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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 15. November 2017; 17:26
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Glosse:

> "Ich gelobe"

Jetzt haben wir also einen neuen Nationalrat. Und jedesmal steigt es mir
stagelgrün auf: "Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik
Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller
anderen Gesetze und gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten." Und alle neuen
Nationalräte sagen dazu: "Ich gelobe!"

Was mich daran stört? Nunja, es erscheint ja alles ein bisserl als ein
Nonanet, was da zu geloben ist. Aber wenn man bedenkt, daß zum Beispiel im
britischen Unterhaus die Abgeordneten der nordirischen Sinn Fein einen
ähnlichen Amtseid abzuschwören hätten, nämlich einen auf die Krone, aber
genau deswegen ihre Sitze in London nicht einnehmen können, weil sie damit
ihre Wähler verraten würden, ist das schon nicht mehr so selbstverständlich.

Denn eigentlich sind Abgeordnete zu den nationalen Parlamenten, in deren
Kompetenz ja zumeist auch die Änderung der Verfassung fällt, nur ihrem
Gewissen und ihren Wählern verpflichtet. Letzteren könnten sie Treue
schwören. Aber dem Staat?

Soldaten schwören auf den Staat. Auch andere Beamte. Aber Abgeordnete? Das
ist ein altes Überbleibsel aus monarchischen Zeiten, wo man dem Fürsten --
also dem damaligen Souverän -- Treue zu schwören hatte. Da war es nur
logisch. Aber heute?

Es ist bezeichnend, daß in der Geschäftsordnung des Nationalrats festgelegt
ist, daß eine Verweigerung dieser Eidesformel zum Verlust des Mandats führt.
Egal, wie so eine Eidesformel aussieht, daß ein frisch gewählter
Abgeordneter sich per Gelöbnis zum Erfüllungsgehilfen der bestehenden
staatlichen Ordnung erklären muß, stempelt ihn zum Vasallen des Staates,
sprich: zu dessen Befehlempfänger. Die Tatsache, daß ein Abgeordneter
gewählt wurde, wird völlig irrelevant, wenn er nicht auf den Staat
schwört -- damit wird auch klargemacht, daß der Staatsapparat selbst und
nicht etwa das Volk der Souverän ist.

Und was kann so ein abgepreßtes Gelöbnis wert sein? Potentielle Putschisten
hätten sicher kein Problem, formal sowas nachzuplappern, anarchistisch oder
auch nur separatistisch gesinnte Abgeordnete sehr wohl. Wo bleibt da das
freie Mandat?

Abgeordneten wird vom ersten Tag an vermittelt: 'Ihr seid Soldaten des
Staates!' Demokratie ist was anderes.
*Bernhard Redl*



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