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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 10. Mai 2017; 17:32
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Buecher:

> Leben und Werk von Emmy und Roman Rosdolsky

Rosdolsky-Kreis
Mit permanenten Grüßen
Leben und Werk von Emmy und Roman Rosdolsky
Mandelbaum Verlag Wien 2017,
453 Seiten, 15 Euro

Der "Kreis" hat ein tolles Buch über das politische Leben und das
theoretische Schaffen der beiden revolutionären MarxistInnen verfaßt.

Roman Rosdolsky ist in linken Kreisen eher nur "SpezialistInnen" bekannt.
Völlig zu Unrecht: sowohl sein politisches Wirken und erst recht seine
theoretische Arbeit sind mehr als bemerkenswert.

Roman wird 1898 im damals österreichischen Lemberg in einer ukrainischen
Familie geboren. Er politisiert sich bereits als Gymnasiast, wird Sozialist
bzw. Kommunist. Er studiert in Prag und Wien (wo er auch Emmy kennenlernt).
Infolge der Stalinisierung der kommunistischen Bewegung wird er
revolutionärer Marxist ("Trotzkist").

Unter den Nazis wird er verhaftet und überlebt mehrere (!) KZ. Nach dem
Krieg lebt er mit seiner Frau in Oberösterreich. Nach der Entführung des
revolutionären Marxisten Karl Fischer durch den sowjetischen NKDW
entschließen sich Emmy und Roman in die USA zu gehen, wo Roman 1967 stirbt.
Er bleibt sein Leben lang seinen politischen Positionen treu.

Roman hinterläßt ein reichhaltiges theoretisches Schaffen. Besonders in
seinen Studien zur "nationalen Frage " ist er immens innovativ. Im
wahrscheinlich besten Kapitel des vorliegenden Buches "Roman Rosdolsky und
das Nationalitätenproblem. Warum Marx und Engels nicht recht hatten..."
(S.148 ff) wird das bündig dargelegt. Insbesonders Engels verfaßt unter dem
Eindruck der bürgerlichen Revolution 1848/ 49 eine Reihe von Artikeln, indem
er einigen Völkern -inbesonders den Slawen (mit der Ausnahme Polens) - die
Geschichtsmächtigkeit abspricht ("geschichtslose Völker",
"Völkertrümmer",...) und ihnen undifferenziert konterrevolutionäres Gebahren
unterstellt. Rosdolsky geht in der Analyse weit tiefer, untersucht die
widersprüchliche Lage der "Bauernnationen", insistiert , daß ihre
Entwicklung keinesfalls abgeschlossen ist oder eindimensional verlaufen
muß - wie es auch der reale Verlauf der Geschichte unmißverständlich gezeigt
hat.

Auch im Kapitel "Roman Rosdolskys Jugend in Lemberg (1898-1926)" (S. 46ff)
erfärt man/ frau eine Menge über die Komplexität der nationalen Frage in der
Ukraine - die bekanntlich bis zum heutigen Tag reicht!

"Rosdolkskys Studien über revolutionäre Taktik" (S.110ff) zeigen in
beeindruckender Weise, wie sich die "Friedenspolitik" der Bolschewki unter
Lenin und Trotzki fundamental von der der Sozialdemokratie und des
Stalinismus ("friedliche Koexistenz") unterschied.

Für eine volle, nicht verkürzte Rezeption des Marxschen Oevres war
Rosdolskys "Zur Entstehungsgeschichte des Marxschen 'Kapital'" von großer
Bedeutung (S. 374ff).

Auch Emmy Rosdolsky engagiert sich früh politisch: zuerst im Verband
Sozialistischer Mittelschüler, dann im Kommunistischen Jugendverband ("Emmy
Meders Jugend und politische Anfänge in Wien (1911-1926)", S.210ff ). Sie
kämpft gegen den Austrofaschismus, die Nazis und steht gegen den
Stalinismus. Auf ihr lastet auch zumeist die Sorge um das finazielle
Auskommen der Familie. Ich traf Emmy mehrmals in Wien, wohin sie noch dem
Tod von Roman zurückgekehrt war und war stets von ihrem scharfen politischen
Verstand überrascht.

Da ich 1972 meine Dissertation der "Methode der Kritik der Politischen
Ökonomie. Die Logik des "Kapitals" widmete, möchte ich den AutorInnen des
Rosdolskys Kreises eine -- solidarische -- Empfehlung geben: in dem Kapitel
über die "Entstehungsgeschichte des Marxschen 'Kapital'" wird zu recht auf
den enormen Stellenwert der "Grundrisse", der Dialektik etc. verwiesen.
Unterbelichet und daher im Text zu korrigieren scheint mir das Marxsche
"Aufsteigen vom Abstrakten zum Konkreten". Marx wollte sich ursprünglich bis
zum Staat, dem auswärtigen Handel und Weltmarkt und den Krisen (S.385)
vorarbeiten -- wozu es bekanntlich nicht kam. Praktisch hatte das in der
Marx-Rezeption zur Folge, daß oft nur die "abstrakten" Kategorien wiederholt
wurden anstatt sie "reichhaltig fortzustimmen" -- also eine konkrete Analyse
des Kapitalismus vorzunehmen.

Ich habe die spannenden 450 Seiten über Emmy und Roman Rosdolsky in
eineinhalb Tagen geradezu verschlungen. Ich kann sie nur jedem/r empfehlen,
der/die sich -- kritisch -- mit der Geschichte und Theoriebildung der
ArbeiterInnenbewegung auseinandersetzen möchte.

*Hermann Dworczak*



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