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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 20. Dezember 2017; 19:21
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Bücher:
> Es war einmal eine Hausbesetzung
Lena Hofhansl
B14 revisited
Roman
Schmetterling-Verlag, Stuttgart, 2017
ISBN 3-89657-040-4
12,80 EUR
Es ist ein bisserl seltsam, so ein Buch zu rezensieren. Der Verlag kündigt 
es an als eine Geschichte, wo die Tochter eines ehemaligen Hausbesetzers 
lernt, mit dessen Erbe umzugehen. Schön, man bestellt also dieses Buch. Dann 
stellt man fest, daß diese Tochter das Alter Ego der Autorin sein dürfte --  
weil die gleiche Generation, also so um 1990 herum geboren. Und der 
Rezensent identifiziert sich mit dem anderen Protagonisten des Buches -- dem 
Vater der Heldin, in den 60ern geboren. Und so fühlt sich der Rezensent 
plötzlich uralt.
Nun gut, also die Handlung? Es sind zwei Geschichten, die parallel erzählt 
werden. Die Geschichten von Leuten Anfang 20, einmal 1986 und einmal 2015. 
Einmal die des Vaters, einmal die der Tochter. Der Vater besetzt zusammen 
mit anderen ein Haus -- gelegen am Stadtrand von Stuttgart, an der 
Bundesstraße 14, daher der Titel des Buches. Durch seltsame Umstände soll 
der Vater das Haus später geschenkt bekommen. In Folge dessen macht er darin 
einen Plattenladen auf. Und den, ausgestattet so richtig auch mit alten 
Vinylscheiben, erbt die Tochter, die mit diesem Erbe nicht viel anzufangen 
weiß -- auch deswegen, weil sie ihren Vater nie kennenlernen durfte. Die 
Tochter ist hochintelligent, gebildet und auch gut ausgebildet, aus gutem 
Haus stammend (sprich: reicher Großvater mütterlicherseits) und von klein 
auf wenig rebellisch. Und sie kann mit diesem früh verstorbenen Vater, von 
dem sie nie etwas hatte, und seinem Underground-Laden nichts anfangen. Kurz 
bevor sie den Laden abfackeln möchte (um danach nach Berlin umzuziehen, wo 
sie einen gut bezahlten Job antreten soll), trifft sie auf einen recht 
abgefuckten jungen Mann, der im Keller des Hauses sein Quartier 
aufgeschlagen hat; der -- und das ist wieder sehr kitschig -- sich als der 
liebeskranke Bandleader einer angesagten Punkgruppe herausstellt.
Worum es geht in diesem Buch ist wohl ein Vergleich: Eine rebellische Jugend 
damals wie heute, die aber in Wirklichkeit andere Probleme hat als die 
Gesellschaft und die Politik -- in den 80ern ein bisserl dreckiger, dafür 
2015 mit Smartphones, aber sonst das Gleiche. Ja, unglückliche Liebe hier 
wie da, damals wie heute.
Das Buch ist desillusionierend. Das wäre an sich nicht schlecht, schließlich 
ist die Ent-Täuschung wichtig im Leben eines jeden Menschen -- es gehört zum 
Erwachsenwerden. Aber ein wenig hat man das Gefühl, die Autorin, selbst 1993 
geboren, habe nur wenig Verständnis für die Wichtigkeit der Rebellion junger 
Menschen. Zu aufgesetzt und lächerlich wirkt die Hausbesetzung 1986, zu 
kindisch und marktkonform das Musikmachen 2015. Die Autorin ist definitiv zu 
abgeklärt für ihr Alter.
Auch sind manche der Figuren ein bisserl holzschnittartig, vor allem die 
Nebenfiguren: Eine rebellische Oma mit Gehstock bei den 
Stuttgart-21-Protesten, die meint, man müsse kämpfen, wie damals in 
Wackersdorf (geh bitte, sooo lang ist das auch wieder nicht her) oder ein 
mausgrauer Millionär mit Villa und Wachmann davor, als wäre er aus einem 
US-amerikanischen B-Movie oder einer Kindergeschichte von Michael Ende. Und 
die tragische Liebesgeschichte zwischen der Tochter des Millionärs und einem 
migrantischen Proletarier, die nicht zusammenkommen können, erscheint auch 
ein bisserl sehr von Hollywood geprägt.
Hingegen beschreibt die junge Autorin das Lebensgefühl von punkigen 
Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit ihren doch unterschiedlichen 
Hintergründen und Einstellungen Ende der 80er treffend. Fast hat man das 
Gefühl, die Autorin wäre lieber 20 Jahre früher geboren worden und möchte 
nicht in dieser nüchternen heutigen Zeit eine junge Erwachsene sein. Was 
beim Rezensenten, der sich in seinen eigenen 20ern oft genug auch gewünscht 
hatte, 20 Jahre früher geboren worden zu sein anstatt in eben diesen späten 
80ern ein junger Erwachsener sein zu müssen, ein breites Grinsen auslöst. 
Vielleicht geht es vielen Generationen so, daß sie meinen, früher war die 
Rebellion viel lustiger.
Ja, alles ist hochdramatisch in der Geschichte -- natürlich: für Menschen, 
die gerade mal so eben volljährig geworden sind, ist alles hochdramatisch. 
Insofern ist die Schilderung stimmig. Doch die politischen Kämpfe (in den 
80ern Wackersdorf, in den 2010ern Stuttgart 21) wirken wie mit Gewalt in 
dieses Buch geschrieben, sie bilden quasi die historische Kulisse und sind 
nichts was wirklich Bedeutung hat. Aber vielleicht korrespondiert diese 
Kulissenhaftigkeit des Schreibens mit der kulissenhaftigen Bedeutung dieser 
Auseinandersetzungen für die Protagonisten. Auch der Rezensent fragt sich ja 
heute, warum er mit anfang 20 diverse Häuser und Baustellen besetzt hat. War 
mir wirklich die Sache wichtig oder machte ich es, weil ich die 
Auseinandersetzungen brauchte?
Das Buch ist nach Ansicht des Rezensenten wohl nicht wirklich Weltliteratur 
und auch nicht sonderlich gut geschrieben. Doch liegt der Wert des Textes 
woanders: Er stellt die Frage, was jugendliche Rebellion sein kann. Ist sie 
lächerlich oder großartig? Die Autorin beantwortet diese Frage nicht, der 
Rezensent meint: Wahrscheinlich irgendwo beides, sicher aber wichtig und 
notwendig.
Insofern ist das hier eine Buchempfehlung -- aber nur für Leute, die zur 
Jahrtausendwende schon erwachsen waren, und heute schon so desillusioniert 
wie der Rezensent.
*Bernhard Redl*
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