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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 11. Januar 2017; 09:47
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Glosse:
> Es gibt ein "Oben" und ein "Unten"
Meine Neujahrsansprache
Daß Gesetze und rechtsstaatliche Prinzipien immer Ausfluss von 
Machtverhältnissen und sozialen Kämpfen sind, wurde Anfang dieses Jahres 
wieder sehr deutlich. Und damit auch, welches Gefälle besteht zwischen denen 
da oben und denen da unten. (Schon allein, daß man, wenn man das so 
hinschreibt, in diesen Zeiten von der Bourgeoisie als Mitglied der 
"Neidgesellschaft" geoutet wird und von manchen pseudolinken Bobos als 
postfaktischer, rechtspopulistischer, strukturell antisemitischer, 
intoleranter oder verschwörungstheoretischer Ungustl angesehen wird, spricht 
Bände.)
Dieses Gefälle ist auch zu erkennen an der vieldiskutierten Idee des Herrn 
Kurz, das Tragen von Kopftüchern im öffentlichen Dienst zu verbieten. Er 
argumentierte das damit, daß Österreich ein "säkularer Staat" sei. Die 
heftig geäußerte Kritik an dieser Aussage warf dabei die Frage auf, warum er 
dann nicht auch etwas gegen die Kruzifixe in den Schulen unternehmen wolle. 
Kurzens Antwort war entlarvend: Weil es sich dabei um "historisch 
gewachsenen Kultur" handle. Das ist aber nichts anderes als eine Chiffre für 
kulturelle Hegemonie. Und die wird nunmal diesbezüglich von der christlichen 
Kirche, in Österreich speziell der katholischen, getragen. Diese 
Staatskirche wird Herr Kurz (unabhängig von seiner eigenen religiösen 
Überzeugung) aber natürlich nicht angreifen -- Säkularität hin oder her.
Das gleiche Prinzip gilt bei unserem Polizeiminister. Die elektronische 
Fußfessel war eine Neuerung um etwas weg von der Gefängnisgesellschaft zu 
kommen Doch Sobotka will damit den Rechtsstaat unterminieren, in dem er 
fordert potentiellen "Gefährdern" ein solches Überwachungsgerät zu 
verpassen. Mitglieder der Upperclass, die sich sehr wohl etwas zu schulden 
kommen haben lassen wie etwa der Herr Strasser werden damit gleich 
behandelt, wie Menschen, die völlig unschuldig sind, aber eben nicht zu den 
besseren Leuten gehören. Kleinkriminelle schickt man auch weiterhin in den 
Häfn, die größeren Kaliber dürfen auf die Verbesserungen bei der 
Kronzeugenregelung hoffen.
Apropos Geld: Vor einem Jahr traten die Steuerreform und die 
Registrierkassenpflicht in Kraft. Von der Steuerreform profitierten zwar 
auch mittlere Einkommen, vor allem aber hohe und höchste -- trotz der 
"Millionärssteuer". Die Registrierkassenpflicht betraf aber vor allem 
Kleingewerbetreibende. Gegen Ende 2016 wurde dann auch noch die 
Mindestsicherung, von der man schon bisher kaum leben konnte, in der 
bisherigen Form gekippt. Wenn jemand hierzulande aus dem Ausland ein bisserl 
mehr abgreift, als ihm zusteht, will man gleich ein Gesetz dagegen haben. 
Und seit 1.Jänner sind auch noch die Befugnisse des AMS erweitert worden, 
Notstandhilfebezieher besser zu überwachen.
Ähnlich sind aber auch die Bestrebungen zu sehen, juristisch mehr gegen 
"hatespeech" und "fake news" im Internet vorzugehen -- da ist die Rede immer 
nur von Facebook-Autoren und Bloggern, nicht von den großen Medien oder gar 
Agenturen. Denn die braucht man ja als Referenzquelle, um zu dokumentieren, 
was den die Wahrheit ist und wer die zu Recht hassenswerten Feinde.
Weiter: Menschen, die den Staat ablehnen, sollen kriminalisiert werden --  
das betrifft aber vorgeblich nur "Reichsbürger" und in der Rechtspraxis dann 
vielleicht auch linke Anarchisten, nicht aber den Außen-, den Polizei- oder 
den Heeresminister, die ständig Vorschläge unterbreiten, die 
Rechtstaatlichkeit und Menschenrechte ignorieren.
Dazu paßt auch bestens die Idee allen privaten Überwachungskameras einen 
Link zum Innenministerium zu verpassen. Denn da geht es um den öffentlichen 
Raum -- denn der gehört allen. Mit dem Überwachen von Big Money tut man sich 
dagegen schwer.
Es bleibt dabei: Es gibt dieses "Oben" und dieses "Unten". Aus dieser 
Perspektive muss jede Gesetzgebung und jede Stimmungsmache zuallererst 
betrachtet werden. Hierarchical Mainstreaming könnte man das nennen.
Unser neuer Bundeskanzler hat uns einen "New Deal" versprochen. Für heute, 
Mittwoch, war seine große programmatische Rede erwartet worden. Bislang 
allerdings war von einer Erneuerung nichts zu sehen. Zumindest medial war 
2016 der einzige Aktivposten der Sozialdemokratie der Herr Doskozil. Auch 
das sagt so einiges aus über die Stimmung und die veröffentlichte Meinung im 
Land aus.
2017 wird wohl ein Jahr werden, wo es noch ein bisserl enger wird in 
Österreich. Und eine Linke, die dem etwas entgegenzusetzen hätte, gibt es 
nicht. Das, was sich bei uns für links hält, ist großteils damit 
beschäftigt, vor der FPÖ zu warnen, anstatt diesem "Unten" ein politisches 
Angebot zu machen, das besser ist als das der extremen Rechten. Denn daß 
sich das "Unten" empört, ist weder verhinderbar noch sollte es verhindert 
werden. Es ist nur die Frage, wer den Zorn zu spüren bekommt.
*Bernhard Redl*
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