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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 11. Januar 2017; 09:49
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Glosse:
> Warum Verfassungsrecht nicht fad ist
Die Meinung, die Juristerei wäre generell eine dröge, langweilige und
unverständlich Materie, die im Alltag eh keine/r braucht, hält sich
hartnäckig -- und ist falsch. Aktuelles Beispiel:
Innenminister Sobotka redet (Quelle: orf.at) von einer "Fußfessel für
Gefährder" (whoever that may be, der Begriff ist eher in Deutschland
definiert als bei uns), um sie besser überwachen zu können. Was auf den
ersten Blick vielen logisch erscheint, ist auf den zweiten
hochproblematisch. Denn die Antwort auf die Frage "Was ist die Fußfessel?"
bedingt, ob diese Idee diskutabel oder aber absolut unmöglich ist.
Wenn die Fußfessel, die ja bislang als Ersatz für einen Gefängnisaufenthalt
eingesetzt wurde und mit strikten Anweisungen, bestimmte eng abgegrenzte
Gebiete (idR Wohnung und Arbeitsplatz) nicht zu verlassen, verbunden war,
einen Freiheitsentzug darstellt: dann ginge das nicht ohne Urteil (und ergo
nicht ohne zuvor begangene Straftat). Also: eher nicht möglich.
Argumentiert man, dass sich ein derart überwachter Mensch ja völlig frei
bewegen dürfe, nur eben permanent überwacht, wäre sie nach Art 8 EMRK (Recht
auf Privatleben) zu beurteilen -- dieses Menschenrecht steht aber unter
einigen Vorbehalten, die verhältnismäßige Eingriffe zulassen. Also:
womöglich(!) menschenrechtlich zulässig.
Geht man aber davon aus, dass eine permanente Überwachung ohne vorher
gesetzte "Anlasstat" gegen die Menschenwürde (Art 3 EMRK) verstößt, wäre so
eine Fußfessel jedenfalls(!) unzulässig, weil Art 3 EMRK und die darin
geschützte Menschenwürde notstandsfest sind. Also: absolut
verfassungswidrig.
Drei Sichtweisen, drei mögliche Konsequenzen.
Das sind Fragen, die nicht ganz ohne Bezug auf Rechtsprechung (in Österreich
und speziell auch in Straßburg am Europäischen Gerichtshof für
Menschenrechte) diskutiert werden sollten. Also sine ira et studio,
Meinungen dazu sollten wenn möglich begründet werden. Zugleich gibt es die
Tendenz, in Zeiten gefühlter "Bedrohung" Verfassungsrecht, Menschen- und
Grundrechte mal eben zur Seite zu schieben und jene, die deren Einhaltung
einmahnen, als Spinner, Linkslinke, ahnungslose Idealisten etc.pp. zu
beschimpfen.
Das ist Unsinn. Wer die Einhaltung von Grundrechten einmahnt und deshalb
zumindest eine fundierte Diskussion solcher Vorschläge fordert, besteht auf
der Einhaltung unserer Verfassung. Und die wiederum garantiert unser aller
Freiheit(en), damit aber auch: unsere Demokratie. Nichts weniger.
"Gefährder" wären womöglich nur die Ersten, die es trifft. Hätte man die
Anwendung von Fußfesseln außerhalb des Strafvollzugs (also: ohne ein
rechtskräftiges Urteil wegen einer Straftat) einmal für eine noch so kleine
Gruppe durchgesetzt, wäre es womöglich nur eine Frage a) der Zeit, b) der
jeweiligen parlamentarischen Mehrheiten oder überhaupt c) der einsamen
Entscheidung eines Ministers, sie auf ganz andere Gruppen auszdehnen. Noch
mehr als bei der anlasslosen Speicherung der sogenannten Rufdaten -- die der
Europäische Gerichtshof mehrfach als grundrechtswidrig verworfen hat! --
könnte Sobotkas Idee, pointiert formuliert, ein erster Schritt in den
totalen Überwachungsstaat sein.
Verfassung ist nicht fad -- sie betrifft uns alle.
*Georg Bürstmayr*
G. B. ist Rechtsanwalt in Wien mit den Schwerpunkten (u.a.) Fremdenrecht und
Grundrechtsschutz
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