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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 20. Dezember 2017; 19:18
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Balkan:
> Der Kult der neuen Märtyrer
Der kroatische Kriegsverbrecher Slobodan Praljak wird von Konservativen und 
Neofaschisten in seiner Heimat wie ein Märtyrer verehrt. An seinem Begräbnis 
nahmen zwei Minister teil. Ihnen gilt er als Held wie Ratko Mladic vielen 
Serben.
Der, den die Massen am Zagreber Flughafen erwarten, dessen Namen sie rufen 
wie den eines Heilands, der in die Nationalfahne gehüllt in die 
Empfangshalle treten wird, die Segnung eines Bischofs empfangen, der ist 
kein ehemaliger Fußballgott. Es ist Dario Kordic. Ehemaliger Vizepräsident 
des separatistischen Gebildes Herceg Bosna, einer kroatischen Abspaltung von 
Bosnien während des Kriegs. Er ist verantwortlich für den Mord an mindestens 
117 Bosnjaken. Er kehrte nun nach seiner Haftstrafe, zu der ihn das ICTY in 
Den Haag verurteilt hatte, in seine Heimat zurück.
Ein frisch entlassener Massenmörder wird gefeiert wie ein Held. So sehen 
ihn, ähnlich wie Slobodan Praljak, konservative und neofaschistische 
Kroaten. Er habe heldenhaft beigetragen, die kroatische Unabhabhängigkeit zu 
verteidigen. Als Teilnehmer im "Heimatverteidigungskrieg" habe er keine 
Verbrechen begehen können, so ihr Narrativ.
Helden ohne Fehl und Tadel
Diesen Narrativ bekräftige die kroatische Präsidentin Kolinda 
Grabar-Kitarovic. Dass sie nicht bei Praljaks Begräbnis gewesen sei, 
begründete sie damit, dass Politik der Vernunft folgen solle und nicht dem 
Herzen. Sie sagte, sie werde weder Kordic noch Praljak ihre Medaillen für 
ihre Verdienste im Bürgerkrieg aberkennen - auch nicht wegen deren 
rechtskräftiger Verurteilung in Den Haag. Dafür gebe es "keine 
institutionalisierte Verfahren."
Nicht, dass der derlei revisionistische Märtyrerkulte auf Kroatien 
beschränkt wären. Ähnlich diplomatisch tanzte Serbiens Präsident Aleksandar 
Vuèic nach der Verurteilung des Kommandeurs der Streitkräfte der Republika 
Srpska, Ratko Mladic, auf rohen Eiern, um ja weder Mladic direkt einen 
Kriegsverbrecher nennen zu müssen noch Srebrenica einen Völkermord.
Im Gegensatz zu Grabar-Kitarovic sprach er wenigstens nicht von 
irgendwelchen Verdiensten um die Heimat. Was man nicht für Reue halten 
sollte. Serbien will in die EU. Seine Repräsentanten müssen aufpassen, was 
sie sagen.
Kroatien ist schon Mitglied. Der Rest Europas sieht weg, wenn dort 
Kriegsverbrecher gefeiert werden.
Beide freilich zeigten meisterliche Zurückhaltung im Vergleich zu den 
offenen Nationalisten.
Bizarrer Kult
Praljaks Beerdigung geriet zu einem inoffiziellen Staatsbegräbnis. Für 
Mladic gab es nach der Verurteilung nationalistische Solidaritätsdemos in 
Serbien. Milorad Dodik, nationalistischer Präsident des serbischen 
Teilstaats in Bosnien, der Republika Srpska, nennt Mladic einen Helden und 
Märtyrer.
Nach dem ehemaligen Präsidenten der RS, Radovan Karadzic, in Den Haag wegen 
Völkermords während des Bürgerkriegs in Bosnien verurteilt, ließ Dodik ein 
Studentenheim in Pale benennen.
Rache für einen Kriegsverbrecher auf Facebook
Eine Welle von Drohungen und Angriffen lähmt derzeit Kroatiens 
Antifaschisten und unabhängige Medien - unter anderem renommierte Seiten wie 
Lupiga und die Wochenzeitung Novosti. Neben Morddrohungen in Social Media 
lassen kroatische Faschisten in koordinierten Aktionen Facebook-Auftritte 
von Medien und Antifaschisten schließen. Sie rächen sich für die 
Berichterstattung über den Selbstmord eines Kriegsverbrechers.
"Danke Euch. Wir haben mitbekommen, dass ihr die Rücknahme unserer Sperre 
beantragt habt". Das schreibt erleichtert die Facebook-Seite von Antifa 
Sibenik.
Sie standen unter Beschuss von kroatischen Identitären und offenen 
Neofaschisten wie der Gruppe Urbana Desnica (Urbane Rechte, UD) und der 
kleinen Rechtsaußenpartei Generacija Obnove (GO), berichtet das Portal 
Balkanist.
Die Rechtsradikalen hatten Anstoß daran genommen, dass Antifa Sibenik 
kritisch über Trauerkundgebungen für den ehemaligen General Slobodan Praljak 
berichtet hatte.
Der verurteilte bosnisch-kroatische Kriegsverbrecher hatte in Den Haag 
Selbstmord begangen, als das ICTY seine Verurteilung zu 20 Jahren Haft 
aufrecht erhalten hatte - unter anderem wegen Massakern kroatischer 
Einheiten in einem bosnjakischen Dorf und der Zerstörung der Brücke von 
Mostar.
Die kroatische Rechte feierte ihn nach seinem Selbstmord in Kundgebungen und 
katholischen Messen als Nationalhelden.
"Hybrider Krieg"
Die nächste Welle fingierter Beschwerden brach über Antifasistièki Vjesnik 
herein. Ergebnis: Sperre. Die Faschisten feierten sich offen in ihren 
eigenen Facebook-Foren und berieten das nächste Ziel. In anderen Threads 
erklären sie einen "hybriden Krieg" gegen die kroatische Antifa.
In jedem Fall bedurfte es einer massiven Beschwerdewelle bei Facebook, um 
die Sperren wieder aufzuheben.
Angriff auf freie Medien
Parallel erwischte es mehrere kritische Medien. Dem renommierten 
unabhängigen Portal Lupiga wurde am Dienstag der Facebook-Auftritt gesperrt. 
Was die Arbeit der Redaktion massiv behinderte.
Lupiga ist seit Jahren Ziel der Rechten. Das Portal berichtet kritisch über 
nationalistische Umtriebe in allen Nachfolgestaaten Jugoslawiens.
Es veröffentlichte auch einen Aufruf von Linguisten und Literaten, die die 
Existenz einer gemeinsamen Sprache für Serben, Kroaten, Bosnier und 
Montenegriner postulierte.
Die Standardidiome der Nachfolgestaaten werden vor allem in Kroatien und 
Montenegro zu eigenständigen Sprachen erklärt. Die Sprachpolitik ist Teil 
einer revisionistischen Kulturpolitik, die ein scharf abgegrenztes 
nationales Erbe in geschlossenen Kulturräumen konstruieren will.
Vor wenigen Tagen erschien auf Lupiga ein Bericht, dass Unbekannte 
Teilnehmer einer Gedenkkundgebung für gefallene Partisanen in Mostar bedroht 
hatten. Auch das brachte vermutlich keine Sympathiepunkte bei Neofaschisten.
Auch die Berichterstattung im Fall Praljak war ausgiebig.
Erst später wurde die Facebook-Seite von Lupiga wieder freigeschaltet - dank 
massiver Beschwerden von Lesern bei Facebook.
Novosti knapp davongekommen
Auch die linksorientiere Zeitung Novosti war Opfer massiver Angriffe von 
Identitären und anderen Neofaschisten. Bis dato dürfte ihnen nicht gelungen 
sein, den Facebook-Auftritt von Novosti sperren zu lassen. Auch Novosti ist 
Feindbild der kroatischen Rechtsradikalen. Es wird von Vertretern der 
serbischen Minderheit betrieben und ist klar antifaschistisch. Unter anderem 
entlarvte es im Vorjahr die Vergangenheit des damaligen Kulturministers 
Zlatko Hasanbegovic in der Neo-Ustasa-Bewegung der 1990-er. Hasanbegovic 
nannte wenig später die Niederlage der Ustasa die größte Tragödie in der 
Geschichte des kroatischen Volks. Allerdings wurden mehrere Artikel auf der 
Facebook-Seite von Novosti gesperrt und mehrere Administratoren der Seite 
blockiert.
Offline war Anfang Dezember der Facebook-Auftritt der antifaschistischen und 
linken Partei Radnièka fronta. Auch er ein Opfer der offensichtlich 
koordinierten Attacke. Laut "Balkanist" stellte die Partei die Seite 
inaktiv, bevor sie gesperrt werden konnte. Die gleiche Vorgangsweise habe 
die Organisation Mreza Antifasistkinja Zagreb gewählt. Die Vorgangsweise der 
Neofaschisten war in jedem Fall plump, wie das für seine Recherchen bekannte 
Portal Balkanist schreibt. Die Neofaschisten beschwerten sich bei Facebook 
über Screenshots von Hakenkreuzen und Ustasa-Symbolen und historische Fotos, 
die faschistische Verbrechen anprangerten. Dass die Screenshots von den 
eigenen Seiten stammten und die offen faschistischen Umtriebe in der 
kroatischen rechtsradikalen Szene dokumentierten, verschwieg man 
wohlweislich.
Morddrohungen gegen kritische Journalisten
Parallel läuft eine offenbar rechtsradikale Einschüchterungswelle gegen 
kritische Journalisten in Kroatien und Bosnien. Mitarbeitern von Medien wie 
index.hr wurde auf ihren Social Media-Konten gedroht, man werde sie 
umbringen, berichtet der OSCE-Vertreter für Medienfreiheit, Harlem Désir. 
Betroffen waren unter anderem auch Sanel Kajan (Al Jazeera) and Stefica 
Galic (tacno.net). Beiden soll auch Vergewaltigung angedroht worden sein. 
Désir fordert, dass kroatische und bosnische Behörden umgehend aktiv werden. 
Ein Zusammenhang mit kritischen Berichten über Slobodan Praljak ist 
wahrscheinlich. Das macht diese Kampagne zu einer der umfassendsten und 
bedrohlichsten gegen freie Medien und Antifaschisten in Kroatien seit 
Jahren.
Der Rechtsruck der kroatischen Politik ist spürbar
Seitdem die klerikalnationalistische HDZ zurück an die Macht gewählt wurde, 
hat sich das Klima in dem EU-Mitgliedsland deutlich verschlechtert.
Neofaschistische Gruppierungen treten immer offener auf. Faschistische 
Symbole, in Kroatien verboten, werden kaum mehr versteckt. Der "kroatische 
Gruß", der aussieht wie der Hitlergruß, wird von rechtsradikalen Fans bei 
Fußballspielen offen gezeigt.
Konsequenzen gibt es meistens keine.
*balkanstories.net/bearb.*
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