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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Freitag, 27. Oktober 2017; 19:24
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International:
> Das Recht des Staates
Als Regierungschef Rajoy jetzt die Anwendung des Artikels 155 der spanischen
Verfassung androhte, wurde rasch die Frage laut: Wieso gibt es eine solche
Bestimmung überhaupt? Sei denn das mit einem Verfassungsstaat überhaupt
vereinbar? Beantwortet wurde die Frage damit, daß dieser Artikel in die
Verfassung Spaniens von 1978 nach dem Vorbild des deutschen Grundgesetzes
geschrieben worden war. Dieses Grundgesetz gilt ganz allgemein als besonders
fortschrittlich und demokratisch, da es einen radikalen Bruch mit deutschen
Verfasungstraditionen nach dem Ende der Naziherschaft bedeutet hatte. Also
alles in Ordnung mit den Vorstellungen von Demokratie und Verfassungsrecht
in Spanien? Oder ist das deutsche Grundgesetz auch nicht so
superdemokratisch?
Weder - noch. Denn tatsächlich hat so ziemlich jeder souveräne Staat
irgendsoeine Rechtsgrundlage im Köcher. Souveränität bedeutet nunmal, daß
das Recht dieses Staates auf seinem gesamten Territorium gilt. Darauf beruht
auch die UNO: Diese ist ein Zusammenschluß souveräner Staaten, untersagt
prinzipiell Grenzveränderungen ohne Zustimmung des Staates, der Territorium
verlieren würde, und sieht jeden Konflikt, der nicht zwischen anerkannten
souveränen Staaten stattfindet, als "innere Angelegenheit", der sie nichts
anzugehen hat. Nur unter dieser Voraussetzung konnte die UNO erst geschaffen
werden. Damit verfestigte sie aber auf internationaler Ebene das Verbot
einer Abspaltung eines Teils eines Staates. Das mit dem
"Selbstbestimmungsrecht der Völker" ist eine Floskel, die mangels
Definitionsunmöglichkeit des Begriffs "Volk" gerne dieses einfach als das
jeweilige Staatsvolk deklariert und damit eher Sezessionsbestrebungen
ablehnt.
Moralische Fragen verbieten sich in diesem Zusammenhang. Ob Katalonien das
Recht hat, sich abzuspalten, kann man nur damit beantworten, ob dieses Land
(sprich seine Regionalregierung oder Separatistenführer) die Macht hat, eine
solche Abspaltung durchzusetzen - egal, ob militärisch oder sonstwie. Recht
ist nunmal immer Ausfluß von Kämpfen. Es gibt kein "Naturrecht".
Besonders gut zu beobachten war das beim Zerfall Jugoslawiens. Dieser Staat
sah sich offiziell als freiwlliger Staatenbund, dessen Mitglieder formal
auch das Recht hätten, diesen Bund zu verlassen. Allerdings widersprach das
völlig dem Gedanken des souveränen Staates. Und so reagierte auch
Restjugoslawien und erklärte die Abspaltung Sloweniens und Kroatiens für
inakzeptabel.
Daß Spanien und Deutschland (dort heißt das übrigens recht treffend
"Bundeszwang") so einen Artikel in ihrer Verfassungen haben ist weniger
autoritär und undemokratisch als einfach nur ehrlich. Denn in Österreich, wo
man sich gerne um solche Eindeutigkeiten drückt, gibt es so ein explizites
Instrument nicht. Die Praxis hat es aber schon sehr wohl gegeben, denn hier
ist das Wörgler Schwundgeld in der ersten Republik zu erwähnen. Das ist in
diesem Zusammenhang deswegen relevant, weil dieses Notgeld ebenfalls die
Souveränität des Staates über die Währung in Frage stellte. Tatsächlich
wurde das Geldexperiment auch mit der Androhung eines Bundesheereinsatzes im
September 1933 beendet.
Damals reagierte Dollfuß schon autoritär, die Verfassungsfrage stellte sich
also gar nicht. Wenn man wissen aber will, wie so ein Reaktion auf
Sezessionsbestrebungen heute legitimiert werden könnte, landet man
bezeichnenderweise bei ausländischen Texten. Eine Studie für den deutschen
Bundestag über den Bundeszwang befaßt sich auch mit den Regelungen anderer
Länder. Die deutschen Autoren fanden da für Österreich vor allem den
berüchtigten Art. 79 Abs. 2 B-VG, wonach das Bundesheer eingesetzt werden
kann, um "die verfassungsmäßige Ordnung" wiederherzustellen. Nachdem die
verfassungsmäßige Ordnung eine Einheit des Bundesgebiets vorsieht, ergibt
sich daraus de facto eine Entsprechung für den deutschen Bundeszwang. Da ist
zwar keine formelle Entmachtung regionaler Regierungen vorgesehen, aber man
kann halt auch den Zweck über die militärischen Mittel definieren. So
eindeutig hineinschreiben wollte man es aber wohl halt nicht in unsere
Verfassung.
Die Deutschen allerdings kennen diese Praxis des Bundeszwangs auch schon
lange. 1923 wurde über Sachsen und Thüringen die "Reichsexekution" verhängt,
weil sich da Regierungen gebildet hatten, an denen die Kommunisten
teilhatten, was die Reichsregierung Stresemann nicht dulden wollte. Und 1932
kam es zum "Preußenschlag": Als sich im dortigen Parlament keine
Regierungsmehrheit finden ließ, nahm das Reichskanzler Franz von Papen zum
Anlaß die preussische Regierung durch einen Reichskommissar zu ersetzen. Die
meisten Historiker sehen das heute als die entscheidende Erleichterung an,
die Hitler kurz darauf gebraucht hatte, in Deutschland die Macht zu
ergreifen.
*Bernhard Redl*
Die erwähnte deutsche Studie zum Bundeszwang:
http://tinyurl.com/akin21EXEK oder
https://www.bundestag.de/blob/413444/081ff6f96f13d47bc85c48eafa185cf1/wf-xi-g-055-06-pdf-data.pdf
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