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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 20. Dezember 2017; 18:49
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Schwarzblau reloaded

> Wer vom Kapitalismus nicht reden will...

Diese Regierung ist wiedermal ein Beweis dafür, wie gut Autoritarismus und
Austeritarismus zusammenpassen und daß Antifaschimus sich nicht nur an
Nazi-Allüren orientieren darf, wenn er ernstgemeint sein will.
*

Die Wiederauflage von Schwarzblau ist jetzt also perfekt. Nur ist es diesmal
eben ganz anders als im Jahr 2000. Ja, auch die Strache-FPÖ steht im Geruch
eines braunen Revisionismus wie einstens die Haider-FPÖ. Und entsprechend
sind die internationalen Pressekommentare. Aber das war es auch schon. Denn
heute führt nicht ein schwarzer Wahlverlierer die Koalition an, sondern ein
"türkiser" Gewinner. Und er wird diesmal nicht zu "Sanktionen" (die eh nur
Unfreundlichkeiten waren und kein echter Boykott) der übrigen EU-Regierungen
kommen. Schließlich ist man bei den westeuropäischen Regierungen dank der
derzeitigen ungarischen und polnischen Regime solchen Kummer schon gewöhnt.
Österreich ist jetzt einfach nur ein weiteres Symbol für die
Visegradisierung der EU. Und auch der Bundespräsident, den man eigentlich
gewählt hatte, weil man ihn als antifaschistischen Garanten angesehen hatte,
war diesmal viel freundlicher bei der Angelobung.

Das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen ist indes recht interessant: Kurz
schenkte der FPÖ die meistens Schlüsselministerien und selbst das
Justizressort ist mit einem angeblich Türkisen besetzt, der früher mal ein
Blauer war. Die türkise Ministerriege hingegen ist tatsächlich keine
schwarze. Die Bünde wurden überhaupt nicht bedient -- stattdessen sitzen
lauter Vertraute des Bundeskanzlers nun auf Ministerposten. Und das
Regierungsübereinkommen ist einfach nur reaktionär und
kapitalismusapologetisch. Die Bezeichnung "neofeschistisch", die der
"Falter" gebrauchte, ist damit nicht ganz falsch. Denn natürlich hat der
Kapitalismus in ökonomischen Krisenzeiten die Tendenz, ins Faschistische
abzugleiten. Bürgerliche-demokratische Zustände und Soziale Marktwirtschaft
sind die Form des Kapitalismus in Konjunkturzeiten -- wenns wirtschaftlich
holpriger wird und die Profitrate sinkt, brauchts autoritärere Formen. Ab
wann man da von Faschismus reden kann, ist eine Einschätzungsfrage. Aber
klar ist: Die deutschnationale Gesinnung so mancher FPÖ-Mandatare ist dabei
das geringste Problem.

Die neue Farbgebung der ÖVP ist in ihrer Symbolik auch recht treffend. Hier
wird klar, daß der inhaltliche Unterschied zwischen ÖVP und FPÖ ungefähr so
groß ist wie zwischen Türkis und Blau -- da geht es nur um Nuancen. Diese
beiden Parteien haben sich jetzt erwiesen als eine einzige politische Front,
die nur getrennt marschiert, um gemeinsam zu schlagen -- die einen holen die
Stimmen der Bauern, Beamten und Großverdiener, die anderen die der Arbeiter
und kleinen Angestellten. Eine gemeinsame Partei wäre nie so erfolgreich
gewesen.

Blauer Dunst

Und man hat aus den Fehlern von Schwarzblau I und II gelernt. Die ÖVP will
diesmal der FPÖ Erfolge gönnen -- ohne dabei aber auch nur ein Jota von
ihren Vorstellungen aufzugeben. Das schönste Beispiel dafür: Die
Vereinbarung über die Aufhebung des Rauchverbots in der Gastronomie. Das
Rauchverbot war nie ein Anliegen der ÖVP -- erstens wegen der Wirte (und
damit der Wirtschaftskammer) und zweitens weil Rauchverbote zwar beliebt
sind bei reaktionären Regierungen, um von wirklichen Problemen abzulenken,
aber halt auch zu Protesten gerade des Proletariats führen.

Da sei jetzt ein kurzer historischer Exkurs mit einigen Beispielen erlaubt:
Die Revolution von 1848 wurde in Berlin vor allem durch den Protest gegen
öffentliche Rauchverbote befeuert. Die Tabakknappheit im ersten Weltkrieg
hingegen beschrieb Alfred Polgar in der Schilderung eines Proletariers so:
"Seht ihr aus der Tasche seines Fetzenrocks das zerbissene Hornmundstück der
kriegskalten Pfeife gucken? Wieviel Wut, Verzweiflung, Unzufriedenheit hat
er da hineingebissen, wieviel Revolution hat er sich, mit dem Pfeifenrauch
aus den Nüstern, aus der Seele geblasen? Wieviel Herzensqualm zog mit dem
Pfeifenrauch ins Freie? Wieviel Ärger verrauchte da? Wohin jetzt damit?" Tja
und im Zweiten Weltkrieg das gleiche, höchst ambivalente Bild: Hitler
propagierte das Nichtrauchertum und Goebbels sorgte dafür, daß es nicht
durchgesetzt wurde -- man brauchte einerseits das Bild des Rauchers als
"Volksschädling", aber andererseits Proletarier, die nicht noch einen
weiteren Grund zur Unzufriedenheit haben.

Eine reaktionäre Regierung muß also so tun, als kämpfe sie mit einem
Tabakbann für die Volksgesundheit, gleichzeitig aber muß sie Räume lassen,
daß der Tabakkonsum möglich bleibt. Genauso steht es im
Regierungsübereinkommen und es ist ein geschickter Schachzug der ÖVP, das
Weiterrauchen im Beisl der FPÖ als Erfolg zu überlassen. Und das Beste:
Viele Bobos sind so blöd und lassen sich dadurch die wirklich schlimmen
Details dieses Koalitionspaktes vernebeln. Man muß schon sagen: Chapeau,
Herr Bundeskanzler, schlau sind sie schon!

Katalog der Grauslichkeiten

Wenn man diesen Koalitionspakt liest, weiß man gar nicht, worüber man sich
zuerst aufregen soll. Man wird sich wohl die Empörung über jeden einzelnen
Punkt für die Zeit aufheben müssen, wenn diese Regierung die einzelnen
Punkte durch das Parlament jagen möchte. Denn vieles davon ist sicher nicht
so leicht umzusetzen, wie es scheinen mag. "Speed kills" (wie das bei
Schwarzblau I Andreas Khol charakterisierte) erscheint angesichts dieser
weitreichenden Maßnahmen kaum möglich.Und diese Regierung muß auch mit ihren
"Reformen" haushalten, sie also nur peu à peu durchsetzen, zum einen um sie
erträglicher erscheinen zu lassen, zum anderen um regelmäßig "Erfolge"
präsentieren zu können. Schönstes Beispiel des Zeitplans: Direkte Demokratie
im Sinne von verpflichtenden Volksabstimmungen nach Volksbegehren will die
Regierung erst 2022 beschließen -- kurz vor dem projektierten Ende ihrer
eigenen Regentschaft. Je nachdem also ein Wahlzuckerl zum Weiterregieren
oder ein Hackel ins Kreuz der nächsten Regierung. Die jetzige wäre auf alle
Fälle nimmer davon betroffen.

Einstweilen kann man ein bisserl an den Institutionen drehen: Den
Hochschülerschaften soll die Möglichkeit genommen werden,
allgemeinpolitische Kampagnen zu starten. Die Verwendung von Geldern soll
genau kontrolliert werden, um zu vermeiden, daß sie für irgendetwas anderes
ausgegeben werden als für Service und reine Interessensvertretung. Und der
Verein für Konsumenteninformation, der einstens von den Sozialpartnern
gegründet wurde und jetzt nur mehr von der Arbeiterkammer getragen wird,
soll in Zukunft von zwei Ministerien kontrolliert werden. Das Spannende
daran: Rechtlich ist es weder per Verordnung noch per Gesetzesbeschluß
möglich, die Struktur der vereinsrechtlich organisierten Institution zu
verändern -- aber mit dem Druck des Subventionsentzugs sehr wohl. Diese
Koalition hat also keinen Genierer, einen Erpressungsversuch als
Regierungsvorhaben festzuschreiben. Auch das ist bezeichnend.

Und dann wären da noch zwei Statements von Sebastian Kurz aus dem Wahlkampf,
die in recht unterschiedlicher Weise im Zusammenhang mit dem
Regierungsübereinkommen zu sehen sind. Zum Einen das: "Langfristig ist
Eigentum die angestrebte und günstigste Form des Wohnens. Wir müssen alles
unternehmen, dass wieder vermehrt Wohnraum im Eigentum erworben werden
kann." So steht es im Regierungsübereinkommen -- damit ist klar, daß das
Statement Kurzens, das er im Wahlkampf diesbezüglich geliefert hat, nicht
einfach eine peinliche Spinnerei war, sondern durchaus ernstgemeint. Und was
er da damals gesagt hatte, war im Fokus auf Wien geprägt. Daß hier die
Wohnungspreise mittlerweile ein Niveau erreicht haben, daß auch
Besserverdienende lieber mieten anstatt zu kaufen, ficht ihn nicht an.
Schließlich steht ja im Übereinkommen auch das: "Die intendierten
Schutzwirkungen des Mietrechtsgesetzes (MRG) sollen erhalten bleiben,
allerdings den zeitgemäßen Gegebenheiten angepasst werden. Wir setzen uns
für einen fairen Interessenausgleich zwischen Mietern und Vermietern ein."
Sprich: Mieten soll auch nicht mehr leistbar sein, dann werden die
Wohnungssuchenden doch kaufen müssen. Und Besitzende sind bekanntermaßen
eher bereit, ÖVP zu wählen.

Schließlich wäre da noch die Geschichte, die Kurz so gerne zum Besten gab,
von seinem Vater, der ein Jahr lang arbeitslos war -- und mit der Kurz wohl
ausdrücken wollte, wie viel Verständnis er für Arbeitslose hat und wie froh
er ist, daß es ein funktionierendes soziales Netz gibt. Doch jetzt, wo sein
Vater wieder Arbeit hat, steht das im Koalitionspakt: "Arbeitslosengeld NEU:
Degressive Gestaltung der Leistungshöhe mit klarem zeitlichen Verlauf und
Integration der Notstandshilfe" -- das kann man als Aussteuern in die
Mindestsicherung verstehen, die zudem auch noch reduziert werden soll.

Da soll man sich aufregen über ein paar farbtragende Burschenschafter? Auch
wenn es redundant erscheint, Horkheimers Diktum von 1938 ist auch weiterhin
relevant: "Wer aber vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom
Faschismus schweigen."

Noch sind all diese geplanten Vorhaben der neuen Bundesregierung nicht
realisiert. Noch ist all das nur eine Kampfansage. Das ist alles noch nicht
beschlossen. Auch Schwarzblau I und II haben nicht all ihre Pläne
durchgebracht. Aber auf die Straßen zu gehen wegen ein paar braunen Burschis
allein wird wohl nicht reichen.

Uns droht kein Rückfall ins Jahr 1938, sehr wohl aber einer nach 1934. Und
wenn die Mainstream-Linke meint, das Wichtigste wäre jetzt, doch
Rauchverbote durchzusetzen und auf die EU zu hoffen, dann haben wir diese
Regierung wahrscheinlich verdient.

*Bernhard Redl*



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