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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 15. März 2017; 14:50
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Glosse:

> Von Erdogan zu Öcalan: Über Demokratie und so...

Abdullah Öcalan ist wirklich nicht eine meiner Ikonen. Grundsätzlich habe
ich so was wie Ikonen nicht. Ich finde es auch immer seltsam, wenn KurdInnen
mit Öcalan-Fahnen demonstrieren. Allerdings ist das auch verständlich. Im
wesentlichen sitzt er wegen dem selben ein wie Nelson Mandela. Während über
Nelson Mandela heute selbst von konservativen PolitikerInnen in den höchsten
Tönen gesprochen wird, sitzt Öcalan ein, weil er den gegenwärtigen und
vergangenen Machthabern als Terrorist gilt. Dieser ist nach solchen
Maßstäben genauso Terrorist, wie es Mandela war. Beide haben den bewaffneten
Kampf gegen Unterdrückung als ihre einzige Möglichkeit gesehen. Nun, man
kann ja auch Gewalt als politisches Mittel ablehnen und trotzdem darf man
Öcalan und Mandela nicht in diese Box werfen. Aber nichts anderes passiert
in Europa, insbesondere Deutschland.

Just wo konservative, sozialdemokratische und liberale PolitikerInnen auf
die Barrikaden steigen gegen Auftritte von Erdogan und Konsorten, verbietet
man in Deutschland weitere Symbole der kurdischen Bewegung, der wohl
nennenswertesten Opposition in der Türkei, die bei aller Fragwürdigkeit in
mancher Hinsicht, trotz allem ein demokratischer Hoffnungsschimmer ist. Nun
werden Öcalan-Fahnen verboten. Sich für dessen Freilassung einzusetzen, ist
also untersagt. Man stelle sich vor, Mandela-Fahnen, -Aufkleber, -Buttons
wären in der Anti-Apartheidsbewegung untersagt gewesen.

Was ist das für eine scheinheilige Politik? Es geht den europäischen Eliten
nicht um Meinungsfreiheit, Demokratie und Menschenrechte in der Türkei --
und auch immer weniger in Mittel- und Westeuropa. Sie sind selbst tief
durchzogen von Nationalismus und sie spielen schon länger das Spiel von
Erdogan, nicht als dessen Marionetten, sondern als dessen scheinbare
Widersacher, die sie nicht sind. Sie sind Opportunisten gegenüber der
extremen Rechten. Sie reden von der globalisierten Welt, können aber nicht
verstehen, dass türkische Politik auch hier stattfindet, aber sie stärken
lieber Freihandelsabkommen als Meinungsfreiheit und sind bloß "besorgt" über
die Geschehnisse in der Türkei. Über ein Jahrzehnt hat die EU im Rahmen der
Beitrittsgespräche mehrere Milliarden für die "Stärkung des Rechtsstaates
und der Demokratie" in die Türkei investiert, damit am Ende eine
(Semi-)Diktatur herausschaut, die uns die Flüchtlinge vom Hals schaffen
soll. Sie kritisieren die Türkei, weil sie genauso Nationalisten sind und
sich gegenüber den Rassisten und Rechtsextremen in der Innenpolitik
profilieren wollen. Das in den vergangenen beiden Jahren mehrheitlich
kurdische Städte in Schutt und Asche gelegt wurden, Tausende vertrieben
wurden und Erdogan Wahlen unter Militär und Polizeipräsenz so organisiert
hat, dass er sich wieder eine Mehrheit im Parlament holen kann, stört sie
nicht.

Aber die Türkei und die Türken sind ein gutes Feindbild. Die Kurden, sind zu
links und, naja, für die meisten EuropäerInnen gibt es da eh keinen
Unterschied. Die Geschichte der Türkei ist allerdings eine sehr europäische
und sie war immer ein Faktor im europäischen Machtgefüge. Im 1. Weltkrieg
waren sie mit Deutschland und der K.u.K. Monarchie voll dabei. Im 2.
Weltkrieg war man dann offiziell neutral, lies sich die Neutralität durch
die Schenkung der Provinz Hatay (früher französisches Mandatsgebiet Syrien)
1939 abkaufen. Insgeheim hat man die Nazis mit Rohstoffen beliefert. Nach
dem 2. Weltkrieg stand man auf Seiten des Westens und unterdrückte die
türkische Linke brutal und verübte Massaker an der kurdischen Bevölkerung,
die die Sowjetunion in ihrem Kampf unterstütze. Diese Unterstützung war
durchaus auch von Opportunismus getragen, wie das gegenteilige Beispiel der
autonomen kurdischen Republik im Iran Ende der 40er Jahre zeigte, die man
schnell nach 2 Jahren fallen lies.

Die Türkei war somit angesehenes Mitglied der Nato und das Kuba der USA
gegen die Soviet Union, was Atomwaffen betraf. War der Widerstand aus der
Bevölkerung, der eher links getragen wurde, zu massiv oder bewegten sich die
Machthaber hin zu einer offeneren liberalen Demokratie, wurde vom Militär
geputscht, mit Billigung oder Unterstützung von NATO und USA. Hingerichtet
wurden dabei vor allem Linke. Die permanente Zerschlagung der Linken öffnete
auch zunehmend den Weg für den politischen Islam, in seinen
unterschiedlichen Schattierungen. Mit der politischen Situation in der
Türkei sind wir eng verwoben. Der Zustand der Demokratie in der Türkei hat
auch was fundamental mit unserer Demokratie zu tun.

Und da stehen wir nun.

Anstatt zu sagen: 'Erdogan und Konsorten sollen hier reden, also wollen wir
auch am am Taksim Platz demonstrieren und eine Rede halten', wird die
Situation zunehmends eskaliert. Wir sollten ihn reden lassen und mit allen
progressiven Kräften in der Exil-Community gemeinsam demonstrieren, um nicht
nur die Demokratie in der Türkei zu erkämpfen, sondern unsere eigene zu
stärken. Und: Ich würde sogar mein Türkisch so verbessern, dass ich eine
Rede auf diesem denkwürdigen Platz, dem Taksim, halten könnte. Open Mic am
Taksim. Das wäre was.
*Cengiz Kulac*


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