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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 20. September 2017; 16:42
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Medien/Volkswirtschaft

> Die Sache mit der Exportquote

Nachlese zum letzten "Im Zentrum" im ORF
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Sonntag bei "Im Zentrum". Thema: Wirtschaftsstandort Österreich. Mit dabei,
u.a. der ÖVP-Wirtschaftsminister Harald Mahrer. Der kam u.a. auf den Export
als zentrale Säule der österreichischen Wirtschaft zu sprechen. Denn: 6 von
10 in Österreich erwirtschaftete Euro würden im Ausland, durch Exporte,
verdient. Nun, stimmt das so? Und: Wie kommt Mahrer zu dieser Zahl?

Mahrer zieht die sog. Exportquote heran, um zu seinen - sehr großzügig
aufgerundeten - 6 von 10 erwirtschafteten Euro aus dem Export zu kommen. Die
Exportquote Österreichs lag 2016 bei 52,2 % des BIP - also der gesamten im
Inland erbrachten Wertschöpfung, also alle in Österreich erzeugten Produkte
und Dienstleistungen. Davon also, sollten laut Exportquote 52,2 % ins
Ausland gehen. Da kann ja wohl mit Fug und Recht behauptet werden, dass -
wenn schon nicht 6 Euro - zumindest 5 Euro im Ausland erwirtschaftet werden,
oder?

Einmaleins für ÖVP-Ökonomen

Nur: Das stimmt so nicht. Ein Blick ins kürzlich veröffentliche
ÖVP-Wirtschaftsprogramm macht sicher. Da ist nämlich z.B. im Falle
Luxemburgs von einer Exportquote von 228 % die Rede, bei Irland von 120 %.
Das würde - in Mahrerschem Stil ausgedrückt - bedeuten, dass 23 von 10
verdienten Euro in Luxemburg aus dem Export stammen! In Irland immerhin noch
immer 12 von 10 Euro. Das würde heißen, dass Luxemburg doppelt so viel
exportiert, wie es erzeugt, Irland immerhin immer noch das 1,2-fache. Nun,
dass kann irgendwie nicht wirklich sein, da würd's ganz ordentlich mit den
Grundrechnungsarten happern, wär's so.

Nun, die Sache klärt sich eigentlich ganz einfach auf: in der Exportquote
finden sich nämlich auch Vorleistungen bzw. Importe aus dem Ausland. Wird in
Österreich z.B. eine Maschine für den Export nach Deutschland produziert und
dabei importierter Stahl aus dem Ausland verwendet, fließt das in den Preis
der Maschine natürlich ein. Der Importeur in Deutschland zahlt nicht nur für
die in Österreich erbrachte Verarbeitung (Wertschöpfung), sondern auch für
die Vorleistung - also z.B. die Materialkosten, den Stahl.

Im BIP allerdings spiegelt sich nur die im Inland erbrachte Wertschöpfung
wieder, also die Fertigung, der Bau der Maschine. Importe und Vorleistungen
fließen nicht in die BIP-Berechnung ein. In der Exportquote ist dagegen
nicht nur die Wertschöpfung beinhaltet. Sie drückt so was wie den Umsatz,
den Erlös (Preis x Menge) aus, der mit den Exporten getätigt wird - und in
den Preisen für diese Exportwaren und -dienstleistungen sind natürlich auch
importierte Vorleistungen und Rohstoffe aus dem Ausland beinhaltet bzw.
berücksichtigt. Das BIP ist daher keine passende Bezugsgröße für die
Exportquote - weil in der Exportquote Leistungen mit einberechnet sind, die
sich im BIP gar nicht finden! Die Exportquote führt daher tendenziell zu
einer Überschätzung der Bedeutung der Exporte für eine Volkswirtschaft.
Deshalb ist die Aussage, wonach 6 von 10 verdienten Euro aus dem Export
stammen, auch nicht richtig. Von diesen 6 Euro müssen importierte
Vorleistungen, Rohstoffe und andere Materialien abgezogen werden. Dann erst
kann eine Aussage darüber getroffen werden, wie viel von der in Österreich
erbrachten Wertschöpfung aus dem Export stammt.

Die Verhältnisse sind genau andersrum

Diese Aussage kann auch getroffen werden: ca. 36 % der in Österreich
erzeugten Produkte und Dienstleistungen werden im Ausland nachgefragt, gehen
also in den Export. Das bedeutet also tatsächlich, dass ca. 3,6 Euro von 10
in Österreich erwirtschafteten Euro aus dem Export - aus der Nachfrage des
Auslands - stammen. Das heißt gleichzeitig, dass rund 64 % - also 6,40 von
10 Euro - der in Österreich erwirtschafteten Wertschöpfung in Österreich
selbst nachgefragt wird. Und überhaupt 90 % der in Österreich produzierten
Güter und Dienstleistungen innerhalb der EU nachgefragt werden. (1)

Was diese Zahlen schön veranschaulichen: Für die wirtschaftliche Entwicklung
Österreichs ist der Export natürlich wichtig. Noch wichtiger ist allerdings
die Inlandsnachfrage! Sie deckt beinahe 2/3 der in Österreich produzierten
Güter ab. Eine schwächelnde Inlandsnachfrage - wegen z.B. stagnierender oder
sinkender Reallöhne - schwächt also auch die wirtschaftliche Entwicklung in
Österreich. Für den Export ist gleichzeitig besonders die EU bzw. die
Euro-Zone wichtig. Krisenhafte Entwicklungen in Europa und eine restriktive
Budget- und Sparpolitik (steigende Arbeitslosigkeit, geringere öffentliche
Ausgaben .) in ganz Europa treffen Österreich besonders hart.

Der zentrale Fokus einer österreichischen Politik - insbesondere auch einer
Wirtschaftspolitik - sollte daher vor allem darauf liegen, die Nachfrage in
Europa wieder zu erhöhen, öffentliche Investitionen voranzutreiben und Löhne
zu erhöhen. Das passt der ÖVP natürlich so gar nicht ins Programm. Die
predigt ja Zurückhaltung bei Löhnen und Gehältern, Sparsamkeit,
Steuersenkungen und Ausgabenkürzungen, um auch ja schön wettbewerbsfähig zu
bleiben. Und da kommt ihnen natürlich die Betonung der besonderen Bedeutung
von Exporten für die österreichische Wirtschaft sehr entgegen. Und wenn die
Zahlen so auch nicht passen. Na wenn schon, wer prüft, wer fragt schon nach?
*Markus Koza*

M.K. steht auf Platz 4 der Wiener Landesliste der Grünen zur
Nationalratswahl



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