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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 21. September 2016; 16:42
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Recht:

> Österreich ist keine Bananenrepublik

Wer würdigt da den Staat herab?


Wieviele Verulkungen des österreichischen Bundesadlers hat es schon gegeben?
Ihre Zahl ist Legion. Sogar in der bundeseigenen "Wiener Zeitung" waren
schon Karikaturen zu sehen, wie das Staatswappen denn nun aussehen könnte,
nachdem schwarzblaue Kreise moniert hatten, Hammer und Sichel müßten als
kommunistische Symbole aus dem Wappen entfernt werden.

Wieviele Umdichtungen der Bundeshymne hat es schon gegeben? Schon in der
Frühzeit der Zweiten Republik hieß es: "Land der Erbsen, Land der Bohnen,
Land der vier Besatzungszonen".

Zu einer gerichtlichen Verurteilung wegen derlei kommt es aber nur selten --
obwohl es dafür einen eigenen Paragraphen im Strafgesetzbuch gibt, den
248er, "Herabwürdigung des Staates und seine Symbole". Diese Rechtsnorm ist
uralt und hat ihre Wurzeln im kaiserlichen Strafgesetz -- das waren damals
allerdings noch ein ganz anderer Staat, eine andere Fahne und eine andere
Hymne. Die Bestimmung findet sich heute im StGB-Abschnitt "Hochverrat und
andere Angriffe gegen den Staat". Der §248 dürfte bei den Gerichten generell
unter der Rubrik "Totes Recht" laufen, zum Einen, weil er kaum anwendbar
ist -- denn die Herabwürdigung des Staates nur in einer "breiten
Öffentlichkeit" sowie Verulkungen von Fahne und Hymne nur bei öffentlichen
Anlässen sind tatbildmäßig -- zum Anderen, weil er prinzipiell in Konflikt
steht mit den Grundrechten über die Meinungsfreiheit und über die Freiheit
der Kunst.

Die gerichtliche Verurteilungsstatistik weist Urteile wegen dieses
Paragraphs nicht extra aus, doch selbst wegen des gesamten Abschnitts über
Angriffe gegen den Staat kommt es nur alle paar Jahre mal zu Verurteilungen.
Die Rechtsdatenbank des Bundes kennt in ihrer Entscheidungssammlung
überhaupt nur eine einzige Berufungsentscheidung zu diesem Paragraphen: Ein
Buchautor hatte 1981 geschrieben: "Selbst die Hymne des Staates ist bestellt
und erlogen" und "Besser als eure Bundeshymne ist jeder Fluch", was 1988
durch ein OGH-Urteil für strafbar erklärt wurde. Mehr läßt sich dazu an
Urteilen nicht finden.

Totes Recht lebt länger

So etwas wie "totes Recht" gibt es aber nicht wirklich. Solange der
Paragraph Rechtsgültigkeit besitzt, kann er auch angewandt werden. deswegen
versuchten die Grünen schon im Jahr 2000 den Paragraphen (gemeinsam mit dem
ebenso anrüchigen "Ketzerparagraphen" 188) aus dem Strafgesetzbuch entfernen
zu lassen. Das war zu Beginn der schwarzblauen Koalition. Begründet hatten
die Grünen ihr Ansinnen mit "Die Debatten in den letzten Tagen haben
gezeigt, dass insbesondere Vertreter der Regierungsparteien politisches
Interesse haben, kritische oppositionelle PolitikerInnen mittels dieser
Strafbestimmung mundtot zu machen." Im Justizausschuß des Parlaments
beendeten aber nicht nur die Regierungsparteien sondern auch die damals
oppositionelle SPÖ die Debatte darüber gleich wieder.

Trotz mangelnder Spruchpraxis wird dieser Paragraph immer wieder
angewandt -- meistens nur von der Polizei. Allein Drohungen mit Anzeigen
führen dazu, daß optische oder akustische Meinungsäußerungen, durch die sich
der Staat irgendwie beleidigt fühlen könnte, unterbunden werden. Daß das in
letzter Zeit allerdings häufiger vorkommen dürfte, belegen zwei Fälle, die
heuer der Öffentlichkeit bekannt wurden. Eine Frau hatte in einer
Auseinandersetzung mit der Polizei gemeint, Österreich sei "ein
Scheiß-Naziland" und es fand sich sogar ein Staatsanwalt, der dies im
heurigen Frühjahr vor ein Gericht brachte. Jetzt gibt es den Fall eines
Salzburgers, der eine Fahne mit drei Variationen des Bundesadlers hissen
ließ, die alle Bananen in den Fängen hielten. Der Fahnenkünstler erhielt
darauf Besuch vom Verfassungschutz. Seine kolportierte Reaktion: "Ich habe
gesagt, ich gebe sie sofort weg, bin hinausgegangen und habe die Fahne
abgenommen."

Auch wenn aus der Anzeige voraussichtlich nichts werden wird, so hat der
Paragraph folglich doch wieder einmal Wirksamkeit gezeigt So funktioniert
das in einem Rechtsstaat. Schließlich ist Österreich keine Bananenrepublik.

*Bernhard Redl*



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