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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 13. Dezember 2017; 16:55
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Glosse:

> Einigen wir uns auf Dissens!

Ich hab da drei Statements vorliegen -- aus verschiedenen medialen Kanälen,
die auch inhaltlich scheinbar nur wenig miteinander zu tun haben. Und doch
erklären sie beispielhaft das Dilemma einer sich als fortschrittlich
verstehenden Politik.

Da wäre erstens einmal eine Facebook-Einladung zu einem Wiener Event mit dem
Titel: "Vernetzungsbeisl - Trinken mit Linken". Darin heißt es: "Komm
vorbei, ob alleine oder zu mehrt, auf ein Bier oder einen Saft, für zehn
Minuten oder zwei Stunden. Egal ob du neu in Wien bist oder schon länger
hier wohnst, ob du 17, 29 oder 40 Jahre alt bist. Egal ob du dich eher für
Antifaschismus, Basisarbeit, (Queer-)Feminismus, Solidarität mit Refugees,
Netzpolitik usw. interessierst." Also einmal abgesehen davon, daß nicht nur
ich, sondern auch der Großteil der Leserschaft dieses Blattes schon
altersmäßig sich da wohl ausgeladen fühlen müssen, ist es schon bedenklich,
wenn eine solche taxative Aufzählung von Themen heutzutage als Definition
von "Links" dienen kann. Wo bleibt, bitte, der gute alte Hauptwiderspruch?
Auch wenn die Kritik, daß der nicht alles sein kann, völlig richtig ist, so
kann man wohl nicht auf Kapitalismuskritik verzichten, wenn man von linker
Politik redet -- oder? Von Staats- und Imperialismuskritik einmal gar nicht
zu reden, die sind bei einer solchen bobokompatiblen Definition von "links"
sowieso pfui.

Das zweite Beispiel medialer Äußerung zum Thema gefällt mir da schon viel
besser. Das ist Tom Müller, Sprecher der Plattform Radikale Linke. Der
meinte bei der Pressekonferenz für den Tag X (also dem Tag der Angelobung
der schwarzblauen Regierung und den zu organisierenden Protesten dagegen),
daß es dabei nicht einfach nur um die FPÖ in der Regierung gehen dürfe,
sondern gegen eine "rechtsextreme Hegemonie" im Land. Schließlich hätten
"eigentlich fast alle Parteiprogramme Positionen von der FPÖ übernommen".
Das sehe man "am Programm der ÖVP, das sieht man aber auch teilweise an
Forderungen, die die SPÖ aufgestellt hat, das sieht man auch daran, wer mit
wem gerne koalieren würde". Das käme aber nicht aus heiterem Himmel,
sondern: "Wir leben in einer kapitalistischen Gesellschaft. Das bedeutet
allseitige Konkurrenz, der Kampf aller gegen alle. Das legt eine
ideologische Ausrichtung nahe, die sich gegen die sozial Schwachen richtet.
Das radikalisiert sich in Krisen zu Sozialchauvinismus, zu rechtsextremen
Ideologien, zu Rassismus. Deswegen ist es auch kein Zufall, daß seit der
Wirtschaftskrise sich rechtsextreme Ideologien überall auf der Welt
ausbreiten, wir sehen das an Trump, an Orban , in Österreich. Es ist kein
Zufall, daß das überall in der westlichen Welt passiert. Deswegen meinen wir
auch, daß Antifaschismus antikapitalistisch sein muß und deswegen glauben
wir auch, daß man über Alternativen jenseits des Kapitalismus nachdenken
müßte."

Damit kommen wir der Sache schon näher. Es geht aber auch darum, daß jene
Kräfte, die sich irgendwie selbst als links definieren und gleichzeitig
tatsächlich von gesellschaftlicher Relevanz sind, ihren Antifaschismus heute
so sehen, daß sie mit der bourgeoisen Rechten paktieren müßten, um die
nationalistische Rechte von der Macht abzuhalten. Daß das letztendlich
selbstbeschädigend ist, mußten jüngst auf unterschiedliche Weise
Sozialdemokratie und Grüne in Österreich und Deutschland auf die harte Art
lernen.

Womit wir bei meinem dritten Beispiel wären. Daniel Hackbarth kommentierte
in der WoZ Ende November unter dem Titel "Ein Hoch auf den deutschen
Dissens" die gescheiterten "Jamaika"-Verhandlungen so: "Bemerkenswert am
Berliner Spektakel ist somit vor allem, wie beflissen allseits an die
'staatspolitische Verantwortung' der Beteiligten appelliert wird, ja nur
rasch für stabile Verhältnisse zu sorgen. Der Grünen-Politiker Cem Özdemir
erklärte dies gar zu einer Frage des 'Patriotismus', so als wolle er gleich
mal beweisen, wie gut er sich inzwischen mit der CSU versteht." Dies, so
Hackbarth, zeuge "vor allem vom herrschenden Irrglauben, eine lebendige
Demokratie verlange möglichst viele Kompromisse".

Es sei allerdings genau andersum, so Hackbarth: "Wenn jedenfalls der
politische Betrieb in Deutschland durch den 'Jamaika-Schock' (ARD) eine
weitere Polarisierung erfahren sollte, ist das gewiss kein Anlass zur
Trauer. Denn gerade das obsessiv auf Konsens und Harmonie getrimmte
Politikverständnis ist eine der Ursachen dafür, dass die liberale Demokratie
allerorten in die Defensive geraten ist. In den vergangenen Jahrzehnten
waren die Unterschiede zwischen den Parteien nicht nur in Deutschland
unkenntlich geworden; insbesondere sozialdemokratische Alternativen
existierten allenfalls noch auf dem Papier. Stattdessen dominierte über die
politischen Lager hinweg ein technokratischer Geist, den Angela Merkel mit
der von ihr erhobenen Forderung nach einer 'marktkonformen Demokratie' und
ihrem grenzenlosen Pragmatismus idealtypisch verkörperte. Dies wiederum
spielte RechtspopulistInnen in die Hände, weil die so sich als einziges
Gegenangebot zum 'Parteienkartell' ins Spiel bringen konnten. Populismus
beruht immer darauf, den politischen Diskurs zu polarisieren, und diese
Strategie kann logischerweise nur dort aufgehen, wo erstens
gesellschaftliche Widersprüche vorhanden sind (was ja der Kapitalismus
zuverlässig besorgt) und zweitens solche Widersprüche unterdrückt statt
angesprochen werden. So gesehen ist es erfreulich, wenn sich Parteien wieder
schwerertun, Gemeinsamkeiten zu finden."

Darum geht es! Nicht nur der Kampf um die "politische Mitte" und die
Koalitionsfähigkeit mit der Bourgeoisie haben Linke korrumpiert. Auch das
"Bohren harter Bretter" (Willy Brandt) hat sie müde gemacht. Aber erst das
Starren auf die nationalistische Schlange hat es ermöglicht, daß diese
überhaupt ihr Haupt erheben konnte.

Es braucht politische Parteien, die auch tatsächlich eine linke Ideologie
vertreten, die diesen Namen verdient. Was man früher politische
Überzeugungen nannte, nennt man heute abschätzig Populismus. Den Glauben,
daß die Welt anders aussehen könnte, hat man der Rechten überlassen. Die
politisch relevante Linke bescheidet sich heute auf die Forderung eines
Kapitalismus mit menschlichem Antlitz.

Das muß anders werden; wenn schon nicht aus Überzeugung, dann wenigstens aus
einem pragmatischen Antifaschismus heraus. Denn Antifaschismus muß
antikapitalistisch sein -- oder er ist einfach gar nicht.
*Bernhard Redl*

Links
Trinken mit Linken: 14.12., 20:30-23:30, Kuku, Linke Wienzeile 94, 1060 Wien
https://www.facebook.com/events/738297946374979/
Mitschnitt Pressekonferenz Tag X, 11.12.2017
https://cba.fro.at/355523
Ein Hoch auf den deutschen Dissens
https://www.woz.ch/-834e

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