**********************************************************
akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 22. Februar 2017; 16:28
**********************************************************

Linke Strategien:

> Atempause!

Ein Gegenvorschlag zur Idee von SOS Mitmensch

Populistenpause! Ein hübscher Vorschlag. Tatsächlich wird das für viele
nicht leicht, die jeden Bumsti-Furz kommentieren, sich aber an den Vorschlag
von SOS Mtmensch halten wollen. Aber das Problem ist komplexer.

Zum einen ist da natürlich dieser Begriff, hier seien meine Einwände aus
akin 5/2016 (1)
nur kurz erwähnt: Das Wort vom "Populismus" ist demütigend
für das als "dumm" angesehene "einfache" Volk, das die Populisten wählt.
Denn die vox populi erscheint damit verachtenswert; nur die gebildeteren
Schichten, die nicht Strache und Co. wählen, wissen ja, was gut für den
Plebs ist. So kommt dieser Begriff daher. Das ist schon mal keine gute
Diskussionsbasis für die Auseinandersetzung mit Anhängern rechter Politiker.

Zweitens: Wenn wir bei dem mittlerweile etablierten Begriff bleiben wollen,
stellt sich doch die Frage, wer denn jetzt genau die rechten Populisten
seien. Sind das hierzulande nur Strache, Hofer, Lugar und deren Gesellen?
Mir fallen da ganz andere Namen ein: Kurz, Sobotka, Doskozil -- Politiker,
die der Boulevard liebt und die Positionen haben, die man als weit rechts
stehend ansehen kann, die aber -- im Unterschied zur Bumsti-Partie --
tatsächlich zumindest teilweise ihre Vorstellungen unmittelbar durchsetzen
können. Sollen man auch die mit Bann belegen und einen Monat lang deren
Existenz ignorieren? Oder sind Populisten nur diejenigen, die in der
Opposition sitzen?

Drittens: Das Vorhaben ist prinzipiell löblich, da ein diesbezüglicher
Lernprozeß schon lange notwendig wäre. Schließlich ist es richtig, daß nicht
zuletzt bestimmte Formen der Publizität mit echtem oder aufgesetztem
antifaschistischen Engagement die FPÖ mit groß gemacht hat -- man erinnere
sich nur an die unzähligen Haider-Covers des "profil"in den 90ern.
Anti-Haider- und Anti-Strache-Texte verkauften und verkaufen sich halt immer
gut -- egal ob jetzt in monetärer Hinsicht oder nur im Sinne des
Aufmerksamkeitsgewinns. Nur: Hätte man all deren Meinungen vollkommen
unwidersprochen im Raum stehen lassen sollen? Denn wenn jetzt einen Monat
lang wir Gutmenschen nicht über Strache reden, halten sich ja weder der
Boulevard noch die mit Bann Belegten selbst wohl kaum an diesen Vorschlag.

Der Bann ist prinzipiell eine gute Idee -- nicht nur einen Monat lang,
sondern dauerhaft. Nur müßte er anders passieren. Mit einem guten Gefühl,
worum es eigentlich geht, hat SOS Mitmensch in seiner No-go-Liste ganz am
Anfang die "Sozialen Medien" angeführt. Einzeilige Pfui-Rufe und lustige
Bildchen von Strache, angeheitert in einer Disko, sind wirklich verzichtbar.
Unaufgeregte Auseinandersetzung mit den Positionen von Strache über Sobotka
bis Doskozil ist aber auch weiterhin dringend notwendig. Klare, gut
argumentierte Positionierungen gegenüber Rechten -- egal ob in gedruckten
Kommentaren oder einem Facebook-Posting -- sind sicher auch weiterhin nicht
verkehrt. Dabei ist es sicher empfehlenswert, den Focus von den handelnden
Personen weg zu den inhaltlichen Fragen zu verschieben, doch wird es
wahrscheinlich oft genug nicht möglich sein, diese Personen gänzlich
unerwähnt zu lassen. Wir brauchen keinen verkrampften Namensbann, sondern
ein Vermeiden von empörten Schnellschuß-Postings, nach denen wir uns besser
fühlen, weil wir das Gefühl haben dürfen, unserer fortschrittlichen
Gesinnung Genüge getan zu haben.

Not tut eine Publizistik, die es auch nicht dabei beläßt, daß eine bestimmte
Position als "rechts" einzuordnen sei -- explizite oder auch nur implizite
Vergleiche mit historischen rechten Bewegungen und Regimen jucken die
Anhänger rechter Politiker kaum mehr. Den eingefleischten Spießer oder
verbohrten Nazi wird man sowieso nicht überzeugen können, aber für
diejenigen, die noch ernsthaft diskutieren wollen, müßte ein Angebot da
sein -- nicht zuletzt oder gerade in den Social-Media-Foren. Einfachen
Losungen sollte man da aber eben nicht mit ebenso einfachen Losungen
begegnen. Denn genau das ist der Populismus-Vorwurf ja auch: Die Kritik
daran, die Dinge der Welt zu vereinfachen. Genauso einfach also "Nazi!
Nazi!" schreien oder den FPÖlern vorzuwerfen, daß sie Rechtschreibprobleme
haben, ist da auch nicht viel anders als das, was die "Populisten" machen.

Vielleicht klingt es seltsam und altbacken, aber die Kritik an der Rechten,
den Rechtsextremen, den Populisten oder wie auch immer wir sie nennen
wollen, muß seriöser werden. Wir müssen wieder erklären, warum Humanität,
Solidarität und soziale Gerechtigkeit bessere Forderungen, Argumente und
Werte sind als die, die von den "Populisten" innerhalb und außerhalb der
Regierung aufs Tapet gebracht werden. Und dann können wir deren Namen ruhig
erwähnen und müssen es sogar, um die Widerwärtigkeit des Handelns dieser
Personen klarzustellen.

Ja, Pausen wären angesagt. Denn wohl sind Atem- oder Nachdenkpausen
sinnvoll, bevor man in die Tastatur zu hacken beginnt. Einen Schweigemonat
hingegen brauchen wir nicht wirklich.
*Bernhard Redl*

(1) Im Web: http://akin.mediaweb.at/2016/05wort.htm



***************************************************
Der akin-pd ist die elektronische Teilwiedergabe der nichtkommerziellen
Wiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd muessen aber nicht
wortidentisch mit den in der Papierausgabe veroeffentlichten sein. Nachdruck
von Eigenbeitraegen mit Quellenangabe erbeten. Namentlich gezeichnete
Beitraege stehen in der Verantwortung der VerfasserInnen. Ein Nachdruck von
Texten mit anderem Copyright als dem unseren sagt nichts ueber eine
anderweitige Verfuegungsberechtigung aus. Der akin-pd wird nur als
Abonnement verschickt. Wer versehentlich in den Verteiler geraten ist, kann
den akin-pd per formlosen Mail an akin.redaktion@gmx.at abbestellen.


*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1170 wien, Lobenhauerngasse 35/2
vox: ++43/1/535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
http://akin.mediaweb.at
Blog: https://akinmagazin.wordpress.com/
Facebook: https://www.facebook.com/akin.magazin
Mail: akin.redaktion@gmx.at
Bankverbindung lautend auf: föj/BfS,
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976-00, Zweck: akin
IBAN AT041200022310297600
BIC: BKAUATWW