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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 28. Juni 2017; 16:20
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UK:

> Die Hoffnung steht links

Was der Erfolg von Labour-Chef Jeremy Corbyn bedeutet. Und wieso er sich
dann doch nicht als Blaupause fürs europäische Festland eignet.
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Es geht also auch anders. Seit Margaret Thatchers Durchmarsch vor bald
vierzig Jahren gilt die neoliberale Doktrin des Staatsabbaus, der
Privatisierungen, der Sozialkürzungen als gesellschaftlich akzeptierte
Maxime. Widerstand dagegen, das wurde den Menschen über Jahrzehnte hinweg
eingebläut, ist zwecklos, schadet der Wirtschaft und führt schnurstracks ins
Abseits. Auf das Individuum kommt es an, auf sonst niemanden.

Und jetzt sind die Grundfesten dieser Ideologie innert weniger Wochen
kollabiert. Mit einem furiosen Wahlkampf haben Jeremy Corbyn und sein Team
gezeigt, dass es Alternativen zur von oben verordneten Austerität gibt, dass
eine Politik der Umverteilung eine Massenbasis hat und dass soziale
Gerechtigkeit kein Ladenhüter ist.

Und so stellt sich die Frage: Was bedeutet der unerwartete Erfolg des
vielfach geschmähten Labour-Vorsitzenden? Kann er anderswo wiederholt
werden?

Sicher ist, dass die vielen, vornehmlich jungen Labour-AktivistInnen nicht
so schnell klein beigeben werden. Sie rannten von Haus zu Haus, klopften an
Türen, klebten Plakate, streiften sich T-Shirts mit Labours Slogan «For the
many, not the few» über, besuchten zu Tausenden Corbyns Wahlveranstaltungen,
produzierten Songs und Videos, die schnell Verbreitung fanden. Sie werden
einen «harten Brexit» nicht hinnehmen, weiter - wie zuletzt im Mai - für den
Erhalt des nationalen Gesundheitssystems NHS auf die Strasse gehen und auch
Corbyns parteiinterne GegnerInnen nicht in Ruhe lassen, die in ihren
Wahlkreisen ebenfalls von der Basisrevolte profitierten.

Desorientierte zurückgewinnen!

In Britannien wird nichts mehr so sein wie vorher. «Die Hoffnung steht
links», hatte Corbyns politischer Mentor Tony Benn immer wieder betont, und
wenn sie einmal da ist, stirbt sie nicht so schnell. Das zeigt das
Wahlergebnis. Alle hatten erwartet, dass die bisherigen WählerInnen der EU-
und fremdenfeindlichen UK Independence Party (Ukip) zu den Konservativen
abwandern würden. Mit dem Brexit-Votum im Juni 2016 hatte Ukip ihre Raison
d'être
verloren.

Doch von den 3,8 Millionen, die 2015 noch für die Partei gestimmt hatten -
darunter viele Arme und Hoffnungslose in den deindustrialisierten Regionen
des Landes -, votierten rund vierzig Prozent für Labour. Weil Corbyn mit
seinem Programm (Rücknahme der Sozialkürzungen, Stärkung des NHS, Anhebung
des Mindestlohns, Verbot der Nullstundenarbeitsverträge,
Wiederverstaatlichung von Bahn, Post, Trinkwasser- und Energiebetrieben,
Wiederherstellung der von Margaret Thatcher geschleiften Arbeitsrechte,
Erhöhung der Reichen- und Unternehmenssteuern und so weiter) ein
gesellschaftliches Gegenmodell offerierte. Solide durchgerechnet und von
angesehenen ÖkonomInnen akzeptiert.

Selbst politisch desorientierte, nach rechts neigende Bevölkerungsgruppen,
die sich allein gelassen fühlen, können zurückgewonnen werden - wenn sie
sich und ihre Sorgen wahr- und ernst genommen fühlen.

Nicht bloss rumschrauben!

Corbyns Stärke und Mobilisierungskraft haben freilich auch mit der Schwäche
der Konservativen zu tun. Die Tories führten einen ganz auf Theresa May
zugeschnittenen Wahlkampf, der die Kommunikationsunfähigkeit der
Premierministerin offenbarte. Und so verloren sie selbst Wahlkreise wie die
Bischofsstadt Canterbury, die seit hundert Jahren konservativ dominiert war.

Eine Blaupause für die notleidende europäische Sozialdemokratie ist Corbyns
Erfolg gleichwohl nicht. Zwar wanzt sich SPD-Chef Martin Schulz momentan
gehörig an den Labour-Star an (den er vor wenigen Wochen nicht einmal mit
der Beisszange angefasst hätte), zwar wittern viele SozialdemokratInnen auf
dem Kontinent Morgenluft - doch einen so geradlinigen, bescheidenen und
kämpferischen Politiker gibt es nicht überall. In der SPD etwa wäre einer
wie Corbyn längst weggebissen worden. (Das klappte bei Labour übrigens nur
deswegen nicht, weil ihn das Mehrheitswahlrecht schützt: Corbyn wird seit
1983 von den Delegierten seines Wahlkreises London Islington nominiert und
stets wiedergewählt.)

Was bleibt, ist die Erkenntnis: Beharrlicher Widerstand gegen die
neoliberal-kapitalistische Demontage des Gemeinwesens findet dann eine
Basis, wenn nicht bloss da und dort ein bisschen herumgeschraubt wird - hier
eine kleine Rentenerhöhung, dort ein Reförmchen -, sondern wenn eine
kohärente Alternative im Programm steht. Dann können nicht einmal die
überwiegend rechtskonservativen Medien eine Wirkung entfalten.

Dass vor allem die Jungen für Corbyn mobilisierten (rund siebzig Prozent der
18- bis 25-Jährigen wählten Labour, vor zwei Jahren war es nicht einmal die
Hälfte), verspricht eine bewegte Zukunft. Corbyn wird jedenfalls nicht
lockerlassen. «Das ist erst der Anfang. The fight goes on», sagte er am
Morgen nach der Wahl. Das ist sogar in Washington angekommen: Angesichts
erwartbarer Proteste hat US-Präsident Donald Trump seinen bevorstehenden
Besuch in London abgesagt. Und wie lange sich Theresa May halten kann, ist
ungewiss.
(Pit Wuhrer in WoZ Nr. 24/2017 vom 15.06.)

Quelle:
https://www.woz.ch/1724/neues-britannien/die-hoffnung-steht-links



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