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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 29. November 2017; 23:37
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Wien/Grüne:
> Möge die Übung gelingen!
Die Grünen sind vielleicht doch nicht ganz so blöd, wie es bisweilen den
Anschein haben mag.
Die Landesversammlung der Wiener Grünen am Samstag war in vielerlei Hinsicht
bemerkenswert. Zuallererst sei hier natürlich das Aussperren der Medien von
der eigentlichen Debatte erwähnt -- da scheint jemand in der Partei etwas
begriffen zu haben. Denn wenn man diskutieren -- sprich: streiten -- will
und wohl auch muß, geht es nicht an, daß die Akteure sich ständig überlegen
müssen, wie denn das in der Zeitung rüberkommt. Die Unsitte, im kleinen
Kreis ohne Medien und auch ohne Basis etwas auszubaldowern, was dann mit
Mediendruck bei dem angeblich einzig relevanten Gremium, der
Landesversammlung, nur mehr abgenickt wird, wurde damit zumindest ein
bisserl weniger leicht praktizierbar. Wenn die Bundespartei das übernehmen
könnte, gäbe es vielleicht keine Beschlüsse mehr, die mit vorgehaltener
Fernsehkamera erpreßt werden.
Die Präsentation und Anerkennung einer neuen "Grünalternativen Jugend"
wirkte hingegen ein bisserl aus dem Hut gezaubert -- wer diese jungen Leute
sind und was sie repräsentieren und ob sie überhaupt willens sind, die
"Erwachsenenpartei" zu fordern, wie es sich für eine anständige
Jugendorganisation gehört und wozu sie der Name der alten "GAJ" wohl auch
verpflichtet, bleibt abzuwarten. Auf alle Fälle sorgte der Vorstellungsevent
für gute Laune auf der Landesversammlung -- was wohl auch der eigentlich
Zweck war.
Nachdem man die Medienvertreter bei den wichtigen Debatten hinausgeschickt
hatte, ist man aber natürlich auf Hörensagen der Beteiligten angewiesen.
Auch wie die beschlossene Form des Leitantrags dann konkret im Wortlaut
ausgesehen hat, war auch jetzt bis Redaktionsschluß nicht eruierbar --
immerhin: man will sich "erneuern", soviel ist klar. Ob man sowas per
Parteitagsbeschluß machen kann, ist natürlich fraglich, doch die Ansätze,
jetzt einmal in Arbeitsgruppen generell die gesamte Struktur in Frage
stellen zu wollen, ist zumindest vielversprechend.
Interessant sind in diesem Zusammenhang informelle Statements im Vorfeld und
jene Anträge, die zwar gestellt, aber mit dem Versprechen, sie im Leitantrag
und im darauf folgenden Diskussionsprozeß zu berücksichtigen, dann doch
zurückgezogen wurden. Nein, der im Vorfeld medial so ausgebreitete Antrag
auf Absetzung der Chefin ist da nicht gemeint -- daß der durchgehen würde,
war ja auch nicht zu erwarten. Ein Mißtrauensvotum, das nicht mal
konstruktiv ist, also keine Alternativen anbietet, kann nicht durchgehen.
Dazu kommt, daß man ja auch noch auf einen Koalitionspartner, der selbst
gerade nicht weiß, wohin er eigentlich will, Rücksicht nehmen muß. Von der
sozialdemokratischen Treue zum Vorsitz, die ja auch bei den Grünen herrscht,
brauchen wir da gar nicht zu reden. Man stelle sich vor: Ein Parteitag endet
mit dem Beschluß, ohne faktische Vorsitzende dazustehen -- auch wenn es nur
darum ging, die Vizebürgermeisterin, die formal ja keine Parteichefin ist,
aufzufordern, sich aus ihrer Funktion zurückzuziehen. Der Antrag wurde dann
auch zugunsten einer Vertrauensabstimmung zurückgezogen. Daß unter diesen
Bedingungen allerdings doch ein Viertel der Anwesenden nicht das Vertrauen
aussprechen konnte, macht klar, daß die Tage der Vizebürgermeisterin in
dieser Funktion gezählt sind.
Viel spannender als dieser halb gelungenene Königinnenmord sind andere
Statements. Zum Beispiel dieses: "Mit dem Wachstum der Grünen Bewegung
wuchsen auch die Widersprüche. Unser Anspruch an Politik lässt sich manchmal
schwer mit dem Regierungsdenken in Koalitionen zusammenbringen. Wir sind
Kompromisse eingegangen, um in sechs Landesregierungen gestalten zu können
und auch, um dort rechte Mehrheiten zu verhindern. Dabei hat unsere Grüne
Politik Ecken und Kanten verloren, ist mit Projekten unserer
Koalitionspartner_innen verschwommen, hat nach innen gewirkt und nach außen
oft irritiert sowie ein enges Organisationsnetzwerk etabliert, in dem wir
beratungs- und kritikresistent wurden. Keine Frage: Wir müssen das anders
und besser machen." So schreibt der Landessprecher in der Einladung zur
Landesversammlung. Intern zirkulierende Papiere waren da noch viel
deutlicher. Da ist davon die Rede, daß man die Grundlagenarbeit und
Diskussionsfähigkeit zugunsten von Marketing und "Professionalisierung"
einfach gekübelt hat.
Ein weiterer -- zugunsten des Leitantrags zurückgezogener -- Antrag fordert
ein "Monitoring" der Arbeit der Abgeordneten und FunktionärInnen sowie eine
"Legitimationsverpflichtung" und zwingendes Feedback an die Basis. Wenn man
das liest, merkt man, daß der Verfasser Vorstellungen eines imperativen
Mandats vertritt -- auch wenn man das natürlich explizit nicht so nennt.
Der Einfluß solcher Statements ist nicht zu unterschätzen -- sie formal zu
beschließen ist da gar nicht notwendig und war wohl auch nicht beabsichtigt.
Noch mehr über die Bande allerdings spielte Christoph Chorherr. Der blogte
kurz vor der Landesversammlung etwas zu den Koalitionsverhandlungen in
Deutschland. Den deutschen Grünen schlägt er vor, statt
Koalitionsverhandlungen mit Regierungsübereinkommen lediglich Verhandlungen
über eine Unterstützung einer Regierung zu führen, die sich dann im
Parlament ihre Mehrheiten suchen müßte -- das würde schließlich auch den
Parlamentarismus stärken, so Chorherr. Wenn ein österreichischer
Landespolitiker sowas schreibt, meint er aber wohl eher den abrasiven Effekt,
den die Grünen in österreichischen Bundesländern erleiden, wenn sie in
Koalitionen sitzen -- hier geht es um die Vorstellung eines Königsweges um
mitzuregieren ohne nennenswerten Profil- und Substanzverlust. Nicht zuletzt
die Wiener Grünen sind da der Adressat -- auch, weil man ja nicht weiß,
wohin sich denn der hiesige Koalitionspartner in Hinkunft wenden wird.
Es tut sich also etwas in der Partei -- zumindest in der Wiener
Landesorganisation. Die Bundespartei verharrt ja nach wie vor in
Schockparalyse. Wie sehr die Abgeordnetenklubs eine Partei dominieren, ist
ja genau daran abzulesen, daß die Bundespartei ohne einen solchen Klub
derzeit gar nicht existent erscheint. Auch das war wohl der jetzigen Wiener
Landesversammlung eine Lehre.
Es ist etwas in Bewegung. Und man streitet wieder bei den Grünen. Das ist
gut so. Da könnte was Gescheites herauskommen. Möge die Übung gelingen!
*Bernhard Redl*
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