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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 15. März 2017; 14:18
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Recht:

> Das Lästigkeitsverbot

Die Einführung eines §246a StGB ist noch viel hinterhältiger als es auf den
ersten Blick scheint


Zitate

"§ 246a. (1) Wer eine Bewegung gründet oder sich in einer solchen führend
betätigt, die darauf ausgerichtet ist, die Hoheitsrechte der Republik
Österreich, der Bundesländer oder der Gemeinden und ihrer Organe nicht
anzuerkennen oder sich solche Hoheitsbefugnisse selbst anzumaßen und deren
wenn auch nicht ausschließlicher Zweck es ist, auf gesetzwidrige Weise die
Vollziehung von Gesetzen, Verordnungen, oder sonstigen Entscheidungen der
Behörden zu verhindern, ist, wenn sich diese Ausrichtung in einer Handlung
gegenüber einer Behörde für diese eindeutig manifestiert hat, mit
Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen."
(Aus der Regierungsvorlage)

"Günther Nenning, Freda Meissner-Blau, Friedensreich Hundertwasser und
andere Naturschützer der ersten Stunde würden sich nach dem geplanten
Strafgesetz gegen 'Staatsfeindliche Bewegungen' heute strafbar machen. Zu
diesem Schluss kommen Justizexperten bei der Begutachtung des neuen
Tatbestandes, der unter dem Paragrafen 246a mit Freiheitsstrafe bis zu zwei
Jahren bedroht ist. Der Wiener Strafrechtsprofessor Alexander Tipold sagt,
dass die Besetzung der Hainburger Au anno 1984 nämlich 'durchaus darauf
gerichtet war, einzelne Hoheitsakte nicht anzuerkennen.'"
(Kurier, 13.3.2017)

"Seit Mitte 2014 treten in Österreich vermehrt Bewegungen auf, welche die
Hoheitsrechte der Republik Österreich ablehnen. [...] So werden
beispielsweise die Entrichtung von Steuern, die Einhaltung von Gesetzen wie
z.B. der Straßenverkehrsordnung oder auch zivilrechtlicher Vorschriften
abgelehnt, zugleich jedoch die Rechte, die sich aus der Gemeinschaft
ergeben - beispielsweise der Bezug von Sozialleistungen - vehement
eingefordert. Diese Bewegungen versuchen die Vollziehung von Gesetzen,
Verordnungen und sonstigen Entscheidungen der Behörden zu verhindern und
bestehende staatliche Strukturen zu lähmen. Kommt es zu rechtsstaatlich
legitimiertem Handeln durch staatliche Institutionen, das sich gegen
Anhänger solcher Bewegungen richtet, werden von diesen unterschiedliche
Schritte - von zahlreichen Eingaben mit nicht schlüssigem Inhalt bis hin zu
finanziellen Forderungen, Drohungen und Gewalt - als Reaktion gesetzt und
dadurch behördliche Abläufe verzögert."
(Aus der Begründung für die Einführung des § 246a StGB, Erläuterungen zur
Strafrechtsnovelle 2017)

"Wir können als funktionierender Rechtsstaat nicht tatenlos zusehen, wie die
Autorität unserer Strukturen und Organe untergraben und ins Lächerliche
gezogen werden."
(Justizminister Brandstetter, zitiert nach APA, 29.11.2016)

*

Kommentar

Die Besetzung der Hainburger Au ist ein recht plakatives Beispiel. Ja, mit
diesen Paragraphen könnte man heute auch die Besetzer verfolgen. Nur: Auch
damals schon wäre eine Kriminalisierung der Aktivisten kein Problem gewesen.
"Widerstand gegen die Staatsgewalt" oder "Aufforderung zu mit Strafe
bedrohten Handlungen" gab es schon damals. Sogar "Nötigung" wäre
argumentierbar gewesen -- man hätte sich nur die damals in Westdeutschland
schon übliche Definition von "Gewalt" aneignen müssen. Daneben wären auch
zivilrechtliche Klagen in Millionenhöhe, mit denen später sehr wohl
Umweltaktivisten überzogen worden sind, möglich gewesen. Nur: 1984 wollte
der Staat mit diesen schweren Geschützen einfach nicht auffahren -- die
politische Kultur und das demokratische Verständnis waren damals ein
anderes.

Einer der Hintergründe ist eher im Tierschützerprozeß 2010/2011 zu suchen.
Damals verwendete man den 1996 an sich zur Bekämpfung mafiöser Umtriebe
geschaffenen § 278a zur Kriminalisierung von Tierrechtsaktivisten. Die Klage
erwies sich bekanntermaßen als Disaster für die Strafverfolgungsbehörden.
Was folgte, war eine Reform des Paragraphen, um eine Anwendung auf
politische Bewegungen zu verhindern. Man strich die Passage, daß es
tatbestandmäßig sei, wenn diese Gruppierungen "erheblichen Einfluss auf
Politik und Wirtschaft" ausüben wollten. Dieser Paragraph ("Kriminelle
Organisation") wäre in der ursprünglichen Fassung mit ein wenig Phantasie
auch auf die jetzt thematisierten Staatsverweigerer anwendbar gewesen -- in
der reformierten Fassung aber nicht mehr.

Die Schaffung einer neuen Strafrechtsnorm zur Kriminalisierung politischer
Vereinigungen ist daher nur verständlich. Wenn man sich die Erläuterung zum
neu einzuführenden § 246a StGB anschaut, kann einem schon das Gruseln
kommen. Da beschwert sich der innenministerielle Legist darüber, daß es da
Leute gibt, die versuchen "bestehende staatliche Strukturen zu lähmen" und
daß sie sich unter anderem mit "zahlreichen Eingaben mit nicht schlüssigem
Inhalt" gegen staatliche Verfolgung wehren. Horribile dictu! Das sind ja
Bürger, die die Legitimität das Staates in Zweifel ziehen, sich wehren und
lästig sind! Wenn dieser Paragraph tatsächlich in Kraft tritt, kann damit
fast jede Unmutsäußerung verbunden mit lächerlichsten Delikten (als Beispiel
führen die Erläuterungen ja sogar die Straßenverkehrsordnung an)
kriminalisiert werden -- eine Radldemo von "Critical Mass" wäre da
wahrscheinlich tatbestandsmäßig.

Da dies ein neuer Paragraph wäre, bestünde dazu noch keine diesbezügliche
Judikatur. Lediglich einige wenige Rechtssätze prinzipieller Natur über
andere Rechtsnormen stünden da zur Verfügung. Staatsanwälte und Gerichte
müßten sich daher weitgehend an die "historische Interpretation" halten,
also eben diese Erläuterungen, in denen klar wird, welche Intentionen der
Gesetzgeber bei Erlaß verfolgte. Danach würde dann angeklagt und verurteilt.

Dazu kommt die Schwammigkeit des Paragraphen: Wenn irgendeine Behörde der
Meinung ist, daß es da eine Gruppe von Menschen gäbe, die auch nur vorhätte,
irgendwas Illegales zu unternehmen, dann sind jene Leute, von denen diese
Behörde annimmt, daß sie zu dieser Gruppe gehörten, reif fürs Kriminal.

Ein Staat, der solche Gesetze erläßt und in Folge solche Urteile spricht,
sorgt selbst dafür, daß seine Legitimität angezweifelt wird. Und eine
Autorität, die mit Gefängnis droht, wenn sie ins Lächerliche gezogen wird,
macht sich schon selbst lächerlich.
*Bernhard Redl*


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