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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 27. September 2017; 16:49
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> Was Linke wählen sollten!
Die akin hat alle wahlwerbenden Gruppierungen und deren WählerInnen
aufgefordert, zu begründen, warum Linke denn ausgerechnet bei ihrer Liste
ein Kreuzerl ein machen sollten. Wir setzen in dieser Ausgabe die
Veröffentlichungen der Reaktionen fort. Hier ein Votum:
> Für die Grünen
Von *Klaus Werner-Lobo*
Ich wähle seit Jahren nicht, weil ich mich an Wahlwexel beteilige, also
einer Migrantin meine Stimme übertrage (wofür ich mehrfach erfolglos bei der
Staatsanwaltschaft angezeigt wurde). Aber ich erlaube mir, eine
Wahlempfehlung abzugeben, und zwar für jene Partei, aus der ich vor zwei
Jahren ausgetreten bin und die ich immer wieder für ihre postdemokratische
Beliebigkeit und vieles andere kritisiert habe und weiterhin kritisiere.
Es gibt mindestens hundert (für mich: 101) Gründe, die Grünen nicht zu
mögen. Für mich die Wichtigsten: Ihre mangelnde Konfliktfreudigkeit, ihre
Ängstlichkeit (z.B. gegenüber dem Boulevard), eine Handvoll machtgeiler und
narzisstischer Kotzbrocken in der Führungsebene, eine teilweise wenig
intelligente und unkritische Basis, ihre Oberlehrer_innenhaftigkeit und
Überheblichkeit v.a. gegenüber weniger Bildungsprivilegierten, parteiinterne
Intrigen und Seilschaften, ihr völliges Desinteresse an Kulturpolitik, die
Machtübernahme der Marketingabteilungen über politische
Entscheidungsprozesse und so weiter und so fort.
Aber: Es geht am 15. Oktober überhaupt nicht darum wen ich mag, ob meine
Ideale zu hundert Prozent von einer Partei repräsentiert werden oder was auf
einem Plakat steht. Sondern es geht darum, wer am ehesten imstande ist, dem
nationalistischen, rassistischen, sexistischen und neoliberalen Mainstream
wirksam etwas entgegenzusetzen und gemeinsam mit der Zivilgesellschaft und
anderen im Nationalrat vertretenen Parteien den drohenden Rechtsruck, die
Demontage von Demokratie und Sozialstaat und einen antiliberalen,
antiökologischen, frauenfeindlichen und homophoben Backlash zu verhindern.
Und die SPÖ?
Die SPÖ hat - teilweise ohne Not - in der Vergangenheit immer wieder die
Verschärfung der Asyl- und Fremdengesetze mitbeschlossen oder sogar mit
vorangetrieben. Auch Bundeskanzler Kern übernimmt kritiklos die
rassistischen, ausländer_innen- und islamfeindlichen Frames und das Wording
der Rechten und des "Stammtisch"-Mainstreams (Stichwort
"Wirtschaftsflüchtlinge", "Burkaverbot" usw.). In Fragen der Umverteilung
von Reichtum, gesellschaftspolitischen und ökologischen Themen wie Homoehe
und Klimaschutz agiert die SPÖ wesentlich mutloser als die Grünen. In Wien,
wo sie mit den Grünen regiert, blockiert sie deren Versuche zur Reduzierung
der Schutzgeldzahlungen (Inserate) an den Boulevard, die Reduktion des
Autoverkehrs, der Demokratisierung (Wahlrechtsreform, Transparenz) usw. Sie
schließt eine Koalition mit der FPÖ nicht aus und die rechte
Doskozilfraktion droht die Macht zu übernehmen und einen Kurz-Sobotka-Kurs
zu fahren: Repression, Polizeistaat, weitere Verschärfungen von Asyl- und
Fremdenrecht.
Ich glaube dennoch, dass wir in Österreich eine starke Sozialdemokratie
brauchen und ihr die wichtigsten sozialen Errungenschaften verdanken. Und
ich halte viele Sozialdemokrat_innen weiterhin für enge und unverzichtbare
Verbündete. Ich glaube aber, dass wir gerade diese Verbündeten schwächen
würden wenn mit den Grünen die einzige halbwegs link(sliberal)e
parlamentarische Kraft geschwächt oder gar aus dem Parlament fliegen würde.
Und die Liste Pilz?
Ich habe Peter Pilz vor über zwanzig Jahren als freier Journalist
kennengelernt. Schon damals benutzte er andere, um seine oft rücksichtslose
Egomanie und sein Bedürfnis nach Anerkennung zu nähren. Narzissmus und
Genialität liegen oft nahe beieinander. Pilz hat als Aufdecker und Kritiker
vieles geleistet, einiges davon aber auch nicht selbst sondern sich mit
fremden Federn geschmückt - etwa jenen von Gabi Moser in Sachen Aufdeckung
oder Berivan Aslan in Sachen Kritik am politischen Islam. Wenn er Letzteren
nun zum größten Problem des Landes hochstilisiert frage ich mich allerdings
ob er noch alle Tassen im Schrank hat. Was ist mit Armut? Klimawandel?
Bildungsmisere? Rassismus? Den betreibt Pilz nun selber, indem er gezielt
antimuslimische Ressentiments oder solche gegen Flüchtlinge nährt, die er in
Lagern aussortieren und nur jene nach Europa lassen möchte, die "die besten
Integrationschancen mitbringen". Die misst nun wer nach welchen Kriterien?
Und die Genfer Flüchtlingskonvention, die setzen wir derweil außer Kraft?
"Wer in Europa leben will, muss 'Europäer werden'", fordert die Liste Pilz.
Wenn meine brasilianischen Freund_innen, die hier leben, arbeiten, Familien
gegründet haben nicht Europäer_innen werden wollen, werden sie von der Liste
Pilz dann abgeschoben? Aja, und Doppelstaatsbürgerschaft solls auch keine
geben. Da bin ich empfindlich, mein Sohn ist nämlich Doppelstaatsbürger und
soll sich nicht mit 18 entscheiden müssen in welchem Land er alle
Bürgerrechte genießen darf.
Ich kann ja hautnah die Kränkung nachvollziehen, wenn man bei einer
Listenwahl gegen eine politische Nullnummer unterliegt. Aber sowas bespricht
man dann mit Freund_innen oder in der Therapie und gründet nicht gleich eine
Liste der gekränkten alten Männer. Die ich übrigens, soweit ich das in
meiner Blase beobachte, für die Hauptzielgruppe des Projekts halte. Wenn
dessen "Aufruf zur Selbstverteidigung" der "Heimat Österreich"
zielgruppengerecht Identitäre, bisherige FPÖ-Wähler_innen und andere
hirnlose Frustrierte anlocken sollte soll's mir recht sein: Immer noch
besser als Kurz oder Strache. Aber für Linke und reflektierte Menschen:
No-Go.
Und KPÖ plus?
Inhaltlich sympathisiere ich sehr mit den durch die Jungen Grünen
angereicherten Kommunist_innen, so wie Viele laut wahlkabine.at sogar am
meisten. Und ich glaube seit langem, dass Österreich eine echte linke
Wahlbewegung gut täte, auch im Parlament. Nur: Ich glaube auch, dass es
dafür kompetentere Kandidat_innen und bessere Vorbereitung braucht. Ich sehe
auf der Liste der Grünen wesentlich kompetentere linke KandidatInnen als bei
den Kommunist_innen, ganz abgesehen davon dass die Chance dass die auch ins
Parlament kommen doch erheblich größer ist. Ich würde es sehr gerne sehen
wenn sich für die Wienwahl 2020 eine linke, aus Sozialen Bewegungen
gespeiste Kraft entwickelt die auch den Machtanspruch stellt - auch weil das
Potenzial in Wien dafür derzeit realistischer ist als bundesweit.
Systemkritik: Ja bitte, aber bis der Kapitalismus abgeschafft ist müssen wir
dennoch die Zertrümmerung des Sozialstaates verhindern, und das geht
realistischerweise nur mit den Grünen und der SPÖ.
Und die Neos?
Ich gestehe: Ich finde Strolz und viele seiner Mitstreiter_innen voll
sympathisch, zum Teil sogar sympathischer als manche meiner
Gesinnungsgenoss_innen, weil sie Feuer unterm Arsch haben und selbstironisch
sind (die Grünen tun immer so, als ob sie selbstironisch wären, das ist aber
bei denen oft schlimmer als wenn sie einfach ernsthaft sind!). In Sachen
Gesellschaftsliberalismus, Transparenz und so sind die Neos natürlich
Verbündete. Aber wirtschafts- und sozialpolitisch sind sie die beinharten
Vertreter der Reichen und Privilegierten. Na danke, davon hamma eh genug.
Und Gilt? Oder Nichtwählen?
Sehr witzig! Eigentlich: Nicht sehr witzig, sondern nur deppert.
Also: Die Grünen.
Nein, man muss sie nicht mögen. Aber wem menschenrechtliche,
sozialpolitische, demokratische und ökologische Mindeststandards wichtig
sind sollte sie wählen, weil Ulrike Lunacek und viele ihrer
Mitstreiter_innen bei allen Schwächen der Grünen in all diesen Fragen am
glaubwürdigsten und kompetentesten sind. Und: Weil Wahlen dazu da sind,
Schlimmeres zu verhindern. Das Bessere müssen wir, auch nach dem 15.
Oktober, selbst schaffen! ###
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