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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 14. September 2016; 12:48
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Wahlen:

> "Die FPÖ ist sicherlich keine EU-Austrittspartei"

Das blaue Spitzenpersonal betont jetzt, dass die FPÖ mit dem EU-Austritt
nichts am Hut hat. Viele Kommentatoren wollen dies nicht so recht glauben
und sprechen davon, die FPÖ resp. Kandidat
Hofer hätten nun "Kreide gefressen". *Gerald Oberansmayr* von der
Solidarwerkstatt sieht das anders. Seiner Meinung nach war die FPÖ nie eine
Partei, die etwas gegen die EU einzuwenden hatte.
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Der langjährige FPÖ-Chefideologe und EU-Parlamentarier Andreas Mölzer
äußerte einst unverhohlen seine Genugtuung darüber, dass mit dem
österreichischen EU-Beitritt "der biedere Angehörige der ,österreichischen
Nation' zur Kenntnis nehmen (muss), dass das angeblich primäre Kriterium
seiner Identität, eben diese Neutralität, auf dem Misthaufen der Geschichte
landen dürfte." (Servus Österreich, S. 45(1)). Denn: "Das Gegenteil der
neutralen ,Kleinstaaterei' ist der Reichsgedanke... Das neue Europa.kann nur
an den alten Reichsgedanken anknüpfen. Neutralität, Neutralismus oder
schlechthin der Typus des Neutralen werden für dieses Europa uninteressant,
ja unverträglich sein." (ebd, S. 68) Selbstverständlich ebenfalls am
"Misthaufen der Geschichte" soll der Staatsvertrag entsorgt werden: "Der
Staatsvertrag, zentral das Anschlussverbot an Deutschland, ist durch den
Beitritt zur Europäischen Union, womit sich ja Österreich im gleichen
supranationalen Gefüge befindet wie die übrigen Deutschen, von der
Geschichte schlichtweg überholt." (ebd, S. 63)

Doppelpass zwischen rechtsaußen und EU-Establishment

Diese Mölzer-Aussagen zeigen: Der rechtsextreme Deutschnationalismus sieht
den EU-Beitritt als Chance, den "Kleinstaat Österreich", die verhasste 2.
Republik - mit Anschlussverbot und Neutralität - "endlich auf dem Misthaufen
der Geschichte zu entsorgen" und den nächsten Anlauf zu einer von Berlin
geführten "europäischen Reich" voranzubringen. Für die FPÖ das besonders
Praktische dabei: Dieses Programm wurde ab Anfang der 90er Jahre des
vergangenen Jahrhunderts von den Führungen von SPÖ und ÖVP übernommen. Ja
die FPÖ durfte sogar taktisch zu ihrem eigenen Programm in Opposition gehen,
sich immer wieder EU-kritisch gerieren, ohne es jemals ernst zu meinen.
Dieses Doppelspiel hat(te) einen doppelten Nutzen: Zum einen für die FPÖ,
die die Durchsetzung ihres eigenen bei der Bevölkerung durchaus unpopulären
Programms nicht zu verantworten hatte, ja sogar als scheinbare Opposition
wahlpolitisch enorm profitierten konnte, dass ihr diese Drecksarbeit von
anderen abgenommen wurde. Zum anderen für das EU-Establishment, das die
FPÖ-Agenda im EUropäischen Gewandt seither abarbeitet und zugleich jede/n,
der/die dagegen Widerstand leistet, als rechtsextrem denunziert.

Durch dieses Doppelpassspiel von FPÖ und EU-Establishment konnte die Frage
des EU-Austritts für viele fortschrittliche Kräfte tabuisiert werden- und
damit jeder ernsthaften Alternative zu Neoliberalismus und Militarisierung
der Entfaltungsraum genommen werden. Seither erleben wir den Niedergang von
Sozialdemokratie und Gewerkschaften und den Aufstieg des Rechtsextremismus.

"Damit darf man gar nicht spekulieren"

Dass die EU-Opposition der FPÖ auch nicht ansatzweise ernst gemeint war,
zeigte die freiheitliche Regierungsbeteiligung 2000 bis 2006: In dieser Zeit
segnete die FPÖ alle zentralen EU-Projekte ab, ja trieb sie voran: Von der
EU-Osterweiterung, der Teilnahme an den EU-Battlegroups, den Ankauf der
Eurofighter, großangelegte Privatisierungsprogramme bis hin zur asozialen
Pensionsreform. Offenbar bereitet sich nun die FPÖ abermals auf eine
Regierungsbeteiligung vor. Entsprechend erteilt das freiheitliche
Spitzenpersonals jedem Ansinnen in Richtung EU-Austritt eine klare Absage.
Zum Beispiel der blaue BP-Kandidat Norbert Hofer: "Ich bin nicht für einen
Austritt Österreichs aus der Europäischen Union. Ich ärgere mich jetzt seit
Tagen, dass mir das unterstellt wird. Ich war not amused. Für Österreich
wäre es zweifellos ein Schaden, aus der EU auszutreten." (Die Presse,
8.7.2016).

Manfred Haimbuchner, stv. FP-Bundesparteichef und stv. Landeshauptmann in
OÖ, setzt nach: "Die FPÖ ist sicherlich keine EU-Austrittspartei. Damit darf
man nicht spekulieren", so Haimbuchner im APA-Interview. In bestimmten
Bereichen kann er sich sogar "eine Vertiefung der EU" vorstellen - "etwa
durch eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik". Bekanntlich hat die
FPÖ bereits 2013 der neuen österreichischen Sicherheitsstrategie zugestimmt,
die sich dazu bekennt, an der EU-Militarisierung "in allen ihren
Dimensionen" teilhaben zu wollen. Haimbuchner: "Zu glauben, dass da jedes
Land für sich eine eigene Außenpolitik macht, das ist absurd." (OÖN,
13.7.2016).

Und schließlich betritt der Chef selbst die Bühne. HC Strache im
ORF-Interview am 21.8.2016: "Ich habe nie den EU-Austritt gefordert, der
EU-Austritt ist auch nicht Parteiprogramm. Die FPÖ ist nie eine
EU-Austrittspartei nie gewesen." Damit bestätigen sich auch die Warnungen
der Solidarwerkstatt vor den Proponenten des EU-Austritts-Volksbegehrens,
die sich als Leimrutenfänger für die FPÖ betätigen und damit dem Anliegen
des EU-Austritts einen Bärendienst erwiesen haben.

". werch ein Illtum!"

Der grüne BP-Kandidat Van der Bellen wird die FPÖ-Töne gegen den EU-Austritt
sicher interessiert hören, denn somit steht einer Angelobung von Strache,
Hofer & Co aus seiner Sicht ja nichts mehr im Wege, sollte er
Bundespräsident werden. Er hat ja ausdrücklich seine Weigerung,
Freiheitliche als Regierungsmitglieder anzugeloben, NICHT daran geknüpft,
dass die Blauen gegen das Verbotsgesetz und den antifaschistischen
Verfassungsauftrag verstoßen (was man gut argumentieren kann), sondern dass
diese - horribile dictu - "mit dem EU-Austritt spielen" (Die Presse,
16.7.2016) und "für Kleinstaaterei" wären. Mittlerweile braucht man nicht
einmal mehr hinter die Kulissen zu schauen, um zu erkennen: Die sind das gar
nicht. Im Gegenteil: Der Hass auf den "Kleinstaat" Österreich eint das grüne
und das freiheitliche Spitzenpersonal. Wenn FP-Vize Haimbuchner die
Kompetenzen der Nationalstaaten im Rahmen der EU auf die Rolle von
"Schweizer Kantonen" reduzieren will (OÖN, 13.7.2016), dann ist das bloß die
Kehrseite von Van der Bellens Schwärmerei für die "Vereinigten Staaten von
Europa".

Bei den Freiheitlichen liegt das Eintreten für Großmachtspolitik in den
deutschnationalen Genen, und die Grünen haben sich unter dem langjährigen
Parteivorsitz Van der Bellens zu einer Partei transformiert, die
mittlerweile bereit sind, alle grün-alternativen Grundsätze dem Europäismus
unterzuordnen - das reicht von der Befürwortung von EU-Battlegroupseinsätzen
und der Unterstützung von EU- bzw. NATO-Kriegsmissionen (z.B. Jugoslawien,
Libyen, Afghanistan) bis hin zur Befeuerung des prowestlichen Staatsstreichs
in der Ukraine mit Hilfe von Neonazis.

Die politischen Konsequenzen dieses grünen EU-Chauvinismus ist ebenso
deutschnational. Denn die konkrete EU-Entwicklung, ihr autoritärer
Neoliberalismus, hat den Berliner Machteliten wieder zu ungeahnter
Machtfülle in Europa verholfen. Und wenn Van der Bellen im März 2016 bei
einer flammenden Rede im Berliner Reichstagsgebäude die deutschen
Machteliten auffordert, Deutschland müsse seine Rolle als "verkappter
Hegemon" (Kurier, 4.3.2016) in Europa noch offensiver als bisher
wahrzunehmen, dann wird wohl auch in so mancher Burschenschafterbude kräftig
auf den Herrn Professor angestoßen worden sein. Freilich nicht zu laut,
sonst könnte bald ein breiteres Publikum versucht sein, Ernst Jandl "rinks
und lechts" neu zu interpretieren: Glün und brau kann man nicht velwechsern,
werch ein Illtum! Es braucht immer mehr Theaterdonner, um diese
Gemeinsamkeiten des grünen und blauen Spitzenpersonals zu vernebeln.

Wen VdB tatsächlich nicht angeloben würde

Ziemlich genau vor 25 Jahren im Jahr 1991 fand ebenfalls eine
Bundespräsidentschaftswahl statt. Für die Grünen ging damals der
Zukunftsforscher, Friedens-, Umwelt- und Anti-Atomaktivist Robert Jungk in
Rennen. Der deklarierte EG/EU-Gegner bezeichnete die EU bzw. EG "als eine
höchst subtile Form des Faschismus" (OÖN, 9.12.1991). IHN würde Van der
Bellen tatsächlich nicht angeloben.
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(1) Servus Österreich - Der lange Abschied von der zweiten Republik, Andreas
Mölzer, Berg 1996

Quelle:
http://www.solidarwerkstatt.at/index.php?option=com_content&view=article&id=1539



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