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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 30. August 2017; 17:23
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Wahlkraempfe:

> Blaue Milchmädchenökonomie

Eine erste Bewertung des FPÖ-Wirtschaftsprogramms

Die FPÖ wandelt hinsichtlich der Einschätzung des Wirtschaftsstandorts auf
Leitls Spuren. Österreich sei "wirklich abgesandelt", so das FPÖ-Programm.
Fakt ist: Mit einem BIP pro Kopf von 36.700 Euro 2016 lag Österreich auf
Platz 4 in der EU - hinter LUX, IRL und den NL, vor DK, S und D und 26 %
über dem EU-Durchschnitt. Bei den verfügbaren Haushaltseinkommen
(Medianeinkommen nach Steuern und Sozialtransfers) lag Österreich 2015 mit
22.989 Euro auf Platz 2 vor Schweden. (Anm. akin: Nur hinter Luxemburg, das
aber in den meisten wirtschaftlichen Kennzahlen nicht seriös mit anderen
EU-Ländern vergleichbar ist.) (1) "Abgesandelt" schaut anders aus.
Tatsächlich gilt es allerdings Augenmerk auf besondere Problemlagen zu
richten -- auf die steigende Ungleichverteilung bei den Einkommen, bei der
Vermögenskonzentration, bei der mangelnden Chancengleichheit, bei der
Arbeitsmarktspaltung. Davon ist im FPÖ-Wirtschaftsprogramm allerdings wenig
zu finden.

Lieber spricht die FPÖ von einer "erdrückenden" Steuer- und Abgabenlast. Die
will die FPÖ bekanntlich auf unter 40 % senken. U.a. durch
Lohnnebenkostensenkung, Reduktion von Unternehmenssteuern (z.B. bei nicht
entnommenen Gewinnen bis hin zur Steuerbefreiung), Streichung der
Mindestköst, Kürzung bei Kammerbeiträgen, Lohnsteuersenkungen, und, und,
und. Insgesamt 12 Mrd. Euro, immerhin nicht sofort, sondern stufenweise.
Eingespart -- sorry: "optimiert" -- werden soll bei Förderungen,
Sozialausgaben (3,8 Mrd. Euro!), Gesundheit (1 Mrd. Euro!),
Verwaltungsreform und "Privilegienabbau". Und dann soll natürlich die
Selbstfinanzierung von einem Viertel (!), also 3 Mrd. Euro diese
Steuersenkungen noch gegenfinanzieren! Vollkommen unrealistisch.

Wer rund 12 Mrd. Euro einsparen will, kann das natürlich nur bei den
besonders großen Brocken machen. Die 3,8 Mrd. Euro im Bereich Soziales
werden kaum über kleine "Optimierungen" erreicht werden, sondern über
Kürzungen bei den großen Brocken wie Pensionen oder
Arbeitslosenversicherung. Kürzungen im Sozialbereich - wie etwa bei
Pensionen, Familienbeihilfe, beim Arbeitslosengeld oder bei der
Mindestsicherung stellen allerdings Einkommenskürzungen dar und gehen auf
Kosten der gesamtgesellschaftlichen Nachfrage. Sie wirken nicht nur
armutssteigernd, sondern über den negativen Konsumeffekt auch
konjunkturschwächend. Eine schwächere konjunkturelle Entwicklung wird
allerdings kaum einen Beitrag zu einer Selbstfinanzierung leisten. Die
massive Ablehnung von Vermögenssteuern und die Bevorzugung eines
proportional wirkenden Steuersystems (das klingt nach Flat Tax) zeigen
einmal mehr, dass die FPÖ mit Umverteilung von reich zu arm und
Steuergerechtigkeit in dem Sinne, dass jene, die ökonomisch am stärksten
sind, auch einen entsprechenden Beitrag zum Steueraufkommen leisten sollen,
nichts am Hut hat. Im Gegenteil: obere Einkommen und Vermögende sollen
entlastet werden.

Die Sozialquote -- also die Ausgaben für Soziales von Gesundheit über
Pensionen bis Arbeitslosigkeit (inklusive der Löhne der Beschäftigten in
diesem Bereich!) -- will die FPÖ senken. Daher sind hier die größten
Einsparungen vorgesehen. Sozialleistungen sollen dabei einmal mehr
insbesondere bei AusländerInnen gekürzt werden, geht es nach der FPÖ:
Arbeitsmarktpolitik soll vorrangig für InländerInnen stattfinden,
AusländerInnen nach 52 Wochen Arbeitslosigkeit sämtliche Leistungen --
inklusive Mindestsicherung -- gestrichen werden. AsylwerberInnen sollen
keiner legalen Tätigkeit nachgehen dürfen -- kurioserweise ausgerechnet um
"Lohn- und Sozialdumping" zu verhindern. Und: wieder einmal tauchen die
eigenen Sozialversicherungen ("eigene Rechnungskreise") für
ÖsterreicherInnen und unterschiedliche MigrantInnengruppen auf.
Sozialleistungen an das Ausland (Welche? Die Familienbeihilfe? Die
Pensionen?) sollen möglichst auf Null gestellt werden.

Wie bereits oben erwähnt, stellen diese Kürzungen im Sozialbereich
Einkommenskürzungen für die unmittelbar Betroffenen dar -- ausgerechnet für
Gruppen mit ohnehin niedrigem Einkommen, wo jeder zusätzliche Euro sofort
nachfragewirksam und wirtschaftsbelebend wäre. Zusätzlich schaden
Sozialkürzungen bei "AusländerInnen" tatsächlich allen. Sie "schützen"
keineswegs die InländerInnen. Im Gegenteil: verlieren ausländische
Arbeitslose an sozialer Absicherung wie z.B. Arbeitslosengeld oder
Mindestsicherung, werden sie in die Schwarzarbeit getrieben um ihre Existenz
absichern zu können. So wird tatsächlich Lohn- und Sozialdumping gefördert!
Schlechtere Sozialleistungen gehen auch nicht mit gleichen zu leistenden
Beiträgen zusammen. Wenn AusländerInnen also schlechtere - sprich
niedrigere - Sozialversicherungsleistungen erhalten, dann müssen
konsequenterweise auch die SV-Beiträge niedriger sein. Dadurch würden
ausländische Arbeitskräfte aber billiger als inländische, sie würde also
einen "Kostenvorteil" für Unternehmen darstellen. Eine Maßnahme, die
definitiv nicht der Beschäftigung von inländischen Arbeitskräften förderlich
wäre - eher das Gegenteil! So manche "Österreich zuerst!"-Slogans entpuppen
sich so als kontraproduktive Rohrkrepierer, würden sie tatsächlich
umgesetzt.

Sehr unkonkret bleibt das FPÖ-Programm bei der Rolle der öffentlichen Hand
in der Wirtschaftspolitik -- außer eben wenn es um radikale Steuer- und
Abgabesenkungen geht. Da wird zwar der Ausbau von Infrastruktur, Schiene,
Straße, Hochschulen gefordert, wie das allerdings angesichts drohender
notorischer Unterfinanzierung funktionieren soll, bleibt unerwähnt. Soziale
bzw. öffentliche Dienste als zentrale wirtschaftspolitische Player und
Beschäftiger, deren Rollen und Aufgabe, sowie die Funktion öffentlicher
Investitionstätigkeit, bleiben im FPÖ-Programm überhaupt weitgehend
ausgeblendet.

Ein kurioses Detail soll nicht unerwähnt bleiben: natürlich ist im
Programm -- wie angekündigt -- die Abschaffung der
Kammer-Pflichtmitgliedschaften Thema. Um 50 % will die FPÖ die Beiträge
kürzen, sollte die Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft nicht möglich sein.
Anderorts wurde schon vielfach erwähnt, dass die Abschaffung des
Kammersystems, wie wir es kennen, massive Auswirkungen auf die Lohnsysteme
und auf die Kollektivvertragsabdeckung hätte und auf Kosten der Entwicklung
der ArbeitnehmerInneneinkommen gehen würde. Lohnerhöhungen sind nämlich
Ergebnisse von Kollektivvertragsverhandlungen zwischen Gewerkschaften und
Arbeitgeber-Verbänden und fallen nicht vom Himmel. Und die
Pflichtmitgliedschaft der Betriebe in der Wirtschaftskammer sichert auch ab,
dass allen Beschäftigten einer Branche diese Lohnerhöhungen auch zugute
kommen. Etwas anders sieht das scheinbar die FPÖ. Die verschweigt nämlich
tunlichst das Wort "Kollektivverträge", "Gewerkschaften" etc. im
Zusammenhang mit Lohnerhöhungen. Im Programm heißt es nur: "Viele
Steuerzahler bekommen jährlich eine Lohnerhöhung, die sich an der
Teuerungsrate orientiert." Ja, aber sicher nicht von der FPÖ. Nicht vom
Himmel. Sondern im Rahmen von mehr oder weniger konfliktgeladenen
Verhandlungen, als Ergebnis gewerkschaftlichen Einsatzes mit Unterstützung
der AK-Expertise. Eine Expertise, die die FPÖ lieber heute als morgen weg
haben will!
*Markus Koza*

(1) Zahlenquelle: Eurostat und Berechnungen von Markus Marterbauer, AK Wien:
http://blog.arbeit-wirtschaft.at/oesterreich-bei-bip-und-real-verfuegbarem-einkommen-pro-kopf-in-der-eu-spitzengruppe/

M.K. kandidert bei der NR-Wahl auf den vierten Wiener Listenplatz der
Grünen.



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