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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 26. April 2017; 20:58
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Glosse/Recht:
> Bis hierher und nicht weiter
Das Staatsgrundgesetz von 1867 und die Grünen von 2017
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Also wie jetzt? Da sind wir ein ganzes Jahr lang für VdB gelaufen, damit wir 
uns nicht "wundern, was alles möglich ist" - und müssen zusehen, wie das 
meiste davon trotzdem passiert?
Denn wie unsere Regierung seit Monaten(!) mit unserer Verfassung, mit 
unseren Grundrechten und nicht zuletzt mit dem Engagement von zigtausenden 
Menschen quer durch Österreich umgeht, das ist fahrlässig und streckenweise 
schlicht gefährlich.
Und ich werde langsam grantig. Mit einem Bummelstudenten, der sich für einen 
Fototermin auf ein Schiff stellt und dann was von "NGO-Wahnsinn" daherredet 
(und damit gleich die vielen tausend engagierten Menschen in Österreich mit 
beleidigt!). Mit einem Slim-fit-Kanzler, der seelenruhig zusieht, wie ein 
polternder Musikpädagoge aus Niederösterreich das Versammlungsrecht 
beiseitewischt, bloß weil es ein paar Kaffeesiedern und Polizeioffizieren 
lästig ist. Mit einem Justizminister, der neue Straftatbestände durchdrückt, 
mit denen du komplette NGOs ins Gefängnis werfen könntest.
Und ja: Ich bin auch grad grantig mit meinen Grünen, die streiten, dass die 
Fetzen fliegen, statt endlich mal zu sagen: 'Es reicht. Bis hierher und 
nicht weiter. Wir lassen nicht zu, dass unsere Verfassung ausgehöhlt und 
zerstört wird.'
Der Grundrechtskatalog, den wir in diesem Land haben, wird heuer - am 23. 
Dezember, genau genommen - 150 Jahre alt. Nennt mich konservativ, wenn ich 
auf 150 Jahre alten Rechten bestehe, oder nennt mich links, weil das 
Bestehen auf Grundrechten ja auf einmal schon linksextrem wirkt - es ist mir 
wurscht. Ich möchte, dass diese Rechte so bleiben, wie sie sind. Weil sie es 
nämlich überhaupt erst möglich machen, Politik zu machen, politisch zu 
sein - und das nicht nur für uns, sondern für alle!
Deshalb wünsche ich mir Grüne, die ein paar Zaunpfähle einschlagen. Die sich 
vor die vielen Initiativen, NGOs und Leute aus der Zivilgesellschaft stellen 
und deutlich machen: 'Wenn ihr einen von uns verhöhnt, verhöhnt ihr uns 
alle. Und wenn ihr einen von uns kriminalisiert, kriminalisiert ihr uns 
alle.'
Weil auch wir Zivilgesellschaft sind. Weil das unser Österreich ist, mit 
unserer Verfassung und unsere Kultur der Freiheit. Und diese unsere Kultur 
lassen wir uns nicht nehmen.
Ich wünsche mir Grüne, die noch einmal ein Bündnis eingehen wie jenes zu 
Zeiten der VdB-Wahlbewegung: mit Menschen, denen das nicht alles egal ist, 
ganz gleich, was sie bisher gewählt haben. Grüne, die diese Menschen noch 
einmal einladen zum gemeinsamen Streit.
Denn diesen Streit werden wir wohl führen müssen. Sonst haben wir zwar in 
ein paar Jahren ein renoviertes Parlament - aber eine völlig zerbröselte 
Demokratie. Sonst sind wir wirklich nur mehr ein paar wenige Schritte 
entfernt von dem, was wir momentan in Polen, Ungarn und der Türkei mit 
Schrecken beobachten.
Nein, ich will mich nicht wundern, und ich weiß, da gibt es sehr, sehr 
viele, die das auch nicht wollen. Zusammen haben wir schon mal einen richtig 
schönen Streit ausgefochten - und gewonnen.
Und zusammen können wir das noch einmal. Wenn wir nicht vergessen, was wir 
damals gelernt haben:
Du brauchsch mi, und i brauch di.
*Georg Bürstmayr*
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> Hinweise zum Thema:
Auf einen besonderen Aspekt der aktuellen Sobotkismen machte kürzlich auch 
SOS-Mitmensch aufmerksam: "in Kürze wird das Parlament über eine 
Gesetzesänderung abstimmen, die Hetze auf der Straße Raum verschaffen 
könnte. Die Regierung will so genannte 'Schutzbereiche' für Versammlungen 
beschließen. Was im ersten Moment gut klingt, hätte schwerwiegende Folgen. 
Denn die 'Schutzbereiche' sind nichts anderes als weiträumige 
Verdrängungszonen für friedliche Gegenkundgebungen. Zur Veranschaulichung: 
Die Anti-Asyl-Kundgebung der FPÖ vor dem Asylquartier in Wien-Erdberg ist 
sicher noch allen im Gedächtnis. Wenige Meter entfernt fand eine 
Gegenkundgebung statt, die den Asylsuchenden signalisierte, dass viele 
Menschen mit Anti-Asyl-Hetze keinesfalls einverstanden sind. Hätte es damals 
eine Verdrängungszone gegeben, dann wären nur die Anti-Asyl-Agitatoren vor 
dem Asylquartier gestanden. Die Gegenkundgebung wäre weit weg und für die 
verunsicherten BewohnerInnen des Quartiers nicht sichtbar gewesen."
Sehr erhellend ist in diesem Zusammenhang auch die Expertise von 
Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk, der an den anstehenden Plänen der 
Regierung trotz seiner zurückhaltenden Art so gut wie kein gutes Haar läßt 
und immer wieder von einer Erosion des Verfassungsrechts warnt. Mit ihm hat 
Herbert Gnauer unter dem Titel "Schleichende Verfassungsänderung - 
Bernd-Christian Funk zur geplanten Strafgesetznovelle" für die Plattform 
"Idealism prevails" ein einstündiges Interview geführt, in dem so ziemlich 
alles an Regierungsplänen von der Fußfessel für "Gefährder" bis zum 
"Bundestrojaner" alles zerpflückt wird. Zu hören unter: 
https://youtu.be/EGXBbXLP4Lg
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Erratum: In der Druckausgabe haben wir uns im Jahrhundert geirrt und das 
Staatsgrundgesetz mit 1967 datiert. Sorry für die Verwirrung.
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