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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 27. September 2017; 17:03
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Wahlen/Geschichte:

> Wer in Österreich natürlich nicht wählen darf

Eine Argumentationshilfe

Die NGO "SOS Mitmensch" erhält auf ihren Aufruf zur "Pass-egal-Wahl"
natürlich nicht nur positive Reaktionen. Die Antwort darauf ist eine
geschichtliche Abhandlung, wer ganz selbstverständlich in Österreich nicht
wählen durfte und wie sich diese Selbstverständlichkeiten dann doch
gewandelt haben.
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"Nur Staatsbürger sollen wählen! Wahlrecht ist Staatsbürgerrecht!", bekommen
wir immer wieder zu hören. Dahinter liegt oftmals die Annahme, das Wahlrecht
in seiner heutigen Form sei ein nahezu unabänderliches Naturgesetz. Doch ein
Blick in die Geschichte Österreichs zeigt etwas ganz anderes.

Zwischen 1848 und 1896 lautete das "naturgesetzliche" Motto noch: "Nur
Reiche dürfen wählen! Wahlrecht ist Wohlhabendenrecht!". Damals durften nur
weniger als 10 Prozent der männlichen Bevölkerung wählen. Frauen hatten
überhaupt nur dann eine Stimme, wenn sie alleinige Großgrundbesitzerinnen
waren.

Im Jahr 1896 änderte sich das "naturgesetzliche" Motto. Es lautete nunmehr:
"Wählen ist Männerrecht! Aber nicht jede Stimme ist gleich viel wert!". Zwar
durften alle männlichen Staatsbürger wählen, aber nicht jede Stimme zählte
gleich viel. Es gab unterschiedliche "Kurien", mit unterschiedlich viel
Macht.

Im Jahr 1907 endete das Kurienwahlrecht. Von nun war jede männliche
Wahlstimme gleich viel wert. Das "naturgesetzliche" Motto lautete: "Nur
Männer dürfen wählen! Wählen ist Männerrecht!".

Am 12. November 1918 erlangten schließlich auch Frauen nach langem Kampf das
allgemeine und gleiche Wahlrecht. Erst ab dann lautete das
"naturgesetzliche" Motto: "Wahlrecht ist Staatsbürgerrecht!".

In den Jahren 1994 und 2007 erfolgten die bisher letzten Veränderungen des
gerade gültigen "Naturgesetzes": EU-BürgerInnen wurde das Wahlrecht auf
kommunaler Ebene zugestanden und das Wahlalter wurde auf 16 Jahre gesenkt.

Entgegen dieser Geschichte einer zunehmenden Demokratisierung, steigt in den
letzten Jahren wieder der Anteil der Menschen, die vom Wahlrecht
ausgeschlossen sind. Nur noch 85 von 100 Personen im Wahlalter dürfen das
Parlament wählen. Diese Entwicklung hängt mit drei Faktoren zusammen:
Migrationsbewegungen, der strikten Koppelung des Wahlrechts an die
Staatsbürgerschaft und den extrem hohen Einbürgerungshürden.

Wer etwa ein zu niedriges Einkommen hat oder eine zu niedrige Pension
bezieht, bleibt von der Einbürgerung und von demokratischen Rechten
ausgeschlossen - oftmals ein Leben lang. Über die Hintertüre der strengen
Einbürgerungsbestimmungen hat sich somit wieder das eingeschlichen, was
eigentlich als überwunden galt: der Wahlausschluss von Menschen, die kein
oder nur ein geringes Einkommen haben.

Der Ausschluss ist kein Naturgesetz, ebenso wenig die strikte Koppelung des
Wahlrechts an die Staatsbürgerschaft. So dürfen etwa in Neuseeland auch
Personen ohne neuseeländischen Pass nach einem Jahr durchgehendem Aufenthalt
auf allen Ebenen wählen.
(Aussendung SOS Mitmensch/gek.)


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