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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 21. Dezember 2016; 09:15
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Kommentierte Populismusschau (I):

> Grüne Debatte

"Der Richtungsstreit: Er klopft in Person des grünen Urgesteins Peter Pilz
bereits an. Gegenüber profil fordert er den Umbau der Öko-Partei. 'Wir
stehen unabhängig vom Wiener Wahlergebnis vor einer historischen
Entscheidung: Bleiben wir ein Anhängsel von Rot und Schwarz? Ein grüner
Schwanz am halbtoten Hund? Dann liegt unser Plafond als liberale Ökopartei
bei zwölf bis 13 Prozent. Oder bilden wir einen linkspopulistischen Gegenpol
zu den Nationalisten?' Grüne, die es auf Blauwähler abgesehen haben -- das
klingt utopisch. Nicht für Pilz. Das Team Stronach oder die Liste von
Hans-Peter Martin hätten gezeigt, dass FPÖ-Wähler am einfachsten abzuholen
sind. 'Aber wenn uns die 'kleinen Leute' im politischen Erdgeschoss für die
Dachbodenpartei halten, werden sie uns nicht wählen.'"

Stand im "profil" zu lesen (1). Allerdings nicht dieser Tage, sondern vor
mehr als einem Jahr, nach der letzten Wien-Wahl. Ähnliches kommt von Pilz
aber schon seit Anfang der 1990er (auch damals schon per profil), als Eva
Glawischnig noch die Umwelt-NGO "Global 2000" auf brav und ideologiefrei
trimmte. Damals betonte Pilz noch stark die "Professionalisierung", womit
wohl die Gestaltung der Grünen als links orientierte Partei mit straffen
Strukturen gemeint war. Und er meinte im Oktober 1992: "Wenn wir diese
Öffnung schaffen, steht uns beim Aufbruch zu einer großen oppositionellen
Sammelpartei nichts mehr im Wege." (zitiert nach 2)

In damaligen Zeiten wirkten seine Bestrebungen bei vielen Linken noch als
schwer reaktionär und Pilz bekam heftigen Gegenwind -- allerdings nur in
Beiträgen, die nicht im profil, sondern lediglich im grünalternativen
Bezirksgruppenrundbrief und der akin abgedruckt wurden. Seither war bei den
Grünen zwar viel von Professionalisierung zu spüren (Wahlmotivanalysen,
Spindoktoren, autoritärer Führungsstil, sinnentleerte Plakatkampagnen), doch
offensichtlich war es nicht das, was Pilz wollte. Die Grünen haben sich
stark geändert, Pilzens Positionen nicht. Heute wirken diese fast schon
links in Relation zur Belanglosigkeit und Koalitionsfähigkeit der Grünen.
Die "Öffnung" war keine hin zu einer oppositionellen Sammelpartei, sondern
hin zu bürgerlichen, nicht sehr oppositionellen Schichten.

Das lange Ignorieren Pilzens Positionen scheint jetzt aber ein Ende zu
haben -- jetzt gehts ans Bekämpfen: "Glawischnig erklärt Kritiker Pilz den
offenen Krieg" titelt etwas überzogen der "Kurier" (2). Er zitiert die
Bundeschefin: "Also nur eines in aller Deutlichkeit: Es gibt keine
Diskussion bei den Grünen über Linkspopulismus. Es gibt einen einzelnen
Abgeordneten, der bei jeder unpassenden Gelegenheit seit Jahren dasselbe
erzählt."

Daß sowas wie ein Richtungsstreit aber nicht wirklich vorhanden ist, sondern
daß es eher um inhaltsleere Debatten um Taktik und Strategie geht, moniert
Bernhard Jenny auf seinem Blog (3): "für einen richtungsstreit müssten erst
einmal eine, zwei oder fünf richtungen definiert sein, um dann infolge
abzuwägen, welche zu verfolgen sind, welche nicht. mit schwammigkeit werden
keine wahlen gewonnen werden. klare positionierungen sind die voraussetzung,
damit überhaupt ein richtungsstreit stattfinden kann. unterbleiben diese
auch weiterhin, wird also auch in zukunft ohne echte erneuerung weiter
verwaltet, dann wird es auch weiterhin heissen: richtungsstreit? sicher
nicht!"

Eine ziemlich Abrechnung mit der derzeitigen Linie -- oder eben
Nicht-Linie -- der Grünen liefert Georg Herrnstadt (ja, der von den
"Schmetterlingen") in einem Kommentar für den "Standard" (4):

"Welche Rolle wollen die Grünen in Zukunft spielen? Mit Erstaunen
registrieren wohlwollende Beobachter und solche, die mit mehr oder weniger
Bauchweh den Grünen stets ihre Stimme leihen, den gehässigen und
unprofessionellen Ton, den Parteichefin Eva Glawischnig derzeit anschlägt,
um eine längst fällige Debatte zu ersticken. ... Mit gehässigen
Abkanzelungen, wie dass Pilzens Vorschläge 'total retro' seien, ihm 'wohl
langweilig' oder etwas 'aus den 90ern' sei, bedient sie sich einer
Argumentationslinie, die aus dem Fundus neoliberaler Thinktanks stammt.
Bravo! Als wären Überlegungen deshalb falsch, weil sie alt sind! Ja, dann
müssten die Grünen ihr ganzes Parteiprogramm in der Biotonne der Geschichte
entsorgen. ... Peter Pilz komme 'immer wieder mit denselben Rezepten daher',
so die grüne Bundessprecherin. Was soll daran grundsätzlich schlecht sein?
... Mit keinem Wort geht Eva Glawischnig inhaltlich auf Peter Pilz ein. Er
fordert unter anderem, den Gerechtigkeitsdiskurs ins Zentrum zu rücken. Rund
zwei Millionen Menschen in Österreich, nahe der Armutsgrenze, gehören
tatsächlich -- sie fühlen es nicht nur, wie oft zynisch behauptet wird -- zu
den Verlierern der ökonomischen Entwicklung. Um all diese sollen sich die
Grünen nicht kümmern? Die soziale Frage ist bei den Grünen seit Jahren
extrem unterbelichtet. Dieses Vakuum wissen die rechten Parteien geschickt
zu füllen. Hier nennen sie sich 'soziale Heimatpartei'."

(1)
http://www.profil.at/oesterreich/wien-wahl-die-gruenen-biologisch-abbaubar-5916294
(2)
https://kurier.at/politik/ausland/glawischnig-erklaert-kritiker-pilz-den-offenen-krieg/235.705.617
(3) https://bernhardjenny.blog/2016/12/14/richtungsstreit-sicher-nicht/
(4) http://derstandard.at/2000049449205

*

> Fake News, aber seriös

"Der Begriff 'Fake News' ist in aller Munde. In einem kurzen Erklärvideo
fragt sich jetzt sogar die Tagesschau wie 'gefährlich Fake News' sind. Wir
haben die Antwort: Fake News können extrem gefährlich sein und sind für
Millionen Todesopfer verantwortlich." Schreiben die "Nachdenkseiten".
Allerdings meinen die damit etwas anderes als die Postings der Fans von
Trump, AfD, FPÖ und Co. Autor Jens Berger zählt da so einige postfaktische
Meldungen auf, wie sie in den letzten Jahrzehnten ohne Skepsis von den
Agenturen und Medienhäusern verbreitet wurden. Da gabs die Geschichte mit
den Babys, die irakische Soldaten in Kuwait aus ihren Brutkästen gerissen
hätten, was den US-Irak-Krieg 1991 legitimierte. Oder den "Hufeisenplan",
dank dem man ohne Gewissensbisse Belgrad bombardieren konnte. Oder auch die
Geschichte über die irakischen "Massenvernichtungswaffen", die zwar schon
extrem dünn war, aber zumindest ausreichte, damit Bush junior mit einer
"Koalition der Willigen" das zu Ende führen konnte, was sein Vater
unterlassen hatte: Den Regime Change im Irakkrieg -- auch mit nicht gerade
wenigen menschlichen Kollateralschäden. Resümee der Nachdenkseiten: "Und so
ärgerlich 'Fake News' der alternativen Medien auch sind - durch sie ist
bislang kein Mensch ums Leben gekommen. Die 'Fake News' der klassischen
Medien haben indes Millionen Menschenleben ausgelöscht."

Bei der Lektüre dieser Auflistung fallen jetzt dem Zeitungsleser
komischerweise die aktuellen Nachrichten über Syrien ein. Aber nein, die
sind sicher seriös.

http://www.nachdenkseiten.de/?p=36218

*

Zeitungsleser: -br-



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