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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 29. November 2017; 23:54
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International:
> ¡Venceremos!
Vor genau einem Jahr starb Fidel Castro.
Fidel Castro überlebte mehr als sechshundert Attentate, starb aber ruhig im
hohen Alter. Westliche Medien suchten vergebens in der Insel sogar unter den
Steinen, um jemanden zu fotografieren, der nicht getrauert hätte.
Dafür müssen wir hier in Europa die immer wiederholte Szene der paar Dutzend
tanzenden Exilkubaner aus Miami sehen sowie Dokumentarfilme, in denen Fidel
Castro zum Tyrannen gemacht wird. Dennoch müssen sie auch die Erziehungs-
und Gesundheitsfortschritte zeigen, unter anderem weil es keine bloßfüßigen
und bettelnden Kinder auf der Straße gibt. Der Schweizer Internationalist
Walter Wendelin schrieb dazu einen sehr passenden Satz, den ich frei
übersetzt habe:
"Aus der Perspektive unseres überheblichen Eurozentrismus und träumerischen
Pragmatismus wissen wir wenig über die Geschichte von Ländern wie Botswana,
Burkina Faso, Vietnam, Grenada sowie von vielen anderen Prozessen. Sie
interessieren uns auch nicht. Aber wir glauben, alles oder fast alles über
Kuba zu wissen. Ist es weil die Kubaner sich besser verkaufen konnten, trotz
der kriminellen Blockade? Nein, die Realität ist genau umgekehrt: In Kuba
hat das Volk gesiegt und Widerstand geleistet, und baut weiter in der
entgegengesetzten Richtung der Interessen des Imperiums und seiner Diener
auf. Eben deswegen ist es für die westlichen Machtträger so notwendig, dass
wir alles über Kuba kennen, dass wir glauben, alles besser zu wissen als die
Kubaner selbst. Und so geht es uns."(2)
Nachdem Herbert Matthews sein berühmtes Interview mit Fidel Castro in seinem
Guerillalager in der Sierra Maestra 1957 in der Times veröffentlichte, hat
es in meiner Uni in Mexiko angefangen zu brodeln. Und als sein Siegeszug mit
Camilo Cienfuegos, Ernesto Guevara, Raúl Castro und hunderten von Kämpfern
am 8.1.59 in Havanna eintraf, wussten wir, nicht nur in Mexiko, sondern in
ganz Lateinamerika, dass die Befreiung vom Imperium möglich ist, wenn auch
Fidel in seiner ersten Rede vor seinem Volk behauptete, ab diesem Moment
würde es schwieriger werden als zuvor.
Nicht nur die oben genannten Mitkämpfer von Fidel haben diesen Sieg
ermöglicht, aber wer in Europa weiß etwas über Frank País, Melba Hernández,
Celia Sánchez oder Haydee Santamaría?
In den USA wurden 1959 Mützen mit Bärten als Guerillaverkleidung für Kinder
verkauft (3), aber als klar wurde, dass die Revolution kein Maskenball war,
hat der später ermordete J.F. Kennedy einen militärischen Angriff auf Kuba
befohlen.
Es gibt eine kleine-große Geschichte zum Thema "Diktator": Wie bekannt,
haben 1.320 kubanische Exilanten - mit geheimer Unterstützung der CIA - am
17. April 1961 eine Invasion in der Schweinebucht (Playa Girón für die
Kubaner) durchgeführt. Der Angriff hatte den Sturz der Revolutionsregierung
zum Ziel. Fidel leitete die militärische Verteidigung, nicht aus der Ferne,
sondern aus der ersten Schusslinie. Von der kubanischen Seite sind 176
Revolutionäre gefallen, in den Ränken der Kontras gab es 118 Tote und 1.202
Gefangene. Die Gefangenen wurden vor Gericht gebracht (4), es wurde ihnen
erlaubt, in absoluter Freiheit durch das Fernsehen ihre Absicht, die
Regierung zu stürzen, auszudrücken. Danach hat man sie gesund, wohlgenährt
und frisch gebadet nach Miami zurückgeschickt. Mitten im Kalten Krieg! Man
kann sich den Frust der Amis vorstellen, die sich eine massive Unterstützung
der Invasion erhofft hatten.
Sechzehn Jahre später sind 55 junge Kubaner, die als Kinder von ihren Eltern
in die USA gebracht worden waren, freiwillig zurück in ihre Heimat gereist.
So wurde die Brigada Antonio Maceo in den Vereinigten Staaten gegründet, die
inmitten der reaktionären Exil- Kubaner die nordamerikanische Gesellschaft
über die Realität in Kuba informieren und alle Jahre zur Zuckerrohrernte auf
die Insel reisen.
Im Oktober 1960 begann die Blockade - euphemistisch "Embargo" genannt -
gegen die Insel. Wie pervers sie seither ist, kann ich durch folgende
Episode bezeugen: Die kubanische Regierung (natürlich unter Castros
"grausamer" Präsidentschaft) schickte zu Clintons Zeit den besten Impfstoff
der Welt gegen Hirnhautentzündung nach Nordamerika (5), nicht
geschäftsmäßig, sondern über die spezifisch aufgehobene Blockade "for
humanitarian reasons", so das State Department, weil viele Kinder in den USA
den Impfstoff benötigten. Im Gegenzug hat das Department of Treasure im
Jahre 2007 den Export von Herzschrittmachern für Kinder nach Kuba verboten
(6).
Es wäre zu einfach gewesen, den Imperialismus für alle kubanischen
Misserfolge schuldig zu sprechen. Die kubanische Revolution hat freilich
viele Irrtümer begangen. Dazu zwei Bemerkungen: Zum einen gab es immer eine
gnadenlose Selbstkritik und eine angebrachte Richtigstellung. Und zum
anderen hat das kubanische Volk die Tugend besessen, die bestimmt von Fidel
stammte, die Niederlagen in Siege zu verwandeln.
Die Geschichte der gescheiterten Ernte der zehn Millionen Tonnen Zucker im
Jahr 1970 ist ein gutes Beispiel hierfür (7)(8). Die fixe Idee kam von
Fidel: Die größte Zuckerproduktion aller Zeiten sollte es werden und es
hätte ein riesiger Sieg gegen die USA werden sollen! Die Agrarreform war
weiter fortgeschritten als die Blockade, der Markt in der UdSSR war
gesichert und die Moral der kubanischen Bevölkerung sehr hoch. Dennoch wurde
dieser Kampf verloren, weil die Leistungsfähigkeit der Zuckerfabriken
ungenügend war, weil die konzentrierte Anstrengung auf die Zuckerrohrernte
einen Dominoeffekt über die Gesamtwirtschaft bewirkte und schlussendlich
auch deshalb, weil der Idealismus grösser war als die reale
Wirtschaftsplanung.
Wäre das Ziel auf sieben oder acht Millionen gesetzt worden - wie es die
Techniker vorgeschlagen hatten -, so wäre es ein Erfolg gewesen. So aber
wirkte die Nachricht, die Fidel ganz offen in einer Rede mit einem anderen
Thema frühzeitig ankündigte, für das Volk wie eine eiskalte Dusche. Er war
eben nicht nur Politiker, sondern vor allem ein Mensch. Dazu behauptete
Fidel, dass der Misserfolg lehrreicher sei als ein Erfolg und dazu führen
würde, das Bewusstsein zu stärken und die Mängel und Begrenzungen zu
überwinden. Jedenfalls hat dieser Aufwand über sieben Millionen Zucker
produziert und die Moral sowie die Wirtschaft in der Insel letztendlich
gestärkt.
Die Erfolge Kubas auf den Gebieten Erziehung und Gesundheit auf nationaler
Ebene sind wohl bekannt. Nicht nur, dass die Statistiken über das Land mit
dem besten Gesundheitsniveau des amerikanischen Kontinents dies bezeugen,
sondern auch, weil Kuba tausende Gesundheitsarbeiter in die Welt schickt,
ohne irgendeinen Gewinn zu erwarten. So war das z.B. bei der
Cholerabekämpfung in Haiti, als Kuba mehr Ärzte hinschickte als die gesamte
Weltgesundheitsorganisation, oder bei den zehntausend Chernobyl-Kindern, die
sich in Kuba erholen konnten. Kuba gründete außerdem eine Medizinische
Fakultät mit erstklassiger Qualität, um Ärzte aus aller Welt ganz kostenlos
auszubilden. Schon etwas darüber in den europäischen Medien gelesen, gehört
oder gesehen?
Um über Erziehung und Bildung in Kuba zu schreiben, hätte ich hier zu wenig
Platz(9). Dafür aber erzähle ich Euch (denjenigen, die mich nicht schon den
Fanatikern zugeordnet haben) eine eigene Erfahrung im Bereich der sozialen
Errungenschaften: Ich begleitete als Dolmetscher Dolores Bauer, eine fromme
Katholikin und großartige österreichische Journalistin, nach Kuba. Unter
anderem besuchten wir ein Altersheim, ein geräumiges, modernes und gut
ausgestattetes Gebäude mitten in Havanna. Die Insassen waren offensichtlich
zufrieden in der "Casa de los Abuelos" (Haus der Großeltern), wie die
Altersheime in Kuba genannt werden. Wir wurden von einer Nonne durch das
Haus geführt. Man sah von ihr nur das Gesicht und die Fingerspitzen, eine
katholische Nonne, also keine Muslimin. Zum Schluss der Führung sagte
Dolores, das Heim wäre ein gutes Werk der Kirche. Da meinte die Madre
Superiora empört: "Welche Kirche? Das hier haben wir Fidel zu verdanken!"
Als Revolutionär hat Fidel die kühnsten wirtschaftlichen, wissenschaftlichen
und sozialen Projekte konzipiert: den Bauern Land, den Analphabeten
Ausbildung, den Fabrikarbeitern Arbeit, der Jugend Hoffnung und den Frauen
Würde, den Schwarzen Gleichstellung und Gesundheit für alle. Freilich
agierte Fidel nicht aus karitativen Gründen, auch wenn ihn Forbes einst zu
den reichsten Millionären der Welt gezählt hat(10). Er war ein Visionär, der
die Wünsche und Kräfte seines Volkes interpretieren konnte. Er war, um es
mit einem Begriff aus der Chemie auszudrücken, ein Katalysator. Hätte es
keinen Fidel gegeben, so wäre der Umschwung - nicht nur in Kuba - später und
mit einem anderen Fidel geschehen.
Heute ist wohl dem Fidel Castro nicht nur die Einheit seines Volkes, sondern
auch ein gewisser Zusammenhalt in der Dritten Welt, das Aufleben der
lateinamerikanischen Linken und die Förderung der internationalen
Solidarität zu verdanken (11).
Nun ist Fidel tot, er starb zehn Jahre später als die Verleumder der
kubanischen Revolution es gewünscht hätten. Die Fragen sind immer noch
dieselben: Was wird mit Kuba geschehen? Wird die Revolution so zu Grunde
gehen wie in der Sowjetunion? Aber Kuba ist nicht die UdSSR. Der Absturz des
"sowjetischen Modells der sozialistischen Entwicklung" hat bewiesen, dass
die marxistisch-leninistische Theorie über den Staat und die Revolution
nicht wie ein Kochrezept angewendet werden kann.
Fidel behauptete, dass die Involution oder Umkehrung der Revolution durch
die rechtzeitige Korrektur der Fehler in der Partei und der
Staatsverwaltung, die Rektifikation der wirtschaftlichen Tendenzen, die zu
kapitalistischen Modellen führen, und durch Maßnahmen zur Vermeidung der
Korruption, der Verschwendung, der Ausrede, der Lügen, der Privilegien und
der Veruntreuung öffentlicher Güter vermieden werden kann. Aber außerdem
fügt Fidel in seinen Überlegungen eine Grundbedingung für den Aufbau des
Sozialismus hinzu: die revolutionäre Ethik. Der Machtmissbrauch, die
Korruption und die Privilegien werden durch das Fehlen revolutionärer Ethik
und durch mangelndes Klassenbewusstsein verursacht, aber auch durch
ungelöste wirtschaftliche Probleme. Für Fidel war klar, dass der Sozialismus
die ganzheitliche Entwicklung der Ökonomie braucht und auch, dass er keine
kapitalistische Entwicklung für Kuba haben wollte. In diesem Sinne wurde es
im 7. Parteitag der Kubanischen Kommunistischen Partei entschieden.(12)
Es ist jedenfalls so: Ob die Revolution weiter bestehen bleibt oder
rückgängig gemacht wird(13), hängt einzig und allein vom kubanischen Volk
ab. Fidel hat dies sehr klar und deutlich in seiner Rede vom 17. November
2005 ausgedrückt.
Zum Schluss die Empfehlung, das Buch über die politischen Ideen Fidel
Castros zu lesen, verfasst von einem Österreicher namens Ernst
Fürntratt-Klöp, der oft in Kuba war und die kubanische Revolution sehr
kritisch beobachtet hat: Das Buch heißt ursprünglich "Revolucionario por
amor", sein Autor schrieb es auf Spanisch unter den Namen Ernesto Fidel
Cházaro(14).
*Ricardo Loewe*
*
2 Walter Wendelin, Prolog zu: Katrien Demuynck y Marc Vandepitte: El factor
Fidel. El pensamiento político del comandante. Boltxe, 2016.
https://www.boltxe.eus/denda/
3 Fernando Corona Gómez: La imagen de Fidel Castro en la revista Life,
1957-1960. http://www.cialc.unam.mx/ cuadamer/textos/ca150-61.pdf
4 Siehe dazu Leon Rozitchner: Moral burguesa y revolución. Ediciones
Biblioteca Nacional. Argentina, 2012.
http://trapalanda.bn.gov.ar/jspui/handle/123456789/7503
5 http://elpais.com/diario/1999/08/08/sociedad/934063215_850215.html
6
http://www.cubainformacion.tv/index.php/bloqueo/36310-denuncia-cuba-impacto-del-bloqueo-en-los-ninos
7 Julio García Luis: Fidel Castro: La vida del combate y la virtud.
http://www.cubaperiodistas.cu/index.php/fidel/apuntes-del-dia/
8 La Zafra de los diez millones: una mirada retrospectiva.
www.rebelion.org/docs/168474.pdf
9 Luis Hernández Navarro: Fidel Castro y la educación en Cuba. El virus del
deseo de saber. http:// www.rebelion.org/noticia.php?id=220417
10
http://www.forbes.com/billionaires/2006/05/04/rich-kings-dictators_cz_lk_0504royals.html
11 Siehe Gallardo, Helio: Crisis del socialismo histórico: ideología y
desafíos. San José, Costa Rica, DEI, 1991. Der chilenische Theologe und
Wirtschaftswissenschaftler Gallardo begründet unter anderem, dass die
Niederlage des Sozialismus in Kuba eine fünfzigjährige Verzögerung der
Entwicklung Lateinamerikas bedeuten würde.
12 Zentraler Bericht an den 7. Parteitag der Kommunistischen Partei Kubas,
verlesen vom Ersten Sekretär des Zentralkomitees, Armeegeneral Raúl Castro
Ruz, Havanna, 16. April 2016, 58. Jahr der Revolution.
ww.fgbrdkuba.de/txt/doc/20160416-raul-castro-rede-parteitag-2016.php
13 Enrique Ubieta Gómez: Cuba ¿revolución o reforma? Editorial Abril, Cuba,
2012. ISBN 978-959-210-823-3
14 Eine Übersetzung findet sich unter Fürntratt-Kloep, Ernst F.: Unsere
Herren seid ihr nicht! Das politische Denken Fidel Castros. 3. Auflage,
PapyRossa Verlag. ISBN 978-3-89438-185-1
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Anmerkung des LayOuters für alle Skeptiker: Ja, mir ist der Text auch ein
bisserl zu hagiographisch -- aber die akin ist ja auch ein
Diskussionsorgan...
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