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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 29. November 2017; 23:51
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Glosse/Zeitgeschichte:

> Juri, Heinz und Vasili

Vor geraumer Zeit lernte ich auf Cuba einen österreichischen Diplomaten
kennen, der den hierzulande doch eher seltenen Vornamen Juri trug. Er
erzählte mir, dass sein Vater im zweiten Weltkrieg an der Front auf einen
russischen Soldaten traf. Beide hätten schießen können, ja sollen, ja
müssen. Sie verständigten sich jedoch darauf, dies zu unterlassen - und,
sollten sie den Krieg überleben, ihren ersten Sohn nach dem jeweils anderen
zu benennen. So kam der spätere Botschafter zum Namen Juri.

Ob irgendwo in der Sowjetunion ein ungefähr gleichaltriger Heinrich
existierte, hat er nie erfahren.

War sein Vater ein Verräter? Oder ein Held?

Definitiv ein Held war Vasili Alexandrovich Arkhipov. Am 27. Oktober 1962,
während der Kubakrise, verweigerte er den Abschuss eines mit einem atomaren
Zehn Kilotonnen-Sprengkopf bestückten Torpedos, obwohl sein U-Boot von
US-Amerikanischen Schiffen mit Wasserbomben angegriffen wurde und der
sowjetische Kommandant, der wegen der Tauchtiefe keine Funkverbindung hatte,
deshalb davon ausging, dass ein Krieg begonnen hätte.

Dies war der wohl gefährlichste Moment in der bisherigen Geschichte der
Menschheit.

Dass Arkhipov sehr wahrscheinlich den Ausbruch eines weltweiten Atomkriegs
verhindert hat, wurde übrigens erst 2002 im Rahmen einer Historiker-Tagung
in Havanna öffentlich bekannt. Vier Jahre davor war Arkhipov an Krebs
gestorben, vermutlich die Folgewirkung eines Strahlungsunfalls, wegen der
mangelhaften Abschirmungen. Ob ihm irgendwo auf der Welt, die er gerettet
hat, ein Denkmal gesetzt wurde, konnte ich bis jetzt nicht herausfinden.

Österreich, genauer Wien, hat seit zwei Jahren ein Denkmal, das Menschen
Respekt erweist, die sich Befehlen widersetzten und eine eigene Entscheidung
trafen. Primär ist es den Verfolgten der nationalsozialistischen
Militärjustiz gewidmet. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass die mehr als
30.000 als Deserteure oder sogenannte "Wehrkraftzersetzer" Hingerichteten
nichts dagegen hätten, wenn an der begehbaren Skulptur am Ballhausplatz,
zwischen Bundeskanzleramt und Präsidentschaftskanzlei, auch Juris Vater,
dessen russischen Gegenübers und nicht zuletzt Vasili Alexandrovich
Arkhipovs gedacht wird.

Ihnen und allen anderen, die statt zweifelhaften Befehlen ihrem Gewissen
folgten, sollten wir und viele weitere Generationen uns zu Dank verpflichtet
fühlen.
*Leo Lukas*



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