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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 17. Januar 2018; 14:40
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Oe/Kommentar:

> Formalakte zu Krone-Schlagzeilen

Zeige mir deinen Justizminister und ich sage dir, was für eine Regierung du
bist! (Text vom 10.1.2018)

Diese Regierung hat einen seltsamen Start hingelegt. Da ist zum einen diese
durch und durch reaktionäre und (im doppelten Wortsinn) antisoziale
Grundhaltung, die sie uns auch noch als "Gerechtigkeit" und
"Reformfreudigkeit" verkaufen will. Da hagelt es zwar Kritik, aber "Krone"
und "Österreich" sind immer noch begeistert -- das dürfte dieser Regierung
zur Bestärkung reichen. Zum anderen ist da der Versuch, das, was man so
gerne "Populismus" nennt, auch nach den Wahlen noch zu betreiben und dabei
von einer Peinlichkeit in die nächste zu schlittern. Die ersten drei
Interviews, die Lou Lorenz in der ZIB 2 mit den neuen Ressortchefs führen
konnte, zeigten ein verheerendes Bild: Erstens eine Sozialministerin, die
mit Bestemm etwas behauptet, was sie am nächsten Tag zurücknehmen muß, weil
sie Kanzler und Vizekanzler zurückpfeifen, zweitens eine Umweltministerin,
die zugeben muß, daß sie von EU-Recht keine Ahnung hat, und drittens ein
Justizminister, der behauptet, den Großteil des bestehenden Rechts
schreddern zu wollen.

Gerade dieses Interview von Josef Moser ist paradigmatisch für diese
Regierung. Denn an sich ist so ein Bundesrechtbereinigungsgesetz nichts
besonderes. Sowas gab es schon einmal, nämlich 1999. Damals wurden -- ebenso
mit einer langen Liste von Ausnahmen -- alle einfachgesetzlichen
Bestimmungen und alle Verordnungen von vor dem 1.Jänner 1946 aufgehoben. Nur
damals war es eine große Koalition mit einem parteilosen Justiminister. Der
hieß Nikolaus Michalek und arbeitete das ohne Trara und mit viel Bedacht
aus -- schließlich war der Mann vorher von Beruf Notar gewesen. Auch damals
hat man das schnell gemacht, binnen eines halben Jahres, wohl wegen dem
anstehenden Ende der Legislaturperiode. Aber Michalek schrieb
sicherheitshalber so ziemlich alles, was vielleicht noch einmal als
Rechtsbestand von Bedeutung sein könnte in diese Ausnahmeliste -- bis hin zu
kaiserlichen Verordnungen über die Gerichtsorganisation im gesamten
Habsburgerreich oder wie denn bei Mennoniten bei einer Zeugenvereidigung die
Gelöbnisformel zu lauten habe. Weggefallen ist dabei wirklich nur was ganz
bestimmt nicht mehr relevant ist und auch nicht mehr nötig, um darauf
aufbauende Gesetze zu erhalten, resp. das, von dem man befürchten mußte, das
es noch Geltung haben könnte, aber nicht mehr so leicht eruierbar war -- und
natürlich ein Haufen Nazigesetze, die man in die zweite Republik übernommen
hatte, um Rechtskontinuität zu gewährleisten.

Und genau das ist der Unterschied -- Michalek bereinigte Schrott aus
vorrepublikanischen, austrofaschistischen und Nazi-Zeiten, der in der jungen
Zweiten Republik liegen geblieben ist. Und das ohne viel Aufhebens. Beim
jetzigen Ressortchef klingt das hingegen so: "Das heißt, ich werde noch im
ersten Halbjahr dieses Jahres alle Rechtsvorschriften außer Kraft setzen,
die also vor dem 1.1.2000 kundgemacht worden sind, um gleichzeitig zu
schauen, welche Regelungen sollen aufrecht bleiben, aber welche Regelungen
fallen weg." Das muß man sich auf der Zunge zergehen lassen: Er, der
Minister, wird das machen. Jemand, der den Sessel des Justizministers wärmen
darf, sollte eigentlich wissen, daß er das nicht kann, sondern das Sache des
Parlaments ist. Und "alle Rechtsvorschriften" werden es sowieso nicht sein,
weil er damit wohl kaum Verfassungsbestimmungen meinen kann -- denn dafür
hat die Koalition keine Mehrheit.

Gemeint haben dürfte Moser ein völlig banales Gesetz, mit dem man wie 1999
Recht, daß allgemein als tot oder derogiert angesehen wird, auch der
formellen Geltung entkleidet. Aber damit allein zeigt man keinen
Reformwillen und macht keine Schlagzeilen. Sondern man muß das erstmal
ordentlich aufblähen und noch dazu die Bevölkerung zur Mitarbeit einladen,
damit das was hermacht -- und dabei riskieren, daß nicht unerhebliche Teile
der Medien und der Fachleute den neuen Justizminister für meschugge halten.
Aber in der Krone heißt die Schlagzeile: "Moser greift durch /
Bürokratie-Abbau: Aus für hundert Sinnlos-Gesetze". Und das wars dem
Justizminister wohl wert. Auch wenn er damit gleich zu Beginn sein Amt
beschädigt und seinen eigenen Ruf ruiniert. Sehen Sie nächste Woche: Moser
beschließt die Bundesstaatsreform!

Und so geht diese Regierung in allen Bereichen vor. Fast scheint es, daß
Kurz und Strache nicht nur in puncto Austerität, sondern auch in puncto
Unseriosität die Regierung ihrer politischen Ziehväter ab 2000 übertrumpfen
wollen. Das wäre immerhin eine Leistung!
*Bernhard Redl*


Anmerkung: Dieser Text ist bereits eine Woche alt und erschien schon in der
grippebedingten elektronischen pdf-Notausgabe akin 0a/2018.


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