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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 30. August 2017; 17:32
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Demokratie/Recht/Polizei:
> Warnung vor dem Sommerloch
Die seltsame Geschichte des §106 StPO und was wir daraus lernen können
Im Juli 2015 strich der Verfassungsgerichtshof die Wortfolge
"Kriminalpolizei oder" in §106 Abs. 1 der Strafprozeßordnung. Eine
Kleinigkeit, eine von vielen Entscheidungen des VfGH, um die nicht viel
Aufhebens gemacht wurde. Noch dazu mitten im Sommer, wo kaum jemand großes
Interesse für Höchstgerichtsentscheidungen hegt. Doch eigentlich war das
fast schon der Endpunkt eines verfassungsrechtlichen Skandals.
Diese Formulierung war es nämlich, die rechtlich wirksame Beschwerden gegen
Polizeimaßnahmen beinahe verunmöglichte. Nur: Der VfGH wurde in dieser Sache
nicht zum ersten Mal tätig.
Die Vorgeschichte: Die erste rotschwarze Koalition (2006-2008) nach den
Schüssel-Regierungen beschloß eine große Strafprozeßreform. Ein Detail dabei
war, daß im Zuge der Verstärkung der Rolle der Staatsanwaltschaften im
Ermittlungsverfahren im §106 StPO festgehalten wurde, daß Ermittlungsakte
von Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaften im Falle eines Einspruchs
eines Verfolgten gerichtlich zu beurteilen sind -- behauptetermaßen zwecks
des besseren Rechtsschutzes des Verfolgten.
Die Folge war aber, daß der Rechtsschutz ausgehebelt wurde. Denn nun war
unklar, vor welcher Rechtsinstanz eine Beschwerde gegen das Verhalten der
Polizei eingebracht werden konnte: Handelte es sich nämlich um einen
kriminalpolizeilichen Akt, dann waren ordentliche Gerichte zuständig, bei
sicherheitspolizeilichen Akten der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS).
Nachdem aber viele Akte der Polizei (zum Beispiel Festnahmen) sicherheits-
oder kriminalpolizeilicher Art sein können, war die Zuständigkeit der
Instanzen unklar -- das Recht auf wirksame Beschwerde war damit nicht mehr
gegeben.
Der VfGH hob deswegen 2011 die Wortfolge "oder Kriminalpolizei" auf, womit
wieder alle polizeilichen Akte vor dem UVS beanstandet werden konnte. Das
Höchstgericht erließ dabei keine "Reparaturfrist", wie sonst oft üblich,
sondern der Entscheid war sofort gesetzesändernd wirksam. Die für die
Polizei bequeme Formulierung, die regelmäßig dazu geführt hatte, daß
Beschwerden wegen Zuständigkeitsunklarheiten zu Fristversäumnissen führten,
war damit weg.
2013 sahen aber offensichtlich die Legisten des Innenministeriums eine
Chance, die Rechtslage wieder zu korrigieren. Es war ein Sommer vor einer
Wahl, im Juli, als im Zuge einer umfassenden Strafprozeßnovelle in der
Regierungsvorlage wieder die Nichtzuständigkeit des UVS bei
kriminalpolizeilichen Maßnahmen definiert wurde. Diesmal lautete die
Formulierung nicht "Staatsanwaltschaft oder Kriminalpolizei" sondern
"Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft" -- das war der einzige
Unterschied. In der Regierungsvorlage befand sich damit eindeutig eine
Rechtssetzung, die vom VfGH bereits als verfassungswidrig erkannt worden
war. Nachdem aber alle im Parlament sich schon auf den Wahlkampf
vorbereiteten, wurde diese Reform einfach durchgewunken und eine Woche vor
der Wahl im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.
Die schon erwähnte Folge: Der VfGH hob diese Änderung ein zweites Mal auf,
gab dem Nationalrat aber diesmal die Chance eine Reparaturfrist von einem
Jahr zu nutzen, um da eine saubere Lösung zu finden. Es kam, wie es kommen
mußte: Die Regierungsmehrheit ignorierte diese Frist und so blieb die
verfassungswidrige Formulierung ein ganzes weiteres Jahr österreichisches
Recht, bis eben mit dem Ende der Frist im Juli 2016 automatisch der
verfassungskonforme Zustand wiederhergestellt wurde.
So ernst nehmen also Beamte und Regierungspolitiker höchstgerichtliche
Entscheidungen.
Warum wärme ich hier diese mittlerweile alte Geschichte wieder auf? Weil wir
heute wieder die selbe Situation haben: Ein Sommerloch mit Vorwahlkampf und
noch ausständigen Plenarsitzungen des Nationalrats, in denen noch viel
passieren kann. Nicht nur die allseits bekannten Überwachungspläne des Herrn
Sobotka, sondern alles mögliche, vielleicht ganz unauffällig per
Initiativantrag, per Abänderungsantrag, ohne Begutachtung, weil ja nicht
mehr viel Zeit in dieser Legislaturperiode bleibt, könnte uns da dräuen.
Oppositionspolitiker und NGOs sollten genau jetzt sehr wachsam sein, was
denn da noch schnell beschlossen werden könnte...
*Bernhard Redl*
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