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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 23. März 2016; 12:47
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Recht/Kommentar:
> Der Staat ist die Regierung
Im Nationalrat gibt es derzeit eine Debatte, die tief blicken läßt in das
Spannungsverhältnis zwischen Völkerrecht und Demokratie.
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Eigentlich sollte man es für eine Selbstverständlichkeit halten, daß die
Vertreter eines Staates nur Verträge mit anderen Staaten unterzeichnen, die
ihrer eigenen Verfassung nicht widersprechen. Man sollte davon ausgehen
können, daß ein Staatsoberhaupt, ein Regierungschef oder Aupenminister
zuerst prüft, ob das, wozu er seinen eigenen Staat verpflichtet, rechtlich
zuhause überhaupt gedeckt ist.
Es ist aber keine Selbstverständlichkeit, wie wir jetzt im österreichischen
Parlament zu hören bekommen: Die FPÖ hatte ein Verfassungsgesetz beantragt,
daß auf Antrag zuerst der Verfassungsgerichtshof einen Staatsvertrag zu
prüfen habe, bevor er ratifiziert werden könne -- und die FPÖ drängt auf
eine Eile für ein solches Gesetz, denn der Hintergrund ist natürlich das
anstehende TTIP. Die Argumentation: Wenn so etwas einmal ratifiziert sei und
nachträglich als verfassungswidrig erkannt werde, dann stünde die Regierung
vor der Wahl, sich völkerrechtlich vertragsbrüchig oder daheim rechtswidrig
verhalten zu müssen. Erste Reaktion der Koalitionszwillinge: Das geht nicht.
Die Parlamentskorrespondenz formuliert das so: "SPÖ, ÖVP und NEOS konnten
dem konkreten Antrag aus verfassungssystematischen Gründen nicht folgen.
Außerdem, so ihre Argumentation, würde nach dem Wortlaut der FPÖ-Initiative
neben jeder Landesregierung auch eine relativ kleine parlamentarische
Minderheit - 20 Abgeordnete oder 7 Mitglieder des Bundesrats - einen
Vorab-Prüfantrag beim Verfassungsgerichtshof stellen können."
Der Antrag wurde also erstmal abgelehnt, doch dann kam es immerhin zu einer
Entschließung, daß die Regierung den Verfassungsdienst mit einem Gutachten
beauftragen solle, ob so ein Gesetz irgendwie doch möglich wäre und wie
diesbezügliche Regelungen in ähnlichen europäischen Rechtssystemen aussähen.
Allerdings: Auch wenn Josef Cap von der SPÖ sich zitieren ließ mit den
Worten: "Wir wollen das wirklich!", so klingt es trotzdem eher nach
Verschleppung der Idee oder gar einem Begräbnis erster Klasse.
Der Beobachter findet das auf den ersten Blick aus mehreren Gründen
erstaunlich: Fürchtet man sich davor, eine effiziente Regelung zu haben, daß
man vermeidet, verfassungswidrige Staatsverträge zu ratifizieren? Wieso soll
nur eine große Anzahl an Abgeordneten das Recht haben, einen Vertrag in
seiner Verfassungskonformität anzuzweifeln? Will man gar, daß das nur die
parlamentarische Mehrheit kann, die das aber nicht tun wird, weil eine
Mehrheit ja sowieso der Regierung "vertraut"? Und warum soll das erst vor
der Bestätigung durch den Nationalrat passieren und nicht schon bei der
Unterschrift unter dem Vertrag?
Denn tatsächlich ist es ja so, daß die Verpflichtungen aus einem Vertrag
völkerrechtlich ja bereits mit der Unterschrift der Staatsvertreter als
bindend anzusehen sind. Sonst hätten solche Unterschriften ja gar keine
Bedeutung. Die Hinterlegung der entsprechenden Ratifikationsurkunden ist ja
nur ein: 'Das ist jetzt aber wirklich so und wir halten uns eh an das, was
wir versprochen haben.'
L'État, c'est moi
Das Völkerrecht stammt aus der Zeit souveräner, absoluter Fürsten. Wenn die
was unterschrieben haben, mußten sie nicht in der Verfassung nachschauen und
kein Parlament fragen. Das hat dann einfach so gegolten. "Der Staat bin ich"
war nicht Ausdruck der Präpotenz des vierzehnten Ludwigs, sondern eine
Kurzfassung der Verfaßtheit absolutistisch regierter Staaten. Geändert hat
sich daran zwar innenpolitisch so einiges -- wenn auch die Praxis oft genug
an diese Zeiten gemahnen mag --, außenpolitisch aber nur wenig.
"Außenpolitik ist Sache der Regierung" heißt das heute. Und dann darf man
sich nicht wundern, wenn Regierungspolitiker keine große Lust darauf haben,
daß ihnen da innenpolitisch in ihre implizite Souveränität wer reinpfuscht.
Weil: Wie steht man denn sonst vor seinen Vertragspartnern da? Soll man da
sagen: 'Wir haben daheim sowas wie Demokratie und da wollen alle mitreden
und deswegen kann ich das jetzt nur mit Vorbehalt unterschreiben'? Das ist
halt irgendwie unpraktisch beim Verhandeln.
Österreichische Verhältnisse
Gerade in Österreich war das aber lange Zeit kein Problem -- auch in der
Zweiten Republik nicht. Da gab es zwei Staatsparteien, die oft miteinander
koalierten und auch in der Zeit, wo das nicht so war, in essentiellen Fragen
einig waren und den Staat unter sich aufteilten. Einfachgesetzliche
Ratifikationen waren genausowenig ein Problem wie Verfassungmängel -- mit
weit über zwei Dritteln der Abgeordneten im Nationalrat konnten SPÖ und ÖVP
alles richten: Was nicht paßt, wird passend gemacht. Doch jetzt? Jetzt, wo
die zwei Parteien froh sein können, wenn sie im Nationalrat gerade mal so
eben gemeinsam über eine einfache Mehrheit verfügen, geht das alles nicht
mehr so einfach.
Diese kaum beachtete Debatte im Nationalrat ist also ein bisserl mehr als
das übliche Geplänkel zwischen Koalition und Opposition. Hier werden Fragen
aufgeworfen, vor denen sich die Regierenden hierzulande und anderswo lange
Zeit gedrückt haben -- denn so ähnliche Divergenzen wird es auch in anderen
Parlamenten geben, da am Selbstbild der Staatsverwalter und Staatenlenker
derzeit gerade in vielen EU-Staaten gekratzt wird -- auch im Zusammenhang
mit der Form der EU-Gesetzesinitiative durch die Regierungschefs im Rat, die
ja auf dem selben völkerrechtlichen Usus basiert.
Auf das Gutachten des Verfassungsdienstes kann man also wirklich gespannt
sein -- vor allem auf die Verbiegungen, die darin vorkommen werden, um
innenpolitische Demokratie und außenpolitisches Fürstengehabe unter einen
Hut zu bringen.
*Bernhard Redl*
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