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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 22. März 2017; 16:31
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Nicaragua:

> Entwicklung? Geht auch ohne Demokratie!

(*Markus Plate*, npl/Poonal)

Daniel Ortega, ehemals Revolutionsführer und seit 2007 Präsident Nicaraguas,
hat sich erst im November seine dritte Amtszeit gesichert - und wird das
zentralamerikanische Land fünf weitere Jahre regieren. Warum auch nicht? Die
Wirtschaftsentwicklung ist positiv, Sozialprogramme helfen den Ärmsten,
Wohlhabende zahlen wenig Steuern, die Kriminalität ist gering. Richtig faire
und freie Wahlen wollte Ortega dennoch nicht riskieren. Denn die Achtung der
Menschenrechte und demokratischer Institutionen spielen im System Ortega
eine untergeordnete Rolle.

Abends, wenn in Managua die Temperaturen auf einigermaßen erträgliche 30
Grad sinken, füllen sich und die Straßen mit Leben. Das war nicht immer so:
Seit dem verheerenden Erdbeben 1972 war das historische Zentrum Managuas
lange Zeit ein Trümmerfeld. Doch seit der Rückkehr der Sandinist*innen an
die Macht hat sich einiges getan. Direkt am See ist ein Ausgehviertel mit
Restaurants und Bars entstanden. Ein großer Park wartet mit Sportfeldern und
einer nigelnagelneuen Rollschuhbahn auf, mit großen Kinderspielplätze und
Wasserspielen.

Auch die 27-jährige Mirna Mercedes und ihr Partner Nelson genießen die
Abendstunden im Park. Die beiden sitzen auf einer Parkbank und chatten fast
ununterbrochen mit Freund*innen. Dank kostenlosem WLAN-Empfangs. "So einen
schönen Park gab es vorher nicht", sagt Mirna, früher sei das ehemalige
Stadtzentrum wie ausgestorben gewesen und gefährlich. "Heute ist es hier
grün, und lebendig, es gibt viel Platz und Angebote für die Kinder. Alles
gratis, abends beleuchtet und überall sind Wachleute, die uns beschützen."
Mirna und Nelson sind Ortega-Fans.

Wie so viele Nicaraguaner*innen sind Mirna und Nelson unterbeschäftigt. Sie
wohnen bei Mirnas Mutter in einem Armenviertel zwei Kilometer vom Park
entfernt. Das Haus ist winzig und eher ein besserer Verschlag. Doch hungern
müssen Mirna und ihre Familie nicht: Es gibt jeden Monat ein
Lebensmittelpaket von der Regierung und auch die prekäre Wohnsituation muss
nicht ewig andauern. Engagierte Sandinist*innen wie Mirna und Nelson dürfen
sich Hoffnung auf die eigenen, bescheidenen vier Wände machen. So wundert es
nicht, dass in den Armenvierteln die Unterstützung für Ortega und die
Sandinist*innen ungebrochen ist.

Unterstützung der Armen für Ortega ist ungebrochen

Daniel Ortega, 1979 siegreich gegen die jahrzehntelange Somoza-Diktatur, ist
seit 2007 wieder Präsident Nicaraguas. Seine Macht ist heute größer denn je.
Das hat Gründe. Der überall im Land an Wände gepinselte Mythos des großen
Revolutionsführers spielt dabei eine große Rolle. Auch die nationale Presse
geht mit Daniel und seiner Regierung gnädig um. Kein Wunder: Die wichtigsten
Fernseh- und Radiosender und die auflagenstärkste Tageszeitung gehören
mittlerweile dem Umfeld der Familie Ortega. Unabhängige Medien wie das
Internetmagazin Confidencial hätten es schwer, Gehör zu finden, so
Chefredakteur Carlos Fernando Chamorro: Der Raum für unabhängige Medien sei
erheblich kleiner geworden. Journalist*innen und Medien würden gekauft, der
Zugang zu öffentlicher Information blockiert, Pressekonferenzen seien nur
für regierungsfreundliche Journalist*innen geöffnet, Behörden und
Ministerien reagierten grundsätzlich nicht auf Anfragen.

Auch andere Ausdrucksformen kritischer Meinungsäußerung werden behindert.
Campesino-Proteste gegen das Megaprojekt eines interozeanischen Kanals, der
Nicaragua von der Karibik bis zum Pazifik durchpflügen soll. Oder
feministische Demonstrationen gegen das strikte Abtreibungsverbot.
Vertreter*innen von Menschenrechtsorganisationen wurden des Landes
verwiesen, mehrere Journalist*innen durften nicht einreisen.

Revolutions-Ikone Téllez distanziert sich

Dora María Téllez, heute Anfang sechzig, war eine der berühmtesten
Guerilla-Kommandantinnen. Sie befehligte 1979 die Eroberung der Stadt León
während der finalen sandinistischen Offensive gegen das Somoza-Regime. In
den 1980er Jahren war sie als sandinistische Gesundheitsministerin Teil der
sandinistischen Regierung. Doch längst hat sich Dora María Téllez, die Ikone
der Revolution, von ihrem ehemaligen Comandante und seiner Ehefrau Rosario
Murillo distanziert: "Hier in Nicaragua gibt es ein dynastisches Regime,
eine Diktatur der Familie Ortega-Murillo. Die Sandinisten existieren als
Partei gar nicht mehr." Besonders kritisch sieht sie die Rolle von Rosario
Murillo, Ortegas Ehefrau: "Murillo will alles kontrollieren. Alle
Kommuniqués stammen von ihr. Die Behörden können ohne ihre Erlaubnis nichts
veröffentlichen. Die Regierungsarbeit ist dadurch gelähmt und gleichzeitig
völlig auf Ortega konzentriert."

Es sind gerade die sandinistischen Dissident*innen, die das System Ortega
massiv kritisieren. Hugo Torres, ebenfalls alter Revolutionär, erkennt bei
den regierenden Sandinist*innen nichts Revolutionäres mehr: Die Regierung
sei genau so neoliberal wie die liberalen Vorgängerregierungen. Ortega fahre
einen antikapitalistischen Diskurs, aber die Praxis habe eine neue
Oligarchie hervorgebracht, mit Ortega an der Spitze. "Ortega sagt zu den
Oligarchen: 'Macht Eure Geschäfte und lasst mir die Politik!' So hat das
schon Somoza gehandhabt."

Wirtschaftswachstum trotz oder wegen Neoliberalismus

Neoliberal, aber nach den wirtschaftlichen Kenndaten durchaus erfolgreich.
Die Wirtschaft wächst unter Ortega verlässlich jedes Jahr um gute vier
Prozent. Gut, die Ortegas haben sich in den letzten Jahren ein respektables
Wirtschaftsimperium unter den Nagel gerissen und den Oligarch*innen geht es
trotz angeblichem Sozialismus super. Aber es fällt eben auch was für die
einfachen Leute ab. So verarmt wie zur Jahrtausendwende ist Nicaragua heute
längst nicht mehr.

An der UCA, der jesuitischen Universität in Managua, gibt die Journalistin
María López Vigil die Zeitschrift Envío heraus, eine kritische,
überparteiliche Publikation. Ihrer Meinung nach basiere das System Ortega
auf dreimaligem Wahlbetrug, bei den Kommunalwahlen 2008 und 2011, sowie den
Präsidentschaftswahlen 2011. Dadurch habe Ortega absolute Macht im Parlament
und übe Macht über die meisten Städte und Gemeinden aus. Justiz,
Rechnungshof, Sicherheitsorgane und Wahlbehörde handelten in seinem Sinne.
Ortegas politische Macht sei also gewaltig.

Revolutionsromantik, riesige politische Macht, eine enge Allianz mit dem
Großkapital, publikumswirksame Investitionen in den öffentlichen Raum - ein
bisschen Mehr für die Armen, und hier und da ein bisschen Repression. Das
ist das Erfolgsrezept der Familie Ortega in Nicaragua. Und seit den Wahlen
vergangenen November ist Rosario Murillo, Ortegas Frau, auch gleich noch
Vizepräsidentin. Das System Ortega scheint mindestens im Moment
zukunftsfest.

https://www.npla.de/poonal/entwicklung-geht-auch-ohne-demokratie



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