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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 9. November 2016; 18:16
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Glosse:

> Wahl der Qual

Barack Obama wurde Präsident, weil er nicht Bush junior war. Wenn Hillary
Clinton Präsidentin wird, dann deswegen, weil sie nicht Donald Trump ist.
(Während ich das schreibe, sind die Ergebnisse der US-Wahl noch nicht da.)
Aber das ist auch schon alles Positive, was man über Clinton sagen kann. Bei
uns ist das ähnlich: Van der Bellen würde -- sollte er die Wahl gewinnen und
diese dann auch wirklich gültig sein -- Präsident, weil er nicht Norbert
Hofer ist.

So sehen die Wahlmöglichkeiten aus: Bewahrer des Establisments und -- wie
auch immer definiert -- noch weiter rechts stehende Proteststimmensammler.
Für Linke gibts da kein Angebot und die Wahlmöglichkeiten bestehen nicht
zwischen den Kandidaten, sondern ob man dem Kandidaten, den man -- aus
welchen Gründen auch immer -- für das kleinere Übel hält, seine Stimme gibt
oder der Wahl fernbleibt.

Es ist ein seltsames Vexierbild -- hüben wie drüben: In den USA kandidiert
ein Milliardär, der auf die Proteststimmen der Kapitalismusverlierer setzt,
und hierzulande der ehemalige Chef einer Protestpartei, dessen Kampagne
hauptsächlich auf die Stimmen von Leuten abzielt, die üblicherweise ÖVP
wählen.

US-Präsidenten führen Kriege -- das hat noch so ziemlich jeder getan. Es ist
egal, ob Clinton oder Trump ins Weisse Haus einziehen oder nicht. Die
Innenpolitik des jeweiligen US-Präsidenten wird davon bestimmt, ob der Druck
der Kapitalherren größer ist oder die Gefahr des Zusammenbruchs des sozialen
Friedens. Lediglich über Nuancen wird hier abgestimmt: Nach den Wahlkämpfen
und Vorgeschichten von Trump und Clinton zu schliessen, dürfen die US-Bürger
zwischen mehr Nationalismus und mehr Imperialismus wählen.

Hierzulande wird entweder Hofer oder Van der Bellen Bundespräsident -- eine
Wahl zwischen kleingeistigem Nationalismus und der Liebe zum europäischen
Großreich. Letztendlich werden beide ihr Amt führen müssen, indem sie
täglich Papierstösse unterzeichnen werden, deren Inhalt sie nicht gelesen,
und Ansprachen halten, die sie nicht selbst geschrieben haben.

Nicht nur in den USA oder in Österreich und nicht nur bei
Präsidentschaftswahlen ist das so. In den meisten Weltgegenden, wo annähernd
demokratische Wahlen stattfinden, findet Ähnliches statt. Es ist immer das
gleiche Spiel: Wenn das Wahlvolk nicht mehr einig hinter dem herrschenden
System steht, wird von "Polarisierung" geredet. Dann gibt es ein oder
mehrere Kandidaten, die für das Establishment stehen, und die Anderen, die
ganz Bösen, die so tun, als wollten sie das Establishment zertrümmern, aber
genau den gleichen Background haben. Zwischen diesen dürfen wir dann wählen.

Das liegt nicht an einer "gekauften Lügenpresse" oder dergleichen, es liegt
daran, daß diese scheinbaren Antagonismen für die Medien einfach geile
Geschichten darstellen, die billig zu haben sind. Jede blöde Meldung von
Trump wird reportiert, genauso wie bei uns die von Hofer oder Strache oder
einstens Haider. Das sind Stories, die machen diese Leute bekannt. Deren
Gegner können sich darüber aufregen, deren Fans lieben sie dafür.
Oppositionelle, die Vorstellungen in die Öffentlichkeit tragen wollen, die
ein bisserl komplizierter sind und nicht entlang der historisch vorgegebenen
Konfliktlinien, machen nunmal keine Schlagzeilen und kommen nicht auf Cover
von profil, Spiegel oder Time. Und politische Gruppen, die nur Inhalte zu
bieten haben, aber sich weigern, einen fotogenen Sprecher zu präsentieren,
können sowieso nicht auf mediales Interesse hoffen.

Ja, liebe Leute, ich hörs schon! "Du hast ja recht, aber du mußt trotzdem
Van der Bellen wählen, weil wenns der Hofer wird, kommt dann der Strache!"
Muß ich wirklich?
*Bernhard Redl*



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