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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 17. Mai 2017; 01:05
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VERWORTET:

> "Gerechtigkeit"

Alle wollen sie, nirgends gibt es sie, aber was ist sie eigentlich, diese
seltsame Fee, die uns glücklich machen soll, die vielbeschworene
Gerechtigkeit??? Gleich beim ersten Versuch liefert mir die Allwissende
Müllhalde Google 31 Bücher zum Thema, die aber die Sache nicht klarer
machen.

Denn es gibt bereits vor der Lektüre auch nur des dünnsten dieser Bücher
einige schwerwiegende Unklarheiten, die beim Nachdenken über die
Brauchbarkeit eines Wortes von entscheidender Bedeutung sind.

Wie uns Wikipedia mitteilt, ist der Begriff umstritten, aber dennoch wird er
als Grundnorm menschlichen Zusammenlebens gesehen. Eine Grundnorm, von der
niemand weiß, was sie ist? Rätselhaft.

Es ist viel nachgedacht worden über den Begriff, die Definitionen in
Wikipedia sind zahlreich und interessant, aber mir geht es jetzt eher um die
alltägliche Verwendung des Wortes in den Medien und in Diskussionen. Und da
zeigt sich wie immer: Die herrschende Sprache ist die Sprache der
Herrschenden: Wenn eine Putzfrau über Gerechtigkeit spricht, meint sie eine
andere Gerechtigkeit als der Konzernchef. Die Definitionen der Putzfrau
gehen wahrscheinlich eher in die Richtung "Gerechtigkeit gibt es dann, wenn
alle gleich viel haben", während der Konzernchef Gerechtigkeit mit Leistung
verbindet. Und mehr Leistung erbringt " mann" halt erst ab einer gewissen
Einkommensklasse (und nicht umgekehrt, wie wir naiv meinten). Im klassischen
Marxismus also der Unterschied zwischen Kommunismus (jeder nach seinen
Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen; Marx) und dem Sozialismus
(jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seiner Leistung; Ulbricht). Es
bleibt offen, wer die Definitionsmacht hat, und daher bleibt auch offen,
wann denn nun der Sozialismus und der Kommunismus und daher die
allumfassende Gerechtigkeit ausgebrochen sein werden. Denn nur dann scheint
die Sonn' ohn Unterlass, wenn wir uns an die Internationale halten.

Uns allen ist geläufig, dass Recht und Gerechtigkeit miteinander wenig bis
gar nix zu tun haben, einerseits weil eben die Definitionen von
Gerechtigkeit von vielen Faktoren abhängen, andererseits das "Recht" zwar
angeblich vom Volke ausgeht (Artikel I des österreichischen
Bundesverfassungsgesetzes: "Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr
Recht geht vom Volk aus."), aber niemand weiss, wohin.

Im sehr lesenswerten Ausstellungskatalog zur nö. Landesausstellung "Alles
was Recht ist" (die ich ebenfalls für gut gelungen halte, weil ein komplexes
Thema niedrigschwellig aufbereitet wird) wird immer wieder der Unterschied
von Recht und Gerechtigkeit diskutiert, inclusive der Zusammenhänge zwischen
sozialer Stellung der Angeklagten und der Höhe des Urteils.

"Gerechtigkeit" ist also nicht wirklich eindeutig zu definieren, sondern nur
im Zusammenhang mit der Diskussion der sozialen Verhältnisse der
DiskutantInnen.
*Ilse Grusch*

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In der Rubrik VERWORTET stellt die akin regelmäßig Wörter oder Phrasen vor,
deren allgemeiner Gebrauch nicht ganz koscher ist. Wer dabei mitmachen will,
schicke uns ein Wort und dessen Gebrauchskritik an akin.redaktion{AT}gmx.at


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Glosse:

> Vorschlag für eine Demokratiereform

Nachdem es bei Wahlen sowieso nur mehr darum geht, irgendwen zu verhindern,
sollte man in Zukunft Urnengänge nur mehr nach dem Big-Brother-Prinzip
gestalten: Jede Woche wird der jeweils größte Ungustl rausgewählt. Wer am
Schluß übrigbleibt, darf Kanzler werden. *M. Cz.*




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