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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 20. April 2016; 18:54
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Glosse:
> Die Verunsicherungsrepublik
Herr Khol verfasste da (oder ließ verfassen) eine seltsame Aussendung.
Einmal abgesehen davon, daß er darin so tut. als wäre seine Wahl bereits
eine ausgemachte Sache, enthält die Aussendung doch recht bemerkenswerte
Botschaften. Da ist unter anderem am 31.März zu lesen: "Morgen, Freitag,
jährt sich die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht in Österreich zum 80.
Mal. Dr. Andreas Khol hält dazu fest: 'Die Bürgerinnen und Bürger
Österreichs haben erst 2013 in der Volksbefragung der Beibehaltung der
Wehrpflicht ein deutliches Votum erteilt. Wie damals stehe ich heute und
auch in Zukunft für dieses Prinzip ein. Aber: Die damals vereinbarten
Reformen sind heute noch immer nicht vollständig umgesetzt. Als
Bundespräsident verstehe ich mich als Trainer der Bundesregierung, der dort
eingreift, wo Reformen still stehen. ... Wir brauchen jetzt den
Schulterschluss der Patrioten! Als Oberbefehlshaber des Bundesheeres werde
ich meine verfassungsgemäßen Befugnisse sehr breit verstehen und auch
nutzen. ... Zur Wehrpflicht selbst halte ich weiters fest: Eine Ausweitung
der derzeit sechsmonatigen Wehrpflichtzeit kann es frühestens nach der
Umsetzung der Reformen geben! Wir dürfen die Zeit der jungen Menschen nicht
verschwenden, sondern sollen alles daran setzen, diese Monate im Dienste
Österreichs sinnvoll und für die persönliche Zukunft der Jungen
gewinnbringend zu nutzen!'"
Kein Wort findet sich da, wann denn und warum die Wehrpflicht eingeführt
worden ist. Khol erinnert nur an den 80. Jahrestag und meint, daß er die
Pflicht gutheißt. Wer nachrechnet, landet dann halt im Austrofaschismus.
Aber den wollte Khol ja ganz sicher nicht gleich mit gutheissen. Was er auch
nicht (zumindet einstweilen) gutheissen will, ist eine Verlängerung der
Wehrpflicht -- was insofern interessant ist, weil das bislang eigentlich
nicht zur Debatte stand und Herr Khol damit in der Negation eine Agenda
setzt. Und was wäre ein "sinnerfüllter" Wehrdienst? Doch die Präsenzdiener
an die Grenze schicken? Andere "Assistenzeinsätze" als Hilfspolizei? Oder
mehr "Auslandseinsätze"? -- wo und mit wem gemeinsam auch immer. Da werden
Dinge angedeutet -- mit Rückzugsoption, weil man ja nichts Eindeutiges
gesagt hat.
Bedenklicher Aktionismus
Ähnlich merkwürdig ist auch die Sache mit dem Notverordnungsrecht im
Asylgesetz. Materiell ist das eigentlich für eine solche faktische
Sistierung der Genfer Flüchtlingskonvention gar nicht notwendig. Wenn man
das möchte, könnte man es jederzeit im Nationalrat beschließen ohne ein
solches Verordnungsrecht in Anspruch zu nehmen. Wie schnell so ein
Gesetzesbeschluss gehen kann, sieht man gerade an der Farce, wie genau
dieses Notverordnungsrecht beschlossen wird. Und solche darauf fußenden
Notverordnungen müßten laut diesem Gesetz sowieso noch vom Hauptausschuß des
Nationalrats abgesegnet werden. Also wozu diese Gesetzesänderung?
Das Verordnungsrecht ist generell immer mit Vorsicht zu geniessen -- in
Österreich gilt faktisch eine Verordnung immer als wichtigste Norm. Wenn in
einem Gesetz etwas anderes steht als in der behauptetermaßen darauf
basierenden Verordnung, wird sich ein Beamter immer an die Verordnung
halten. Und mit grundlegenden Rechtsprinzipien wie etwa dem Verfassungsrecht
braucht man einem Beamten schon gar nicht kommen -- das gilt ja sowieso als
"nicht unmittelbar anwendbares Recht". Solche Verordnungsmöglichkeiten gehen
dann aber schon tief in verfassungsmäßig verbriefte Rechte hinein -- man
denke nur an die Möglichkeiten, die das Sicherheitspolizeigesetz oder die
"Lex Karlsplatz" (Wr. Landessicherheitsgesetz) so bieten. Dezidierte
Ermächtigungsbestimmungen wie diese jetzt im Asylgesetz sind aber ganz
besonders heikel -- man erinnere sich nur an das Kriegswirtschaftliche
Ermächtigungsgesetz, mit dem die Erste Republik vernichtet wurde.
Worum geht es also? Um eine Ankündigungspolitik, daß man jetzt für einen
wirklichen Notstand gerüstet sei? Wahrscheinlich. Zumindest will ich das für
die Sozialdemokratie annehmen. Aber tatsächlich gewöhnt man uns damit wieder
ein bisserl mehr an den autoritär geführten Staat. Da geht es dann
vielleicht bald nicht mehr "nur" um Flüchtlinge.
Was bei der Aufregung über dieses Notverordnungsrecht aber auch ein wenig
untergeht, ist das, was sonst so in dieser Novelle steht; vor allem das
"Asyl auf Zeit". Denn materiell ist dieser Bestandteil der Novelle gar nicht
notwendig. Schon jetzt besteht im geltenden Recht die Möglichkeit, bei
Wegfall der Fluchtgründe das Asylrecht individuell abzuerkennen -- selbst
nach den Bestimmungen der GFK. Also wozu? Sinnloser Aktivismus? In der
Hoffnung, daß es gut bei den Wählern ankommt? Wie auch immer, auch hier ist
der Effekt Verunsicherung. Denn wenn ein Mensch auf der Flucht zu uns kommt,
sagt man ihm damit: 'Gewöhn dich nicht an Land und Leute, wenn es irgendwie
rechtfertigbar ist, schicken wir dich sowieso in drei Jahren zurück!' Auch
wenn man ihn dann nicht zurückschickt, versteht der Flüchtling, daß er genau
das nicht tun soll, wozu wir angeblich einen eigenen Minister haben: Sich
integrieren. Wenn der Flüchtlinge dann brav seine Zeit mit Mindestsicherung
auf gepacktem Koffer verbringt, kann man sicherstellen, daß er gar nicht
versucht, irgendwas zu unternehmen, was später als "aufenthaltsverfestigend"
ins Treffen geführt werden könnte. Und damit kann man ihn nach den
Bestimmungen des Fremdenrechts viel leichter wieder aus dem Land werfen. Bis
dahin ist er aber hilfreich als Feindbild des unberechenbaren,
integrationsunwilligen Ausländers.
Angst, egal wovor
Dazu kommen das Herbeireden einer Krise und der künftigen Unfinanzierbarkeit
des Sozialstaates, die Forderung nach einer Residenzpflicht für anerkannte
Flüchtlinge und das schon manisch zu nennende Installieren von Zäunen und
Grenzposten. Dazu kommt ein Heeresminister, der sich als Hilfsinnenminister
geriert, das Heer als Polizeitruppe etablieren will und alles Grausliche
rechtfertigt wahlweise mit weiteren "Wellen" von "Migranten" oder einer
möglichen Kanzlerschaft Straches -- abhängig vom jeweiligen Auditorium.
Naja, schon Tucholsky wußte, daß es der Stolz eines jeden Sozialdemokraten
sei, "Schlimmeres verhütet zu haben".
Bei all dem geht es aber gar nicht um formales Recht -- da ändert sich
derzeit kaum etwas. Aber Stimmungen werden erzeugt und neue
Selbstverständlichkeiten produziert. Vertrauen war gestern, jetzt wird
Kontrolle geübt. Ich weiß natürlich nicht, wohin das alles führen wird.
Einen abgesprochenen großen Plan gibt es da von den Koalitionspartnern wohl
nicht, nicht einmal einen bei der ÖVP alleine. Aber derlei Äußerungen und
Gesetzesvorhaben schüren Ängste -- da ist es fast schon egal, ob vor den
Flüchtlingen, dem sozialen Abstieg, dem Polizeistaat oder einem Kanzler
Strache.
*Bernhard Redl*
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