßt sich ohne 
Recherche zwar nicht mit Bestimmtheit sagen, erscheint aber doch eher 
unwahrscheinlich.
Und dann gibt es auch noch Schlagzeilen, die einfach nur 
Regierungspropaganda sind, wie die vom 17.Jänner: "Berlin liegt unserem 
Kanzler zu Füßen: Kurz-Festspiele in Deutschland". Wien grüßt Pjöngjang.
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> Aufregen, aber richtig
Apropos Lob für die Regierung. Oder genauer: Kritik an den Protesten gegen 
sie. Dem widmeten sich am tag der Demo am 13.Jänner die Leitartikel von 
"Salzburger Nachrichten" und "Kleiner Zeitung". Andreas Koller schreit in 
den SN unter dem Titel: "Die Regierung kann nur an sich selbst scheitern": 
"Wer solche Feinde hat wie die neue Bundesregierung, der braucht keine 
Freunde. Denn ihre Feinde arbeiten der Regierung brav in die Hände. Etwa 
wenn sie sich heute, Samstag, in Wien unter Inkaufnahme weiträumiger 
Verkehrsbehinderungen zum großen Protestzug versammeln, übrigens unter 
Beteiligung linksextremer autonomer Gruppen aus Deutschland. Demnächst 
folgen Demos gegen Akademikerball und Opernball. Je lauter und schriller 
diese Protestkundgebungen werden, desto höher wird im Wahlvolk die 
Zustimmung zur Bundesregierung steigen, Stichwort: Schulterschluss, schlag 
nach bei der Regierung Schüssel/ Riess-Passer." Stellt sich die Frage: Wie 
soll laut Herrn Koller der Protest jetzt genau aussehen, damit die Regierung 
nicht Trotzreaktionen mobilisieren kann? Demos auf der Donauinsel? Oder 
überhaupt nur durch Leserbriefe an die SN, die diese dann nicht abdruckt?
Kritisierenswert, aber nicht gar so jenseitig ist der Artikel in der Kleinen 
Zeitung. Ernst Sittinger schreibt unter "Die falsche Aufregung": "Dann 
kündigte Innenminister Herbert Kickl an, Asylwerber künftig in 
Großquartieren 'konzentriert an einem Ort halten' zu wollen. Mehr hat es 
nicht gebraucht, die Empörung kochte sogleich über: Die Wiener Grünen hörten 
die Sprache des Nationalsozialismus heraus, die Neos witterten eine bewusst 
gesetzte Provokation. ... Damit tappen alle Beteiligten wieder in die 
Einserfalle: Kaum taucht ein ungustiös zweideutiger 'Sager' auf, stürzt sich 
die heulende Oppositionsmeute sofort auf diesen Schlüsselreiz. ... Das soll 
nicht missverstanden werden: Natürlich ist es edel und gut, allzeit über den 
Fortbestand der Demokratie zu wachen und auch in sprachlicher Hinsicht für 
Anstand im politischen Alltag einzutreten. Doch ob es die Opposition 
wahrhaben will oder nicht: Österreich ist gar nicht auf dem Weg zum 
Naziland. Daher wäre es nicht schlecht, den Pfad der Hysterie gelegentlich 
zu verlassen und die Regierung an ihren Taten zu messen." Und auch Sittinger 
erinnert an die Proteste gegen Schwarzblau ab 2000: "Linke Eiferer überboten 
sich im Wettrennen um den aufrechtesten Antifaschisten, linke Künstler 
wollten vor Angst sogar auswandern. Schier endlos war die Schlange der 
Mahner, Bedenkenträger und Abgesang-Interpreten, die das baldige Ende 
demokratischer Zustände unter der Ägide der bösen Rechten herbeifürchteten." 
Und schließlich wäre die Demokratie dann doch nicht zugrunde gegangen, so 
Sittinger. Aber die Aufregung habe abgelenkt: "Dort aber, wo man wirklich 
hätte hinsehen sollen - bei den elenden Korruptionsgeschichten, bei der Hypo 
Kärnten, bei der Buwog-Privatisierung -, gab es vor lauter Nazi-Hysterie 
keine funktionierende Kontrolle." Der Zeitungsleser meint: Das ist nicht 
ganz falsch. Wobei aber die Korruption aus der FPÖ-Riege damals das 
geringere Problem war, sondern die Austeritäts- und tatsächliche 
Entdemokratisierungspolitik der ÖVP -- nicht unähnlich der heutigen Pläne. 
Dennoch: Der Schlußabsatz des Leitartikels ist richtig: "Dass manche Blaue 
die latente Doppelbödigkeit offenbar schamlos ausnützen, um die Opposition 
zu provozieren, ist unappetitlich. Wer das anprangert, sollte aber nicht 
eifrig und geifernd jeder Karotte hinterherjagen, die man ihm listig vor die 
Nase hält." Das sei übrigens auch dem Bundespräsidenten nahegelegt, der 
problematische Wortwahl anprangert, aber den geplanten Kahlschlag in der 
Sozialpolitik offenbar nicht für kommentierenswert hält.
Zeitungsleser: -br-
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