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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Donnerstag, 19. Januar 2017; 03:20
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SPÖ / Kern-Rede:
> Ja, mach nur einen Plan!
Christian Kerns Ideen könnten funktionieren. Freuen sollte man sich darüber
wohl kaum. Aber immerhin war seine Rede halt schon eine Hetz.
There is no business like show business. Außer der Politik natürlich. Was
der Kanzler da geliefert hat, war eine Show. Irgendwie auch ein
interessanter Rückgriff -- denn die "Große Rede" ist in bürgerlichen
Demokratien ja völlig aus der Mode gekommen. Sowas kannte man vom jüngst
verstorbenen Maximo Lider oder von chinesischen Parteivorsitzenden. In
unseren Gefilden stehen Politiker zumeist in Interviews Rede und Antwort
oder halten maximal 20 Minuten dauernde Reden im Parlament. Allerhöchstens
Sonntagsreden bei irgendwelchen Parteikongressen dauern länger. Aber so
wirklich die Verkündung des großen politischen Plans, noch dazu Reden, die
schon vorher als großer Event angekündigt und bedeutungsschwanger aufgeladen
werden, gehören eigentlich nicht zum Repertoire der hiesigen Politik.
Unabhängig von den Inhalten war das vor allem der zentrale Punkt bei dieser
Rede: the medium is the message. Da stand einer, der darstellen wollte: 'Ich
bin jetzt der große Macher. Ich werde euch jetzt in eine bessere Zukunft
führen. Folgt meiner charismatischen Erscheinung und ihr werdet euch besser
fühlen.'
Gleichzeitig mit seiner Rede präsentiert der Kanzler seinen "Plan A" -- eine
Broschüre, die aussieht, wie eine Werbung des Tourismusverbands für das
'wanderbare Österreich'. Untertitel: "Das Programm für Wohlstand, Sicherheit
& gute Laune". Ist da jemand selbstironisch? Da will jemand sagen: 'Ich
mache auch gerne Scherze.' oder 'Ich bin ein Kanzler zum Anfassen.' Kein
Wunder, daß in diesem 146-Seiten-Konvolut 41 Fotos des Kanzlers sind -- und
eine Zeichnung. Diese ist übrigens mit persönlichen Zahlenangaben versehen,
wie etwa, wie viel vom "herrlichen Wiener Leitungswasser" er trinkt und
wieviele Energydrinks, wieviel Schokolade er ißt, wieviele Hände er täglich
schüttelt, wieviele Fußballerautogramme er besitzt und wieviele Tweets er
seit Amtsantritt er verfaßt hat.
Da will einer nicht bürokratisch wirken. Böse gesagt: Herrschen mit
menschlichem Antlitz!
Christian Kerns Stimmungsmache liegt irgendwo zwischen Figls "Glaubt an
dieses Österreich!" von 1945 und Kreiskys "modernem Österreich" der 70er.
Und dem alten Werbespruch vom Zgonz: "Raunz nicht, kauf!"
Dementsprechend ist auch sein "Plan A". Da hat er für alle was im Paket. Zu
allererst natürlich das sozialdemokratische Dogma des Arbeitsfetischs.
Bewußt ist er sich wie einstens Figl über die schwierigen Zeiten und träumt
wie Kreisky von der Vollbeschäftigung. Nur daß zu Figls Zeiten der Staat
Österreich und seine Bevölkerung wirklich arm waren und in Kreiskys Amtszeit
Vollbeschäftigung und hohe arbeits- und sozialrechtliche Standards machbar.
Daß es wohl nie mehr wieder Vollbeschäftigung geben wird und die
Gesellschaft sich darauf einstellen muß, ignoriert Kern gerne. Er will ganz
viele neue Arbeitsplätze, aber natürlich keine McJobs -- deswegen die
Forderung nach dem Mindestlohn. Damit bedient er gleichzeitig
unterschiedliche Strömungen in seiner Partei. Genauso macht er es bei den
Themen Sicherheit und Flüchtlinge -- ja, genau, bei ihm ist das eigentlich
ein einziges Thema, genauso wie bei Blau und Schwarz. Er redet auch davon,
daß man Polizisten mehr schützen müsse und die "Handlungsfähigkeit des
Staats erweitern" und auch Bundesheer und Geheimdienste unterstützt werden
müssen. Hinterher schiebt er, daß man das alles nicht den reaktionären
Kräften überlassen dürfte und schon irgendwie die Menschenrechte beachten.
So hat er für alle Flügel seiner Partei was in petto. Auch ein bisserl was
für die Frauengleichstellung, ein bisserl was für die Bildung, ein bisserl
was für Pflege und Gesundheit, ein bisserl was für Kleinunternehmer. Und ein
bisserl Energiewende.
Das sozialdemokratische Publikum in Wels applaudiert brav beinahe nach jedem
Halbsatz Kerns und freut sich über dessen warme Eislutscher. Und wie will
Kern diesen oxymoronischen Plan umsetzen? Tja, darin zeigt sich ganz
besonders der autoritäre Charakter seines Amtsverständnisses. Offensichtlich
will Kern gar nicht Bundeskanzler der Republik sein, sondern deren
Generaldirektor. Mit einem mehrheitsfördernden Wahlrecht will er die Chance
haben, sein Programm durchsetzen. Einmal abgesehen davon, daß er damit im
mehrheitlich reaktionären Österreich riskiert, die SPÖ wieder zur
Oppositionspartei zu machen, steuert diese Idee den österreichischen
Parlamentarismus auf ein Zweiparteiensystem hin. Auch hier bedient Kern
mehrere Strömungen in seiner Partei: Zum einen die Sehnsucht nach einer
autoritären Führung, wo man sich auskennt, es keine Streitereien in der
Regierung mehr gibt und man wirklich nur alle 5 Jahre Wahlkampf hat; zum
anderen die linken Kreisky-Nostalgiker, die sich mit Wehmut an den
"Sonnenkönig" erinnern, der Österreich ja wirklich teilweise aus dem
schwarzen Sumpf geführt hat. Schließlich gab es ja ganz ohne
mehrheitsfördendem Wahlrecht bis 1983 faktisch ein Zweiparteiensystem in
dieser Republik.
Kern hat einen Plan und denkt, er sei ein großes Licht. Ob der Plan aufgeht,
ist noch nicht heraussen. Kern will einfach wieder zurück in die gute alte
Zeit, als noch alles seine Ordnung hatte. Die Sehnsucht danach ist gerade in
diesem Land durchaus häufig anzutreffen. Darauf kann er womöglich aufbauen.
Erfreulich ist das allerdings nicht.
*Bernhard Redl*
Radiotip zum Thema:
Schallmooser Gespräche #130:
Plan A from Bundeskanzler Kern
https://cba.fro.at/332232
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