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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 28. Juni 2017; 16:04
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Glosse:

> Für immer alt

Eine Wahlkampfrundschau

"'Jung sein" ist keine politische Kategorie!! Ich finde das gehört grad
gesagt..." Ausgerechnet Julia Herr, die so wohltuend goscherte SJ-Chefin,
twitterte dies jüngst. Ja, es ist auffallend: In diesem Vorwahlkampf gehts
ums Jungsein. Das hat sicher auch etwas damit zu tun, daß es bei den
Spindoktoren jetzt endlich angekommen ist, daß als Antwort auf die Senkung
des Wahlalters es nicht ausreicht, wenn man sich im Wahlkampf kindisch
aufführt, Wahlbroschüren mit Emojis füllt oder die Nachwuchshoffnung mit
einem Geilomobil durch die Stadt fahren läßt. Man muß auch Jungpolitiker
präsentieren. Danach schaut das dann aber auch aus: Die ÖVP baute den
Geilofahrer zum neuen Superstar auf. Die Grünen promoteten ihr Bussibärli
solange, bis auch die Basis begriff, daß der jetzt gewünscht ist. Und die
KPÖ holt sich dafür von den Grünen jene Jungen, die dort nicht mehr so
geschätzt sind.

Ansonsten machen sie aber alle weiter wie bisher. Und schauen dabei
fürchterlich alt aus.

*

Apropos "Weil es immer schon so war": Die Linke ist ein zerstrittener
Sauhaufen. Eigentlich ist das auch gar nicht so schlecht, die Alternative
dazu wäre eine autoritäre Kaderpartei, die keiner wollen kann. Weil die gar
nicht links sein könnte. Aber: Wenn man ganz pragmatisch in ein Parlament
will, sollte man sich schon zusammenraufen können. Es ist seit Jahren allen
klar, daß eine linke Liste im Nationalrat durchaus etablierbar wäre, weil
sich da einfach immer mehr politischer Raum auftut. Und auch bei diesen
Wahlen gab es mit "Echt Rot" einen ernstzunehmenden Versuch einer
gemeinsamen Kandidatur. Nur die KPÖ stellt sich wieder einmal auf den
Standpunkt, sie hätte die "Pflicht" (Parteichef Mirko Messner) alleine zu
kandidieren -- mit dem halbseidenen Angebot, auch Nichtmitglieder auf ihre
Kandidatenlisten mit aufzunehmen. Man hat den Eindruck, die scheitern gerne.
Bei "Echt Rot" stellt sich jetzt die Frage, ob man die KPÖ jetzt alleine
erfolglos sein lassen möchte oder doch auch scheitern möchte (1). Dieses
Dilemma wird aber sicher nicht dadurch verbessert, daß die SLP nun ebenfalls
bereits die Einigung der Restlinken für tot erklärt hat und eine eigene
Kandidatur vorbereitet.

Ja, lustig, ist okay, bleiben wir halt weiter außerparlamentarisch -- aber
dann bitte gleich ehrlich und selbstbewußt. Da bleibt uns viel frustrierende
Minderheitenfeststellung erspart.

*

Man darf aber nicht glauben, nur die Wahlkämpfe hier in Österreich oder nur
die der Linken wären peinlich. Die SPD macht immer noch auf: Martin Schulz,
der Erlöser! Da ist zwar der Lack schon ziemlich ab, weil sich bei
bisherigen Regionalwahlen eher so gar kein Schulz-Effekt einstellen wollte,
aber die SPD macht weiter so, als hätte sie einen attraktiven
Spitzenkandidaten. Nirgendswo zeigt sich das besser als auf der
SPD-Homepage, die in einem Shop Wahlwerbe-Artikel anpreist. Zum Beispiel
eine Klatschpappe mit dem Slogan "Jetzt ist Schulz!", um "Krach zu
machen" -- EUR 18,75 kosten 25 Stück der bunten Pappendeckel. Es geht aber
noch peinlicher: "Aufsteller Martin Schulz -- Lebensgroßer Pappaufsteller,
mit Rückenstütze für den Einsatz im Innenbereich" für 49,90. Ob die
Präsentation des Kanzlerkandidaten als Pappkameraden (der eine Rückenstütze
braucht, um nicht umzufallen) wirklich der richtige Weg ist, bleibt
fraglich.

Ist aber egal, denn die Antwort der CDU ist pure Fadesse, wie man einem
Tweet der Bundesleitung entnehmen darf: "Unsere Hauptbotschaft, der
sogenannte Claim wird sein: 'Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne
leben'." Und als wenn das nicht schon blöd und inhaltslos genug wäre,
verbreitet die CDU zu diesem Slogan auch noch den passenden Hashtag:
"#fedidwgugl". Das hat schon was Dadaistisches, ist aber sicher nicht so
gemeint. Aber was will man von einer Partei an Medienkompetenz erwarten, für
die das Internet immer noch #Neuland ist...

*

In Deutschland und Österreich haben wir jeweiligen Staatsbürger im Herbst
dann wieder die Wahl. Nein, bitte nicht weinen!
*Bernhard Redl*


***
(1) Das zweite und wohl auch letzte Treffen von "Echt Rot" findet am 2.Juli
um 11h im Amerlinghaus statt.



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