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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 1. Februar 2017; 12:31
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Ö:
> Der Kern-Sobotka-Pakt
Wer das neue Regierungsübereinkommen liest, muß sich fragen, wo denn da noch
der große Unterschied zu einer Regierung Strache zu finden wäre.
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Als Heinz Fischer in seinem ersten Präsidentschaftswahlkampf gefragt worden
ist, was ihm zu "Speed kills" einfällt, meinte er: Dies sei "ein Ausdruck von
Andreas Khol. Er bedeutet: Je rascher man etwas durchpeitscht, umso weniger
können sich die Betroffenen wehren." Khol hatte diesen Ausdruck gebraucht für
die Politik der schwarz-blauen Regierung. Das wäre auch derzeit recht treffend.
Da hat nun unser Kanzler gerade mal eben seine "Plan A"-Rede gehalten, der ÖVP
die Rute von Neuwahlen ins Fenster gestellt -- und schon gibt es ein neues Regierungsprogramm.
Viel Theaterdonner dazu, aber inhaltlich kaum Unterschiede zwischen den Vorstellungen
des SPÖ-Chefs und der ÖVP. Denn die gerade frisch geäußerten Law-and-Order-Phantasien
des Innenminister passen wunderbar zu Kerns Verknüpfungen der Themen "Flucht
und Migration" und "Sicherheit" -- und sind auch schon Teil dieses Regierungsübereinkommens.
Man liest in der Präambel: "Eine fundamentale Aufgabe der Politik sehen wir
im Schaffen und Sichern von individuell empfundener Sicherheit. In unserem Land
darf es keine Regionen geben, in denen Frauen am Abend Angst haben, auf die
Straße zu gehen. Integration hat der Prämisse Fördern und Fordern zu folgen.
Wir bieten Integrationswilligen Chancen und Angebote. Wer aber nicht bereit
ist, die Werte der Aufklärung zu akzeptieren, wird unser Land und unsere Gesellschaft
auch wieder verlassen müssen." Die FPÖ hätte es wohl nicht anders formuliert.
Auf Stammtisch-Deutsch heißt das: ‘Die Tschuschengfraster haben gefälligst ihre
Pfoten von unseren Frauen zu halten. Die sollen dorthin gehen, wo sie herkommen.’
Und genau so soll es wohl auch verstanden werden.
Diese autoritäre Grundhaltung zieht sich durch das ganze Programm. Einige Punkte
daraus seien näher beleuchtet.
Arbeit und Bildung
Thema Arbeit: "Nach der schrittweisen Senkung der Lohnnebenkosten im Ausmaß
von 1 Milliarde Euro werden die Lohnnebenkosten noch einmal gesenkt. Dazu wird
ein Beschäftigungsbonus für die Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze eingeführt."
Sprich: Für die Unternehmer (das Großkapital, Kleinunternehmen werden davon
kaum profitieren können) gibts einen Nachlaß von 50% der Abgaben auf drei Jahre.
Für die Lohnabhängigkeiten gibts die Forderung "Mobilität am Arbeitsmarkt erhöhen".
Das ist zwar im Regierungsprogramm recht freundlich formuliert mit ganz viel
Freiwilligkeit und Förderung, wird in der Praxis aber wohl bedeuten, das die
Zumutbarkeit eine Umzugs oder eines Pendlerschicksals am AMS ausgedehnt werden
wird. Immerhin: Die Forderung nach dem Mindestlohn ist auch in dem Paket. Definitiv
steht in der Vereinbarung, daß die Regierung spätestens im 3.Quartal einen entsprechenden
Beschluß treffen werde, wenn die Sozialpartner nicht dazu zu bewegen sind.
Für Asylwerber wird es diesbezüglich allerdings besonders lustig: Aus der Forderung,
ihnen einen ordentlichen Arbeitsplatz zuzugestehen, wurde Folgendes: "Arbeitsmarktintegrationsgesetz
(Integrationsjahr) -- Etablierung eines verpflichtenden Integrationsjahres für
AsylwerberInnen mit hoher Bleibewahrscheinlichkeit, Asylberechtigte und subsidiär
Schutzberechtigte; Dauer: mindestens 12 Monate verpflichtende Teilnahme, je
nach Qualifikationsstatus verpflichtend verlängerbar; ... Wird die Teilnahme
am Programm oder einzelnen Modulen verweigert kommt es zu harten Sanktionen
(sofortiges Durchschlagen auf sämtliche Unterstützungsleistungen – Sozialhilfe/BMS/Leistungen
aus dem Titel der Arbeitslosenversicherung)". Letztendlich bedeutet das im Klartext
Zwangsarbeit.
Ähnliches gilt für die "Beschäftigungsaktion 20.000". Das kommentieren die "Aktiven
Arbeitslosen" in einer Aussendung wie folgt: "Statt endlich die Arbeitszeit
zu verkürzen und via bedingungsloses Grundeinkommen die Digitalisierungsgewinne
auf alle Menschen aufzuteilen, verschärft die Rot-Schwarze Regierung das auf
Gewalt beruhende Arbeitszwangregime: Ältere sollen in 20.000 pro Jahr zu schaffende
gemeinnützige Zwangsarbeitsstellen bei Gemeinden und vermeintlich gemeinnützigen
Trägervereinen und Unternehmen gezwungen werden, wo nicht nur erfahrene Menschen
mit einer sittenwidrig niedrigen Pauschalentlohnung abgespeist werden, sondern
sollen über ‘Coachingmaßnahmen’ überwacht werden."
Nächster Punkt im Pakt: "Vermeidung von Gewinnverschiebungen". Tja, das mit
der Steuervermeidung durch internationale Konzerne ist nicht ganz so einfach.
In dem Regierungspapier sind wirksame Maßnahmen nur in der Umsetzung der schon
auf EU-Ebene und international ausverhandelter sog. BEPS-Regelungen vorgesehen
-- wozu sich die Regierung ja sowieso schon völkerrechtlich verpflichtet hat.
National fällt ihnen nur ein, die Werbeabgabe auch auf Online-Medien auszudehnen.
Blöd, daß diese Abgabe aber von den Medieninhabern zu berappen ist -- wie ausländische
Medieninhaber zur Kasse gebeten werden sollen, bleibt einstweilen noch unklar.
Und ebenso, inwiefern das etwas nutzen soll, wenn Starbucks in Österreich so
gut wie keine Steuern zahlt.
Und da gäbs noch die Halbierung der Flugabgabe --zur Standortsicherung des Flughafens
Wien. "Die Tarifreduktion bei der Flugabgabe soll zudem den Konsumentinnen und
Konsumenten zu Gute kommen. Im Jahr sind das über 10 Mio Betroffene." Stimmt
so halt aber nicht: Nein, das sind über 10 Mio Flüge -- profitieren werden da
vor allem die Vielflieger, also das sogenannte Jet-Set. Aber die früheren Managerkollegen
des Herrn Kern wird es sicher sehr freuen.
Bildung? Kommentar von der Nationalratsgrünen Sigrid Maurer auf Facebook dazu:
"Mit dem heute präsentierten Regierungsprogramm wird die neoliberale Wissenschaftspolitik
Mitterlehners mit tatkräftiger Unterstützung Kerns fortgesetzt wie immer schon
geplant: weitere Zugangsbeschränkungen (als nächstes Fach wird offenbar Jus
beschränkt), die Forschungsprämie (eine Standortprämie für große Unternehmen)
wird nochmals erhöht. Erwähnt wird auch die Erhöhung der Studienbeihilfe und
100 Millionen für die Nationalstiftung. Das ist aber eigentlich alles nix Neues:
die Studienplatzfinanzierung steht schon seit Beginn im Regierungsübereinkommen,
die Forschungsprämienerhöhung hätte eigentlich das Ergebnis der Evaluierung
abwarten sollen und das Bekenntnis zur Erhöhung der Studienbeihilfe hören wir
seit Jahren."
Die Laptops für alle in der Schule? Wer soll das bezahlen? Erklärung der Regierung:
"Das konkrete Finanzierungsmodell (z. B. PPP-Modelle, BBG, Kooperationen mit
der Industrie etc.) wird bis Sommer 2017 erarbeitet." Die Industrie tut aber
wohl nix umsonst. Und so werden sich wohl Microsoft und Co. freuen dürfen, daß
auch die nächste Generation an den Big Playern haften bleibt.
Fußfessel, G-Kartei und Co.
Das ist aber fast alles nichts gegen den Punkt 4 der Vereinbarung: "Sicherheit
und Integration": Registrierung von Prepaid-Handies, Ausweispflicht gegenüber
Schaffnern und Taxlern, Bundestrojaner für Skype und WhatsApp, Straftatbestand
"Staatsfeindlichen Bewegungen", "Anlassspeicherung von Telekommunikationsdaten"
(faktisch eine Vorratsdatenspeicherung light), "Sicherheits- und Krisenmanagementgesetz"
(was leicht zu einer autoritären Regierung für den Ausnahmezustand werden könnte),
das Kennzeichenerfassungssystems der ASFINAG zur Fahndung verwenden, Cybersicherheitsgesetz
(was immer das auch sein soll), Vernetzung der Videoüberwachungsanlagen und
und und... Die Liste ist lang. Besonders fallen dabei aber auf:
Die Fußfessel für "Gefährder": Die argumentiert das Regierungspaket als gelinderes
Mittel als die Untersuchungshaft. Nur: Untersuchungshaft ist nur dann zulässig,
wenn der dringende Verdacht einer strafbaren Handlung vorliegt (wobei auch schon
eine konkrete Vorbereitungshandlung zählen kann oder auch der Aufruf dazu, also
ein "abstraktes Gefährdungsdelikt") UND ein konkreter Haftgrund vorliegt, also
Tatbegehungs-, Verdunkelungs- oder Fluchtgefahr. Hier wäre tatsächlich in manchen
Fällen die Fußfessel als Form des Hausarrests eine Alternative. Allerdings bräuchte
es dazu keine Gesetzesänderungen und man müßte so etwas daher auch nicht in
einem Regierungsplan festlegen.
Was hier gewollt ist, ist ein Mischung aus Überwachungs-, Sicherungs- und Strafmaßnahme
für Personen, die eben nicht dringend tatverdächtig sind. Das ist irgendwas,
aber sicher nichts, was mit dem Rechtsstaat zu tun hat, weil in einem solchen
genau definiert werden muß, warum welche Maßnahme ergriffen werden soll.
"Wer immer die Republik Österreich und seine Bürger gefährdet, muss mit ihrer
härtesten Waffe rechnen – dem Rechtsstaat". Sagt die ÖVP-Justizsprecherin Steinacker.
Nu, den Innenminister aus ihrer Partei wird sie wohl nicht gemeint haben. Aber
auf den trifft die Definition voll zu.
Ein ziemlicher Hammer ist auch das: "Um einen besseren Informationsfluss (erweiterte
Datenverarbeitungsbefugnis) zwischen Betreuungseinrichtungen, Ärzten und Sicherheitsbehörden
bei Verdacht einer psychischen Erkrankung (Vorfall Brunnenmarkt) zu schaffen,
bedarf es weiters auch neuer Regelungen im SPG." Ja, das hatten wir schon mal.
Hier wird nichts weniger gefordert als die Wiedereinführung der berüchtigten
Geisteskrankenkartei (die man erst 1997 aus Gründen der Stigmatisierung abgeschafft
hatte) und die Abschaffung des ärztlichen Vertrauensverhältnisses.
Und natürlich das Vollverschleierungsverbot -- was bedeutet, daß Frauen, die
sich verschleiern müssen (egal weswegen), gar nicht mehr auf die Straße gehen
werden können. Ein Witz ist auch die Formulierung für den öffentlichen Dienst:
"Der Staat ist verpflichtet, weltanschaulich und religiös neutral aufzutreten.
In den jeweiligen Ressorts wird bei uniformierten ExekutivbeamtInnen sowie RichterInnen
und StaatsanwältInnen darauf geachtet, dass bei Ausübung des Dienstes dieses
Neutralitätsgebot gewahrt wird." Das heißt wohl nicht, daß die Kruzifixe von
Schulwänden und Richtertischen verschwinden werden. So neutral wird man es dann
wohl auch nicht wollen.
"Migration dämpfen" -- "Die Bundesregierung wird die Zahl der in Österreich
ankommenden und rechtswidrig aufhältigen Migranten massiv reduzieren. Die zuständigen
Minister werden in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich bis Ende Februar das
auf Basis untenstehender Maßnahmen zu erstellende Umsetzungspaket vorlegen.
... Solange der Außengrenzschutz ... nicht funktioniert, sind Kontrollen der
Binnengrenze trotz im Frühjahr 2016 erfolgten Schließung der Balkanroute erforderlich,
um Binnenmigration und Sekundärmigration zu verhindern." Das ist dann wohl das
endgültige Ende der vielgepriesenen Reisefreiheit. Wo genau ist da der Unterschied
zu den Maßnahmen des neuen US-Präsidenten? Und natürlich sollen zu diesem Zwecke
"die sicherheitspolitischen Maßnahmen für den Grenzschutz im Rahmen des sicherheitspolizeilichen
Assistenzeinsatzes des österreichischen Bundesheeres" weiter verstärkt werden
-- was wohl der einzige Beitrag der SPÖ zu diesem Punkt 4 des Übereinkommens
ist, der ansonsten nur aus Forderungen der Herren Sobotka und Kurz besteht.
Resümee
Die Grauslichkeiten in diesem Papier kann man gar nicht alle auf einmal benennen.
Allerdings sei doch noch erwähnt, daß auch nach Meinung der Koalition einige
der Maßnahmen ziemlich viel Geld kosten werden. Man geht von 4 Milliarden Euro
aus. Der Großteil dieser Kosten soll durch "Einsparungen, Minderausgaben und
Umschichtungen" hereingebracht werden. Womit auch Einiges gesagt ist, was explizit
nicht in dem Papier steht. Denn die Einsparungen werden wohl nicht bei Polizei
und Militär stattfinden.
Es ist ein Paket von dem Herr Lopatka sagt: "Das überarbeitete Regierungsprogramm
folgt klar dem Kurs der ÖVP". Es ist aber auch ein Paket, daß genauso dem "Plan
A" des neuen Kanzlers folgt. Und die FPÖ hat eigentlich keinen echten Grund
zu Kritik. Den Grünen fällt nur ein, daß das Programm "enttäuschend" sei und
unser großartiger neuer Bundespräsident sagt dazu lieber gleich gar nichts.
Kurt Tucholsky schrieb im November 1932, daß es der Stolz eines Sozialdemokraten
wäre, "Schlimmeres verhütet zu haben". Keine drei Monate später war Hitler Reichskanzler.
*Bernhard Redl*
Den kompletten Text des Pakts findet man unter:
http://images.derstandard.at/2017/01/30/170130Arbeitsprogramm1718.pdf
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