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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 20. April 2016; 18:46
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Asyl/Schweiz/Demokratie:

> Ja sagen, um Schlimmeres zu verhindern?

Auch in der Schweiz wird derzeit über ein neues Asylgesetz diskutiert. Doch
dort wird darüber auch das Volk befragt -- auf Initiative der rechtsaußen zu
verortenden Schweizerischen Volkspartei. Einfacher wird es dadurch nicht,
wie die Woz berichtet:
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Das Unbehagen, das aus den Zeilen spricht, ist fast mit Händen zu greifen:
In ihrem aktuellen Bulletin empfiehlt die Flüchtlingsorganisation Solidarité
sans frontières (Sosf) ihren Mitgliedern, bei der Abstimmung über die
Revision des Asylgesetzes am 5. Juni ein Ja oder einen leeren Zettel in die
Urne zu legen - nachdem sie auf einer guten Dreiviertelseite ausgeführt hat,
warum dieses Gesetz rundherum abzulehnen wäre. Die Demokratischen
JuristInnen Schweiz (DJS) haben letzten Winter ein Gutachten erstellen
lassen, das zu einem ähnlichen Schluss kam: Aus rechtsstaatlicher Sicht ist
das revidierte Asylgesetz mehr als fragwürdig, es beschneidet den
Asylsuchenden die Grundrechte. Dass am 5. Juni überhaupt über dieses Gesetz
abgestimmt wird, ist aber nicht der Linken zu verdanken. Die SVP hat das
Referendum ergriffen, in erster Linie wegen der «Gratisanwälte», wie sie die
unentgeltlichen RechtsvertreterInnen bezeichnet.

«Beschleunigte, aber faire Verfahren»: So bewarb Justizministerin Simonetta
Sommaruga (SP) die Reform. Um ein faires Verfahren zu ermöglichen, soll den
Asylsuchenden von Anfang an eine unentgeltliche Rechtsvertretung zur Seite
gestellt werden. Die Behandlung eines Gesuchs soll künftig aber nur noch
maximal 140 Tage dauern, wofür unter anderem die Beschwerdefristen von
dreissig auf sieben Tage gekürzt werden. Doch gibt es weitere Gründe, aus
linker Sicht Nein zu dieser Gesetzesrevision zu sagen.

Das Gutachten der DJS kritisiert in erster Linie die massive Kürzung der
Beschwerdefristen und stellt zudem die Unabhängigkeit der
RechtsvertreterInnen infrage. So werden diese indirekt vom Staatssekretariat
für Migration (SEM) bezahlt - über einen Leistungsauftrag mit der
Schweizerischen Flüchtlingshilfe. Die RechtsvertreterInnen werden nicht nach
Aufwand, sondern mit einer Fallpauschale von gut 1300 Franken entschädigt.
Zudem sind sie verpflichtet, bei Aussichtslosigkeit einer Beschwerde ihr
Mandat niederzulegen. Laut Gutachten kann man so kaum noch von einer
Interessenvertretung sprechen.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die Kasernierung der Flüchtlinge in den
geplanten Bundeszentren. Dort sollen an einem Ort konzentriert die Befragung
durch das SEM wie auch die Rechtsberatung stattfinden, ebenfalls sollen die
Asylsuchenden dort wohnen. Wie frei sie sich ausserhalb dieser Zentren
bewegen können, muss noch ausgehandelt werden. Die DJS sehen darin
mindestens eine Einschränkung der grundrechtlich verankerten
Bewegungsfreiheit.

Das zähneknirschende Ja ist für Sosf Teil einer Strategie der
Schadensminderung. «Es gibt keine Option, die wirklich gut ist. Wir können
nur Ja oder Nein sagen, das ist das Defizit unserer Demokratie», meint
Ioset. Ein Nein würde als Sieg der SVP und als generelles Votum gegen
jegliche kostenlose Rechtsvertretung interpretiert, was zu einer erneuten
Revision mit zusätzlichen Verschärfungen führen würde: «Wir müssen Ja sagen,
um etwas Schlimmeres zu verhindern.» Trotz Vorbehalten empfiehlt auch
Amnesty International, die Revision anzunehmen. Auch SP und Grüne sind
dafür.
(Noëmi Landolt, WoZ 7.4.2016 / gek.)

Volltext:
http://www.woz.ch/1614/asylgesetz-abstimmung/ja-sagen-um-schlimmeres-zu-verhindern



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