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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 11. Oktober 2017; 17:54
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Katalonien und die Linke: Christoph Baumgarten meinte in akin 18/2017, er
fände "linke Sympathien für die katalanischen Separatisten befremdlich" und
man müsse die Unabhängigkeitsbestrebungen Kataloniens eher mit denen der
Slowenen Anfang der 90er vergleichen als mit jenen der Kurden. Hier die
Reaktionen darauf:

> Katalonien ist nicht Slowenien

Christoph hat recht, Christoph hat nicht recht. Er hat recht damit, daß es
kein Argument gibt, warum Linke eine nationalistische Abspaltungsbewegung
für gut halten sollten, die ökonomisch-egoistisch begründet ist.

Die Nationendebatte ist in der Linken immer schon sehr difizil gewesen.
Allein die Auseinandersetzungen zu den Einlassungen Lenins zur nationalen
Frage füllen Regalwände linker Literatur. Und der romatische Teil der Linken
neigte immer schon dazu, alle möglichen Unabhängigkeitsbewegungen als
Freiheitskämpfe zu verklären und dabei ethnozentristische, religiöse und
kapitalistische Beweggründe zu übersehen.

Doch bei den meisten Unabhängigkeitsbestrebungen spielen sowohl
Kapitalinteressen des jeweiligen Bürgertums als auch die Interessen der
Arbeiterbewegung eine Rolle. Dazu kommen aber ebenso geschichtliche
Hintergründe und diese sind gerade in der Katalonienproblematik einfach
nicht zu ignorieren -- katalonischer Nationalismus war seit dem spanischen
Bürgerkrieg immer auch eine Chiffre für den Widerstand gegen den Faschismus.
Und die Regierung in Madrid -- auch wenn zeitweilig sozialdemokratisch
geführt -- wurde in Katalonien immer auch in Kontinuität des Franco-Regimes
gesehen. Aber eine Regierung des Partido Popular, der eindeutig aus dem
Franquismus heraus entstanden ist und ein ähnlich ungeklärtes Verhältnis zu
Franco hat wie hierzulande die ÖVP zu Dollfuß, kann in Katalonien einfach
nicht als demokratisch und legitim angesehen werden. Wenn dann aber eine
PP-Regierung die Guardia Civil ausschickt, den "bösen Schatten" des
Franquismus, um ein Plebiszit zu unterbinden, dann ist das Bild einer
franquistischen Kontinuität einfach nicht mehr ignorierbar. Und insofern hat
Christoph nicht recht -- so sehr seine materialistische Kritik richtig ist,
so sehr ist es notwendig, den spanischen Staat in seinen alten autoritären
Strukturen die Legitimität zu entziehen. Die Sezessionsbewegung Kataloniens
tut das gerade. Diesbezüglich hinkt der Slowenien-Vergleich eben. Denn eine
Abspaltung vom post-titoistischen Jugoslawien ist eben nicht das Gleiche wie
eine solche vom post-franquistischen Spanien. Die Zerschlagung Jugoslawiens
war im Interesse der westeuropäischen Mächte, die alles taten, um nach dem
Ende des Kalten Krieges diesen letzten Störenfried einer europäischen
Einigung von der Landkarte zu tilgen. Die Abspaltung Kataloniens hingegen
kann in Brüssel und Berlin keine mächtigen Freunde finden.

Und Christoph hat nicht recht, wenn er sich auf die spanische Verfassung
beruft. Denn Recht ist das Ergebnis von Kämpfen und fällt nicht einfach
gottgegeben vom Himmel. Daß der spanische Staat sein Recht durchsetzen
möchte, ist sehr verständlich und nur logisch. Ob dieses Recht aber so
bleiben muß, wie es ist, ist nicht abgemacht.

Gerade hier in Österreich sollte man die Geschichte früherer Jahrhunderte
nicht vergessen: Der spanische Einheitsstaat wurde ausgerechnet von der Casa
d' Austria, also den Habsburgern durchgesetzt. Und deren
Großmachts-Rechtsauffassungen wurden hierzulande schon vor knapp hundert
Jahren als endgültig obsolet verworfen. Warum sollten es die Katalanen nicht
genauso machen?

Wo Christoph rechthat: Die Linke muß immer die Interessen einer
solidarischen Gesellschaft im Auge behalten. Und wo er zuletzt nicht
rechthat: Der spanische Staat ist -- was er gerade auch in den letzten
Jahren mit seinen neuen Demonstrationsgesetzen und seiner Austeritätspolitik
bewiesen hat -- wirklich nicht der Garant einer solchen solidarischen
Gesellschaft.
*Bernhard Redl*



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