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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 23. März 2016; 12:55
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Asyl:

> Wo es sicher ist, bestimmen wir!

Die Türkei ist kein 'sicherer Drittstaat'. Zu diesem Ergebnis kommt ein am
14.März veröffentlichtes, von der deutschen NGO "Pro Asyl" in Auftrag
gegebenes Rechtsgutachten zur unionsrechtlichen Zulässigkeit, die Türkei als
'sicheren Drittstaat' zu behandeln -- im Zusammenhang mit dem jetzt
abgeschlossenen Flüchtlingsabkommen zwischen EU und Türkei läßt das nichts
Gutes ahnen.
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Das "Rechtsgutachten zur unionsrechtlichen Zulässigkeit des Plans der
Staats- und Regierungschefs der EU, die Türkei als "sicherer Drittstaat" zu
behandeln" des Rechtsanwalts und Asylrechtsexperten Reinhard Marx legt dar,
dass die Staaten bei Ausübung von Herrschaftsgewalt an Recht und Gesetz
gebunden sind, auch außerhalb ihres Hoheitsgebietes. Der EGMR hat die
extraterritoriale Wirkung der EMRK an Bord von Schiffen des Flaggenstaates
anerkannt, so Gutachter Marx. Das Refoulementverbot gilt auch jenseits der
Staatsgrenze (S.12). Das europäische Recht muss eingehalten werden. Vor
Zurückschieben ist eine Einzelfallprüfung zwingend. Der Flüchtling muss
darlegen können, dass die Türkei kein sicherer Drittstaat ist. Marx weist
außerdem darauf hin, dass Artikel 19 Absatz 1 der EU-Grundrechtecharta ein
Verbot von Kollektivausweisungen enthält.

Nach Art. 13 EMRK ist sicherzustellen, dass ein Flüchtling gegen die ihn
belastende Entscheidung einen wirksamen Rechtsbehelf einlegen kann: "Es
liegt auf der Hand, dass weder die verwaltungsrechtliche Prüfung noch die
gerichtliche Kontrolle auf dem Rettungsboot des Mitgliedstaates, sondern nur
auf seinem Hoheitsgebiet durchgeführt werden kann und einerseits
Griechenland hierdurch verpflichtet wird, aufgegriffene Flüchtlinge in sein
Staatsgebiet zu verbringen, andererseits der Union damit untersagt wird, mit
der Türkei durch Abkommen oder auf sonstige Weise zu regeln, dass diese von
den Mitgliedstaaten auf hoher See aufgegriffene Flüchtlinge ohne vorgängige
Prüfung ihrer Sicherheit in der Türkei durch den betreffenden Mitgliedstaat,
also Griechenland, zurückübernimmt", so Marx (Seite 12).

"Die Türkei beachtet nicht das sogenannte Refoulementverbot: Nach diesem
sind sowohl Abschiebungen sowie Zurückschiebungen an der Grenze verboten.
Das türkische Recht verbietet es aber gerade nicht, schutzsuchende
Flüchtlinge an der Grenze zurückzuweisen (S.15).

Die Türkei hält das Refoulementverbot auch in der Praxis nicht ein. Berichte
von Human Rights Watch und Amnesty International belegen die
Menschenrechtsverletzungen an Schutzsuchenden durch türkische Behörden. Es
kommt sowohl zu Abschiebungen von in der Türkei befindlichen Flüchtlingen
als auch zu Zurückschiebungen an der Grenze. AI berichtet, dass türkische
Behörden in der zweiten Jahreshälfte von 2015 mehr als hundert Menschen nach
Syrien und in den Irak abgeschoben hätten. Des Weiteren wurden syrische
Flüchtlinge an der Grenze nach Syrien zurückgewiesen.

Auch nach EU-Recht ist es verboten, die Türkei als "sicheren Drittstaat" zu
behandeln. Die Asylverfahrensrichtlinie der Europäischen Union sieht in Art.
38 und 39 vor, dass ein sicherer Drittstaat die Genfer Flüchtlingskonvention
(GFK) vollständig umgesetzt haben muss. Doch die Türkei hat die GFK mit
einem sogenannten geographischen Vorbehalt versehen, der nur Flüchtlingen
aus Europa einen Schutz nach der GFK gewährt. Die Türkei muss für
Flüchtlinge als "besonders unsicher" eingestuft werden, so Marx.

In diesem Zusammenhang ist auch eine AFP-Meldung vom 9. März 2016
bemerkenswert, wonach der türkische Ministerpräsident auf dem Rückflug vom
EU-Türkei-Gipfel vor mitreisenden Journalisten erklärt hatte, dass die
Türkei syrische Flüchtlinge nach deren Rückkehr aus Griechenland in Lagern
unterbringen, Nicht-Syrer hingegen in ihre jeweiligen Herkunftsländer
abschieben werde. Der türkische Regierungschef erklärte wörtlich,
"Nicht-Syrer, die wir in der Ägäis aufgreifen, schicken wir in ihre
Heimatländer zurück." ###


Kasten

> Aus dem Gutachten

Die Türkei darf von der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten nicht als
"sicherer Drittstaat" behandelt werden. Bereits der geografische Vorbehalt
nach Art. 1 B GFK durch die Türkei sperrt die Behandlung dieses Staates als
"sicherer Drittstaat". Zwar enthält nur Art. 39 Abs. 2 Buchst. a) RL
2013/32/EU das Erfordernis der vorbehaltlosen Ratifizierung der GFK. Aber
auch nach Art. 38 Abs. 2 Buchst. c) RL 2013/32/EU ist der
Refoulementgrundsatz nach Art. 33 Abs. 1 GFK zu beachten und Asylsuchenden
die Möglichkeit zu eröffnen, einen Antrag auf Zuerkennung der
Flüchtlingseigenschaft und im Falle der Anerkennung Schutz nach der GFK zu
erlangen. Dies setzt die vorbehaltlose Ratifizierung der GFK und damit deren
Anwendung auf alle Flüchtlinge unabhängig von ihrer nationalen Herkunft
voraus.

Darüber hinaus darf die Türkei nach Unionsrecht auch deshalb nicht als
"sicherer" Drittstaat behandelt werden, weil nicht gewährleistet ist, das
durch diese das Refoulementverbot nach Art. 33 Abs. 1 GFK und Art. 3 EMRK
sowie Art. 3 Abs. 2 des Übereinkommens gegen Folter wirksam angewandt wird.
Zwar enthält Art. 61 des "Gesetzes über die Ausländer und den
internationalen Schutz" von 2013 ein Abschiebungsverbot im Sinne von Art. 33
Abs. 1 GFK und Art. 3 EMRK. Es fehlt aber die Inkorporation des
entsprechenden Zurückweisungsverbotes in das türkische Recht. Berichte
internationaler nichtstaatlicher Organisationen belegen, dass Verletzungen
des Refoulementverbotes durch türkische Behörden nicht als vorübergehende
Einzelfälle bezeichnet werden können. Vielmehr besteht eine systematische
Politik der türkischen Regierung, syrische und andere Flüchtlinge am
Betreten des türkischen Staatsgebietes zu hindern und zu diesem Zweck
unmittelbare Gewalt gegen Flüchtlinge einschließlich ihrer Inhaftierung
anzuwenden. In einigen Fällen werden die Flüchtlinge dabei auch körperlich
misshandelt. Angesichts dieser auf umfassenden Recherchen mehrerer
nichtstaatlicher Organisationen beruhenden Feststellungen darf die Türkei
nach Unionsrecht nicht als "sicherer" Drittstaat behandelt werden. Weder
Art. 38 noch Art. 39 der Verfahrensrichtlinie 2013/32/EU erlauben den
Mitgliedstaaten und der Union als solcher, Asylsuchende und Flüchtlinge
zwangsweise in die Türkei abzuschieben, zurückzuweisen oder auf hoher See
aufzugreifen und in die Türkei auszuschiffen, noch entsprechende Abkommen
mit der Türkei abzuschließen. Dies verletzt auch das Protokoll Nr. 4 zur
EMRK und Art. 19 Abs. 1 GRCh.

Das komplette Gutachten ist abrufbar unter:
http://no-racism.net/upload/861427117.pdf

Quellen:
http://www.proasyl.de/de/presse/detail/news/pro_asyl_legt_rechtsgutachten_vor_eu_tuerkei_abkommen_ist_rechtswidrig/
http://no-racism.net/article/5057/
Zitat Davutoglu, in "Die Presse": diepresse.com/home/4942208



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