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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 26. April 2017; 21:15
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Debatten:

> Am Podium

Diskussionen sollten keine Theatervorstellungen sein

Es hat mich immer schon geärgert. Aber jetzt ärgert es mich noch mehr. Aus
der persönlicher Erfahrung der anderen Seite. Ich habe mich nämlich
überreden lassen, bei einer öffentlichen Diskussion auf einem Podium Platz
zu nehmen. Und kam mir nicht vor wie ein Diskussionsteilnehmer, sondern wie
ein Unterhaltungskünstler. Ja, zugegeben, Volksansprachen sind nicht so
wirklich mein Ding. Rampensau wird aus mir keine mehr. Aber das Setting der
meisten öffentlichen Diskussion schreit eben geradezu nach Rampensäuen. Oder
nach Frontalunterricht. Ginge das nicht anders?

Ja, Veranstalter von Podiumsdiskussionen haben mit vielen Problemen zu
kämpfen: Den räumlichen Gegebenheiten, Zeitvorgaben, Podiumsteilnehmern, die
mehr Zeit zum Reden beanspruchen, einem Publikum, das auch gehört werden
möchte, Diskussionen, die keine sind, weil eigentlich eh niemand mit dem
anderen reden, sondern nur sein Statement unterbringen möchte usw. usf. Das
kann alles dazu führen, daß der Erkenntnisgewinn aller Beteiligten gegen
Null tendiert.

Aber es muß doch wenigstens möglich sein, daß sich die Diskutanten am Podium
ansehen können! Da waren wir ja doch schon einmal weiter! Vielleicht ist ein
egalitärer Sesselkreis nicht immer machbar, aber irgendsowas wie ein Halb-
oder auch nur Viertelkreis zumindest fürs Podium müßte drin sein. Aber nein,
das Setting ist das einer Performance. Ein Podium erhöht über dem Publikum,
eine Bühne. Spot an. Die Show beginnt. Menschen auf dem Podium, die doch
aufeinander eingehen sollen, sitzen schnurgerade aufgefädelt in einer Reihe
und haben keine Chance, dem anderen in die Augen zu sehen. Wie soll man da
diskutieren?

Gerade linke Podiumsdiskussionen sehen immer noch aus wie
Theatervorstellungen oder Parteitage -- erhöht die Einheitsfront der
Wichtigen auf der einen Seite, das Publikum auf der anderen Seite.

Ja, meine Vorstellung von linken Diskussionen ist eine ganz andere, in den
heutigen Zeiten wohl nicht mehr realisierbare: Ich sitze im Kreis mit vielen
anderen; ein Bier in der einen Hand, eine Zigarre in der anderen; alle
Beteiligten sind da, weil sie gescheiter werden wollen; Moderator brauchts
keinen, weils auch keine Selbstdarsteller gibt, und das Ganze dauert bis 4
Uhr früh.

Okay, unrealistisch, ich weiß. Aber ein bisserl in die Richtung sollte es
schon gehen. Daß das aber nicht passiert, daran sind nicht nur die
Veranstalter schuld. Auch nicht nur die Behörden, die bei offiziellen
Veranstaltungslokalen auf die Einhaltung blödsinniger Vorschriften pochen.
Nein, da ist auch das Publikum mit seiner Erwartungshaltung mit schuld: Vor
ein paar Jahren hatte ich eine Diskussion mitorganisiert, kam aber ein wenig
zu spät. Ich hatte allerdings meine Ko-Organisatorin gebeten, sie möge doch
drauf schauen, daß das möglichst nicht eine Frontalveranstaltung wird. Als
ich ankam, kurz vor Beginn der Diskussion, saßen alle schon genau so, wie
ich mir das nicht vorgestellt hatte. Und meine Kollegin meinte: "Was hätte
ich machen sollen, die haben sich von selber so hingesetzt."
*Bernhard Redl*


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