**********************************************************
akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 29. November 2017; 23:38
**********************************************************

Glosse:

> Zur Lage

Wir werden also eine schwarz-blaue Regierung bekommen. Die Grünen sind
rausgeflogen aus dem Parlament und auch sonst (von rühmlichen Ausnahmen wie
Birgit Hebein und Faika El-Nagashi abgesehen) aus meiner Wahrnehmung
verschwunden. Die Liste Pilz ist geköpft und versucht, trotzdem zu
überleben, aber sonst hört man von ihr nichts.

Die SPÖ geht in Opposition. Vielleicht kann sie sich unter Christian Kern
als halblinke Kraft profilieren. Das wird nur dann möglich sein, wenn es
gelingt, rechte Fransen à la Doskozil und Ludwig (und wie heißt der in
Linz?) nachhaltig abzuschneiden. Was aber leider unwahrscheinlich ist.

Und jetzt wird es spannend. Denn es liegt jetzt fast allein an uns, den
NGOs, der außerparlamentarischen Zivilgesellschaft, den politischen Kampf
gegen das Unrecht zu führen.

Die letzten Verschärfungen des Asylrechts (wie vergessen das nie!) hat noch
das bisherige rot-schwarzen Regime beschlossen:

So den Zwang, in einem von Amts wegen zugewiesenen Bundesland zu wohnen,
auch wenn man anderswo private Bindungen hat. Ebenso die Verpflichtung, in
einem bestimmten Quartier zu wohnen, damit man leichter abgeschoben werden
kann. Und vermehrte Vollmachten für die Polizei, etwa für
Hausdurchsuchungen.

So darf die Polizei in Wohnungen privater Unterstützender eindringen, wenn
"aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist", dass eine Person, gegen die
ein Festnahmeauftrag erlassen wurde, sich dort aufhält. Die Polizei darf
auch Grundstücke betreten, wenn "angenommen" werden kann, daß dort drei
Fremde sind, unter ihnen vielleicht ein Illegaler.

Es ist "anzunehmen" (um bei diesem Ausdruck zu bleiben), daß die Polizei
davon reichlich Gebrauch machen wird, zumal wenn das Innen-, pardon:
Heimatschutzministerium unter dem neuen Regime an die FPÖ fallen sollte.

Es wird der Polizei wohl nicht schwerfallen, einfach "anzunehmen", daß sich
in der für die Betreuung Schutzsuchender genutzten Wohnung eines
Unterstützers drei Fremde aufhalten und einer davon womöglich "illegal" sein
könnte.

Diese Gesetzesbestimmung ermöglicht also die Ausübung von Psychoterror gegen
Unterstützende, um die Bewegung zu schwächen.

Es kann aber sehr wohl auch sein, daß dieser Schuß nach hinten losgeht, da
vermehrte Hausdurchsuchungen bei inländischen Privatpersonen Empörung
auslösen und vermehrten Widerstand zur Folge haben werden. Es kommen also
auch in dieser Hinsicht interessante Zeiten auf die Zivilgesellschaft zu.

Jetzt soll es aber mit dem schwarz-blauen Pakt, soweit wir ihn bisher
kennen, noch schlimmer werden: Asylsuchende sollen nicht mehr privat wohnen
dürfen, also nur mehr in Massenquartieren.

Wohngemeinschaften zwischen Einheimischen und Geflüchteten (wie sie während
der großen Fluchthilfebewegung des Jahres 2015 überall im Land entstanden
sind!) sollen also, wenn das so durchgeht, verboten sein. Warum wohl? Es
soll verhindert werden, daß die Asylsuchenden Deutsch lernen, Freundschaften
schließen, womöglich Liebesbeziehungen eingehen, überhaupt: daß sie sich
integrieren. Diese Maßnahme ist auch ein Schlag gegen Wien, wo von 19.000
grundversorgten Asylsuchenden 13.000 privat untergebracht sind.

Auch die Einbürgerung wird erschwert: Anerkannte Flüchtlinge sollen nicht
wie bisher nach sechs, sondern erst nach zehn Jahren die Staatsbürgerschaft
erhalten, also genauso lange warten müssen wie "gewöhnliche" Fremde. Dies
steht in Widerspruch zu Artikel 34 der Genfer Flüchtlingskonvention, der
ausdrücklich eine erleichterte und beschleunigte Einbürgerung von
Konventionsflüchtlingen anordnet.

Drastisch gekürzt soll die Mindestsicherung werden, auf die anerkannte
Flüchtlinge in gleichem Maße Anspruch wie inländische Arme haben. Diesem
Angriff auf das karge Eigentum armer Menschen hat das rot-grüne Wien sich
nun entgegengestellt; wir begrüßen das und erinnern das neue schwarz-blaue
Regime an das Bibelwort: "Du sollst nicht stehlen!"

Aber auch die inländischen Armen werden unter Schwarz-Blau zu leiden haben.
So will die künftige Regierung den Pflegebedürftigen (die ohnedies den
Großteil ihres Geldes hergeben müssen) nun auch das bisher vom staatlichen
Zugriff verschonte 13. und 14. Monatsgehalt wegnehmen, sodaß sie völlig zu
Gnadenbrotempfängern werden.

Wesentlich ist also, daß Verschärfungen in allen gesellschaftlichen
Bereichen bevorstehen, nicht nur bei Asyl und Migration, sondern ganz
besonders im Sozialbereich. Es ist ein Sparpaket zu befürchten, das gerade
die Ärmsten trifft. Hingegen werden Steuergeschenke an die Wohlhabenden
ausgeschüttet.

Es ist also eine Regierung der Reichen, die jetzt ans Ruder kommt. Den
Widerstand dagegen zu organisieren, wird Aufgabe der Zivilgesellschaft sein:
der NGOs, der vielen privaten Initiativen überall im Land.

Wie es ausgeht, hängt davon ab, ob es gelingen wird, die vorhandenen
Strukturen der Fluchthilfebewegung mit dem Kampf um die Rechte der Armen
insgesamt zu verknüpfen.

Zehntausend Menschen bildeten am 15. November eine Lichterkette um das
Regierungsviertel, eine Schutzkette gegen die Machtübernahme durch die
Rechtsextremen. Es war nur ein Beginn.

*Michael Genner, Asyl in Not*



***************************************************
Der akin-pd ist die elektronische Teilwiedergabe der nichtkommerziellen
Wiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd muessen aber nicht
wortidentisch mit den in der Papierausgabe veroeffentlichten sein. Nachdruck
von Eigenbeitraegen mit Quellenangabe erbeten. Namentlich gezeichnete
Beitraege stehen in der Verantwortung der VerfasserInnen. Ein Nachdruck von
Texten mit anderem Copyright als dem unseren sagt nichts ueber eine
anderweitige Verfuegungsberechtigung aus. Der akin-pd wird nur als
Abonnement verschickt. Wer versehentlich in den Verteiler geraten ist, kann
den akin-pd per formlosen Mail an akin.redaktion@gmx.at abbestellen.






*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
postadresse a-1170 wien, lobenhauerngasse 35/2
vox: 0681 205 036 17
redaktionsadresse neu: dreyhausengasse 3, kellerlokal, 1140
http://akin.mediaweb.at
blog: https://akinmagazin.wordpress.com/
facebook: https://www.facebook.com/akin.magazin
mail: akin.redaktion@gmx.at
bankverbindung lautend auf: föj/BfS,
bank austria, zweck: akin
IBAN AT041200022310297600
BIC: BKAUATWW