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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Freitag, 27. Oktober 2017; 19:49
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Postelectorales
Kern, Pilz, was nun?
Von *Kurt Baier*
Als Ergebnis der Wahl koaliert jetzt ein stromlinienförmiger Vertreter des 
reichen Drittels unserer Gesellschaft mit einem wortradikalen Sprecher des 
armen Drittels zu einem Regierungsbündnis. Der eine will Zensur einführen 
und der andere will die Kammern entmachten. Gemeinsam machen sie sich auf 
den Weg in eine nationale Volksgemeinschaft, ähnlich wie es vor 1930 schon 
einmal geschehen ist ...
Rot und Halbgrün, den politischen Vertretern der finanziellen Mitte in 
unserer Gesellschaft, ist die Aufgabe der Opposition zugefallen. Sind sie 
dafür gerüstet? Die Roten haben sich am Tisch der Macht darauf beschränkt, 
einen gerechten Deal mit den Unternnehmern auszuhandeln. Die Grünen sind zu 
einem Verschönerungsverein verkommen, der mit Radwegen, Begegnungszonen, Ehe 
für Homosexuelle und dem Binnen-I das Leben für Gutverdienende ein kleines 
Stück moralisch erträglicher gestaltet.
Vor einer Erörterung der neuen Aufgaben und Chancen von Kern und Pilz hilft 
ein Blick auf eines der kürzesten linken Parteiprogramme, 1934 verfasst von 
Bertolt Brecht und vertont von Hans Eisler. Zugegeben, es war schon damals 
gegenüber dem Brot, dass Hitler verteilte, nicht erfolgreich, trotzdem kann 
es eine Leitlinie für eine Neupositionierung von Kern und Pilz sein:
Und weil der Mensch ein Mensch ist, / drum braucht er was zum Essen, bitte 
sehr! / Es macht ihn ein Geschwätz nicht satt, / das schafft kein Essen her. 
[...] Und weil der Prolet ein Prolet ist, / drum wird ihn kein anderer 
befrein. / Es kann die Befreiung der Arbeiter / nur das Werk der Arbeiter 
sein.
So sehr die letzte Strophe gilt, Kern und Pilz haben jetzt die Aufgabe und 
die Chance, auf der Bühne des Parlaments den Widerspruch zwischen 
Kurz/Strache und Arbeitnehmern zu kommentieren. Auch wenn der Kapitalismus 
vorerst unüberwindbar scheint, ein größeres Stück vom Gewinn der Reichen 
muss zu den Armen umverteilt werden. Ganz egal auf welcher Seite man steht, 
das menschliche Kapital, gesunde und gut ausgebildete Arbeiter und 
Angestellte sind das unentbehrliche Fundament unseres gemeinsamen 
Wohlstandes.
Die reale Ausgangslage steht einer Umverteilung entgegen: Das arme Drittel 
unserer Gesellschaft mit einem Nettoeinkommen unter 1500 Euro will nicht 
mehr mit Arbeitslosen, Pensionisten, Pflegebedürftigen, Griechen oder 
Flüchtlingen teilen. Die Unternehmer hingegen wollen im globalen Wettbewerb 
billige aber gut ausgebildete Arbeitskräfte. Die in Österreich bessere 
Ausbildung zwingt sie noch, in Österreich zu investieren. Bezüglich der 
Qualifikation des menschlichen Kapitals haben die Unternehmer nur wenig 
Bewegungsspielraum, aber indirekter Lohnraub ist immer noch möglich. Und die 
FPÖ macht die Räuberleiter dazu, indem sie nicht wirklich für einen 
Mindestlohn eintritt, aber die Steuerlast aus Sozialleistungen einschränken 
und jetzt auch noch die Arbeiter von ihrer Kammerumlage befreien will. 
Darüber hinaus schweigt Strache auch, wenn Investitionen in unsere Zukunft, 
wie Ausbildung und Umweltschutz minimiert werden.
Das Wahlprogramm des gescheiterten grünen Verschönerungsvereines bot hier 
kaum Brauchbares. Instinktiv hatten viele Grünwähler mehr Vertrauen zum Plan 
A des letztendes abgewählten Bundeskanzlers und andere etwas aufmerksamere 
Grünwähler sahen in den radikalen Umverteilungsforderungen von Bruno Rossman 
(Liste Pilz) Licht am Horizont.
Es liegt jetzt an der SPÖ und der Liste Pilz aufzuzeigen, wie von Unten nach 
Oben umverteilt wird, wie die EU von den Konzernen in wehrlose 
Nationalstaaten auseinander gespalten wird, wie Klima- und Umweltschutz nur 
in Sonntagsreden existiert und wie das aktuelle Schulsystem die Talente 
unserer Lehrer und Kinder verschleißt.
Den Grünen sei zu ihrer Neupositionierung zugerufen, der Luxus der Umkehr 
zum gesunden Fahrrad ohne Autobahnen oder zu hochwertigen Lebensmitteln von 
kleinen arbeitsintensiven Bauernhöfen ist für weite Teile der Arbeitnehmer 
gegenwärtig unmöglich und damit auch kein reales Thema.
Alle seien daran erinnert: Mindestlohn, Mindestsicherung, Mindestpension und 
Pflege ermöglichen ein menschenwürdiges Leben und halten unsere Wirtschaft 
in Gang, da die kleinen Einkommen umgehend wieder ausgegeben werden. Man 
denkt kaum daran, auch Einsparungen beim Kulturbetrieb, dessen Kosten zu 80% 
aus niedrigen Löhnen bestehen, entziehen unseren Wirtschaftskreislauf Geld. 
Jeder Euro, der infolge Steuerreduktion für die Reichen und Sozialababbau 
bei den Armen umverteilt wird, kann einerseits bei flauer Wirtschaft nicht 
reinvestiert und andererseits auch von den Reichen selbst nicht mehr 
verprasst werden. Jeder zu den Reichen zusätzlich umverteilte Euro ist für 
unser Wirtschaftsleben verloren.
Und zuletzt noch, neben dem Klimawandel, unsere aktuell größte Aufgabe: die 
Ausbildung unserer Kinder. Um 2040 wird die Rechenleistung eines PCs die 
Rechenleistung unseres Hirns überholen. Ob unserer Kinder als Sklaven, als 
Herr oder als Partner der Künstlichen Intelligenz leben werden, hängt von 
unserem Ausbildungssystem ab. Gegenwärtig werden unsere Lehrer und unsere 
Kinder auf niveaulosen Durchschnitt niedergeschliffen. Angesichts der 
Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz brauchen wir keine Normausbildung 
zu Normrobotern, die sich als willenlose Werkzeuge computergestützten 
Entscheidungen unterordnen. Wir brauchen anstelle der Zentralmatura 
unterschiedlichste Ausbildungswege innerhalb gemeinsamer Schulen. Wir 
brauchen selbständig denkende Menschen, deren individuelle Talente 
entwickelt werden und die sich in Teams, die unterschiedlichste Talente 
zusammenfassen, einbringen können. Diese Teamfähigkeit kann nur in einer 
gemeinsamen Schule bis 14 gelernt werden ... und wir können so hoffen, dass 
durch bessere Ausbildung mündig gewordene Menschen ihr Schicksal selbst in 
die Hand nehmen, denn " Es kann die Befreiung der Arbeiter nur das Werk der 
Arbeiter sein."
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K.B. war früher Betriebsrat der Voest-Alpine und ist heute Unternehmer.
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