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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 28. Juni 2017; 16:21
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Bücher:

> Hofoperndirektor und Maidemonstrant

Jens Malte Fischer:
Gustav Mahler. Der fremde Vertraute
Paul Zsolnay Verlag Wien 2003, 992 Seiten

Ich habe lange gezögert, ob ich ad Mahler in die Tasten hauen soll.
Schließlich bin ich kein Musik"kenner", sondern bloß ihr Liebbhaber . Da ich
Musik jedoch gerne und oft höre (in der Bandbreite Klassik / Romantik bis
Blues / Boogie Woogie) und nun schon zum zweiten Mal die fast
1000-Seiten-Schwarte von Fischer verdrückt habe, wage ich mich an die Sache
heran.

Mahler war bekanntlich einer der ganz großen musikalischen "Türöffner".
Während mit Brahms die Periode der klassischen Symphonie sich zu Ende neigt
(er stirbt 1897), geht Mahler neue Wege -- durchaus unter breiter Verwendung
"traditioneller" musikalischer Mittel -- wie Adorno in seinem
richtungsweisenden Mahler-Buch hervorgehoben hat. Mahler sprengt die
bisherige Form der Symphonie, seine Scherzi haben kaum noch etwas mit einem
gewohnten Scherzo zu tun, wie in Beethovens 9.Symphonie erklingt in mehreren
seiner Symphonien erneut die menschliche Stimme.

So weit, so gut -- diese Dinge haben sich ja mittlerweilen herumgesprochen.
Trotz des langen Totschweigens und Nichtaufführens der Werke des "Juden"
Mahler -- auch noch nach(!) dem 2.Weltkrieg. Viele der Aspekte der
Persönlichkeit Mahlers blieben jedoch weiter unbelichtet- abgesehen von den
"skandalös" präsentierten Friktionen der de facto gescheiterten Ehe mit
Alma.

Nicht von ungefähr lautet daher der Untertitel des Buchs von Fischer "Der
fremde Vertraute". Minuziös wird das Leben Mahlers geschildert, das das
gerade Gegenteil von "einfach" war. So mußte er sich die längste Zeit nach
dem Tod der Eltern finanziell um die zahlreichen Geschwister kümmern. Seine
Tätigkeit als Direktor der Wiener Hofoper (1897-1907), die er gründlich
reformierte (oder es zumindest versuchte), war von zahlreichen Intrigen und
antisemitischen Attacken begleitet, bis er schließlich das Handtuch warf.

Fischer wirft starkes Licht auf die Lektüre des Viellesers Mahler (etwa Jean
Paul), auf die Philosophen, die ihn prägten (Goethe, Nietzsche,...),
schließlich dessen eigene weltanschaulichen Positionen: Mahler konvertierte
zwar -- wie andere auch aus taktischen Gründen -- zum Katholizismus, war
jedoch in keiner Weise an christliche Dogmen gebunden. Er glaubte, wie viele
damalige Künstler, an ein "Nicht-Sterben" des Geistes, des Schöpferischen.

Fischer vermeidet eine "Verklärung seines Helden". Sein widersprüchlicher
Charakter wird hervorgehoben: da gibt es die grenzenlose Naturliebe Mahlers,
seine Liebenswürdigkeit und Menschenfreundlichkeit, Mahler geht einmal sogar
bei der 1.Mai-Demonstration mit; aber ebenso sein kühl planendes Agieren, um
"etwas zu werden"(vor allem Hofoperndirektor) oder wie er mit Frauen Schluß
macht (mit der Sängerin Anna von Mildenburg- mit der er eine stürmische
Beziehung hatte oder mit seiner langen "platonischen" Freundin Natalie
Bauer-Lechner).

Die vertrackte Ehe mit Alma wird detailliert dargestellt (inklusive der
Gropius-Affäre und Mahlers Konsultation Freuds; um die Ehe zu retten
erniedrigt sich Mahler, ja "macht sich zum Narren") ohne je in vulgären
Enthüllungsjounalismus abzugleiten. Die Schilderung dient ausschließlich
dazu, die disparaten Facetten der Persönlichkeitsstruktur des musikalischen
Genies zu beleuchten.
*Hermann Dworczak*


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