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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 1. Februar 2017; 12:47
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Kommentierte Terrorschau:

> Mahnende Leitartikel

Während sich Boulevard und Qualitätsblätter derzeit gegenseitig darin überschlagen, die an sich schon hysterischen Berichte von Polizei und Innenministerium über angebliche Terroristen noch weiter zu übertreiben, finden sich in den Kommentaren einige mahnende Stimmen, denen das dann doch alles ein bißchen zuweit geht:

Im Leitartikel von Gabriele Starck in der Tiroler Tageszeitung vom 23.1. heißt es unter dem Titel "Riskantes Spiel mit der Angst": "Wenn ÖVP-Chef und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner nun aber wie gestern ein Sicherheitspaket für "eine wehrhafte Demokratie" fordert, dann sollte er die Abwehr von Feinden der Demokratie nicht nur an rechtlichen, polizeilichen und sicherheitspolitischen Instrumenten festmachen. Um die christlich-soziale Konrad-Adenauer-Stiftung zu zitieren: ‘Damit unsere Demokratie lebendig und stark -- ‘wehrhaft’ -- bleibt, ist das aktive Eintreten der Staatsbürger für demokratische Werte entscheidend. Wir alle müssen dafür einstehen.’ Eine wehrhafte Demokratie darf eben nicht müde werden zu argumentieren und nicht aufhören, Grundrechte zu verteidigen sowie Minderheiten und Schwache zu schützen. Die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten und das Erstarken politischer Kräfte, für die das Volk nur jene sind, die sie gewählt haben, zeigen: Demokratische Werte können nicht nur durch Terroristen in Gefahr geraten. Demokratische Werte zersetzen sich auch von innen heraus." (1)

Unter dem Titel "Starker Staat, was nun?" schreibt Ulrike Weiser am selben Tag: "Jetzt ist er also fast da. Der Terror. Ein 18-jähriger Wiener mit albanischen Wurzeln soll einen Terroranschlag geplant haben. Möglicherweise auf die U-Bahn. Möglicherweise mit einer Bombe. [...] Auffallend ist auch, dass vor allem ‘harte’, technische Maßnahmen gefordert werden. ‘Weiche’ und solche mit menschlichem Wissen dagegen kaum. Doch man darf ‘soft’ und ‘hart’ nicht gegeneinander ausspielen. Das Attentat von Berlin passierte auch, weil Ermittler den Täter falsch einschätzten. Es braucht mehr Beamte, die Information einordnen können. Und mehr Prävention. Im Wettkampf der harten Hunde wird sie belächelt. Zu Unrecht: Wer die Studie über Wiener Jugendzentren gelesen hat, die Gerichtsprozesse rund um radikale Prediger verfolgt, weiß, wo Gefahren für junge Menschen lauern. Der mutmaßliche Wiener Täter war 18, arbeitslos, kleinkriminell. Er passt ins Schema. Natürlich kann man Gefahr nicht weg-integrieren. Aber Sozialarbeiter kommen mitunter dorthin, wohin es keine Kamera schafft. In den Kopf junger Menschen." (2)

Doch so schnell kanns gehen: Diese beiden Kommentare stammen vom vorvorigen Freitag. Was der Innenminister damals noch alles an Wunschträumen hatte, wie er sich Polizeiarbeit künftig vorstellt, ist mittlerweile akkordiertes Regierungsprogramm
(1) http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20170122_OTS0033/
(2) http://diepresse.com/home/5158079

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> Terroristen auf den Wiesen

"Am 26. Jänner 2017 erfolgten über Anordnung der Staatsanwaltschaft Graz Zugriffe in Graz und Wien. In den beiden Städten wurden jeweils vier Verdächtige festgenommen. In Graz erfolgten zehn Hausdurchsuchungen, in Wien sechs. Dabei wurden hauptsächlich elektronische Geräte und Datenträger beschlagnahmt. Mehrere Personen standen im Verdacht, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein. Insgesamt waren bei den Einsätzen in Wien und Graz 800 Polizistinnen und Polizisten im Einsatz. ... Innenminister Mag. Wolfgang Sobotka sprach von einem ‘außerordentlichen Erfolg der Ermittler und dankte allen Einsatzkräften’." So die Aussendung des Innenministeriums am 26.Jänner. Langsam wirds öd. In Österreich gibt es keine Terroranschläge, sondern nur verhinderte. Entweder ist es so, daß die Polizei so fit ist, daß sie jeden geplanten Terroranschlag schon im Keim ersticken kann. Oder sie verhindert ständig irgendwelche Anschläge, die sowieso nie stattgefunden hätten. "Vereinzelt springen Terroristen über Wiesen. Wie chic. Die Fotoapparate sind gezückt. Die alten Bürgerseligkeiten sprießen, die Rettung, Freunde, ist geglückt." So heißt es bei Konstantin Wecker im Lied "Frieden im Land". Daran muß der Zeitungsleser angesichts solcher Berichte denken. Und daran, daß es schon interessant ist, daß man jetzt ganz viele Terroristen ausgerechnet in Graz gefunden hat, wo gleich Gemeinderatswahlen stattfinden.
http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20170126_OTS0213

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> Am Westbahnhof ist eh nix

Die "Bezirkszeitung" (bz) liefert eine wunderschöne Reportage über die gar grauenvollen Zustände am Wiener Westbahnhof, die in anderen Medien derzeit breitgetreten werden. Unter dem Titel "Kriminalität am Westbahnhof: ‘Es is eigentlich eh nix’" gibt Theresa Aigner nämlich Entwarnung. Die Interviewpartner der Autorin: "Sozialarbeiter von SAM, ÖBB-Bedienstete, Mitarbeiter der Restaurants oder die Polizei" -- die meisten von ihnen wollten allerdings nicht viel sagen. "Dass eigentlich ‘eh nix’ sei, ist der Grundtenor, der sich durch all die Gespräche zieht -- namentlich will sich zu dieser Aussage trotzdem niemand bekennen. Mit ‘eh nix’, meinen sie vor allem: Niemand ist hier, um Gewalt auszuüben, es sind keine organisierten Schlägerbanden oder ähnliches, die Ordnungskräften und Bediensteten hier zu schaffen machen. Wenngleich außer Frage steht, dass es in den vergangenen Wochen am Westbahnhof – wie an anderen Orten des öffentlichen Raumes – auch zu Auseinandersetzungen gekommen ist. Viel mehr geht es um etwas anderes: Gruppen von Jugendlichen, die den Westbahnhof und die dazugehörige Fress- und Shoppingmeile als ihren favorisierten Platz zum ‘abhängen’ auserkoren haben."

Das nun so oft beschriebene Problem mit den Jugendlichen sehe so aus: "Sie kommen größtenteils aus Afghanistan und finden sich in Grüppchen zusammen. Hinter vorgehaltener Hand wird die ‘Rudelbildung von Menschen die anders ausschauen’ als Grund für die Verunsicherung der Passanten genannten. Die Jugendlichen treffen sich vor dem McDonalds, auf dem Bahnsteig oder bei den Sitzbänken am Bahnhof. Sie surfen im Internet, unterhalten sich, rauchen am Bahnsteig. ... Das Internet hat die ÖBB gekappt -- mit mäßigem Erfolg, da einzelne Geschäfte ihren Kunden nach wie vor Gratis WLAN anbieten."

Die wirklichen Sorgen um den Westbahnhof bringt der Mitarbeiter eines Imbisses auf den Punkt: "Mit Kriminalität haben wir hier kein großes Problem. Mein Problem ist, dass die Umsätze um 60 Prozent zurück gegangen sind, seit hier nur mehr Regionalzüge ankommen."
http://www.meinbezirk.at/favoriten/lokales/kriminalitaet-am-westbahnhof-es-is-eigentlich-eh-nix-d2002123.html

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Wenn nicht anders angegeben beziehen sich die Zitate auf die Online-Ausgaben der Medien. Zeitungsleser: -br-



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