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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 17. Januar 2018; 15:07
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Zeitgeschichtegedenken:

> Angenommen

Hadersdorf am Kamp, die unendliche Geschichte des Nichtgedenkenwollens: Im
Juli montierten AntifaschistInnen Gedenktafeln für die 1945 ermordeten
politische Gefangenenen. Im November entfernte die Gemeinde Hadersdorf diese
Tafeln wieder. Am 21.12. brachten AntifaschistInnen Bilder und Blumen zum
Friedhof. Am 24.12. waren auch sie verschwunden. Gedanken dazu von *Rudi
Burda*:

Angenommen, ein Großvater oder sonstiger Verwandter von mir
wäre am 7. April 1945 dabei gewesen als Augenzeuge,
als 61 entlassene Häftlinge in Hadersdorf am Kamp ermordet wurden,
oder als widerwilliger Helfer oder eilfertiger Mittäter;

und angenommen, er wäre froh gewesen, beim Prozess 1947
nicht aussagen zu müssen oder gar verurteilt zu werden, und hätte
jahrelang darüber geschwiegen und gehofft, dass schon irgendwie
Gras drüber wachsen würde;

und angenommen, er hätte dann doch irgendwann einmal
im Familienkreis oder am Stammtisch des Kameradschaftsbunds
beiläufig erwähnt, wie sich die SSler damals aufgeführt hätten,
und bedauert, dass die wahren Schuldigen leider nicht gefasst wurden;

oder angenommen, er hätte erklärt, dass die Häftlinge dort
sicher nicht grundlos eingesperrt worden waren,
und dass man darüber auch in einem Rechtssaat wie dem unseren
nicht einfach hinwegsehen könnte;

oder angenommen, er wäre nur prinzipiell der Auffassung,
dass man etwas vergessen könnte, solang nicht
darüber geredet wird, und dass etwas verziehen werden kann,
was öffentlich nie thematisiert wurde;

oder auch nur angenommen, ich müsste,
da ich ja nichts Näheres weiß, befürchten,
dass diesem Großvater oder sonstigen Verwandten jetzt,
über 70 Jahre später, am Zeug geflickt werden könnte;

dann würde ich vielleicht Genugtuung darüber empfinden,
dass die Gedenktafeln mit 23 Namen von Ermordeten
und über 100 amtlich erhobenen Todesarten
per Gemeinderatsbeschluss wieder abmontiert wurden;

und dann wäre ich vielleicht insgeheim erfreut,
dass diese antifaschistischen Berufsdemonstranten, diese
selbsternannten Gutmenschen die Anwaltsspesen
und Arbeitskosten auch noch berappen müssen;

und dann hätte ich womöglich selber, klammheimlich,
aber nicht ohne Stolz auf meinen Mut,
eine der 61 roten Rosen abgeknickt, die diese Unruhestifter
vor Weihnachten an der Friedhofsmauer niederlegten.

Die genannten Überlegungen und Beweggründe
sind keine Behauptungen oder Unterstellungen, sondern Versuche,
hinter den jüngst in Hadersdorf gesetzten Handlungen
irgendeinen Sinn zu finden.

Denkbar sind auch noch andere Annahmen,
aber in demokratischem Sinn sind sie genauso
unannehmbar.

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