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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 16. März 2016; 20:41
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Antisemitismus-Debatte/Kommentar der Redaktion

> Die Sache mit der Solidarität

Die Angelegenheit ist unerfreulich -- das ist auch das einzige, worüber sich
alle Beteiligten einig sind. Das Amerlinghaus hat (siehe Dokumentation auf
den nachfolgenden Seiten) mehrere Veranstaltungen von BDS und "Frauen in
Schwarz" zur Israel-Palästina-Problematik abgesagt, weil das ohnehin
gebeutelte Kulturzentrum aus schierer Existenzangst dem Druck nachgeben
mußte. Dieser Druck kam nicht nur von FPÖ und ÖVP -- der wäre auszuhalten
gewesen, weil diese beiden Parteien sowieso schon seit langem das Haus
weghaben wollen. Doch der Druck kam mittels eines Offenen Briefs auch von
Leuten, die sich als Antifaschisten begreifen, manche davon sogar als Linke.
Und wenn diese Gruppe von zum Teil auch recht einflußreichen Leuten vom
Wiener Bürgermeister fordert, sämtliche Subventionen zu streichen, dann kann
es schon sein, daß die rotgrüne Koalition einknickt und dem umstrittenen
Haus den Garaus macht. Und das wäre dann der große antifaschistische Erfolg.
Oder so.

Liebe Leute, so geht es nicht! So darf es nicht gehen! Die
Israel-Palästina-Debatte hat schon einige wichtige linke Projekte in
Österreich zerstört, das darf so nicht weitergehen. Natürlich, die beiden
Seiten hierzulande werden wohl in absehbarer Zeit genausowenig
versöhnungswillig aufeinander zugehen wie es die Streitparteien in
Israel/Palästina tun werden. Nur: Dann sollte es zumindest möglich sein, daß
Menschen, die sich auf beiden Seiten als Linke oder zumindest Antifaschisten
verstehen, zivilisiert miteinander streiten. Da kann man zu den jeweils
anderen Veranstaltungen gehen und diskutieren. Oder, wenn es denn unbedingt
sein muß, eine Kundgebung gegen eine solche Veranstaltung machen. Aber was
nicht sein darf, ist, das Geschäft der rechten Parteien in diesem Land zu
erledigen. Die Aufforderung , das Amerlinghaus ökonomisch zugrunde zu
richten, weil es seiner Aufgabe nachkommt, auch politisch Unliebsamen eine
Möglichkeit der gesellschaftlichen Auseinandersetzung zu bieten, hat mit
solidarischer Kritik oder auch nur einem rudimentären Demokratieverständnis
nichts zu tun. Das ist: Und willst du nicht mein Bruder sein, dann schlag
ich dir den Schädel ein!

Linke Strukturen sind heterogen. Und in vielen Dingen wird man sich
vielleicht nie einigen. Aber diese oft beweinte Heterogenität ist vielleicht
sogar eine Stärke der linken oder auch nur im weitesten Sinne
fortschrittlichen Kräfte, weil sie klar macht, daß es immer mehr als eine
Wahrheit gibt und die Diskussion nie enden darf. Doch wenn die Diskussion --
wie in diesem offenen Brief -- in Vernichtungswillen der anderen Seite und
all derjenigen Institutionen, die mit ihnen zusammenarbeiten, umschlägt,
dann muß man klar 'Stopp!' sagen.

'Solidarität' ist schnell mal deklariert, solange sie nichts kostet. Aber
dann ist sie nichts wert. Wenn man hingegen den Willen zur Diskurshegemonie
zurückstellt, wenn es darum geht, auch eine Gruppe, Organisation oder
Institution zu schützen, mit deren Politik man nicht hundertprozentig
übereinstimmt, dann kann man vielleicht auch über Inhalte zivilisiert und
eben solidarisch diskutieren.

Die Unterzeichner dieses Offenen Briefes haben deklariert, daß sie genau das
nicht wollen. Und das ist halt mehr als nur einfach schade.
*Ilse Grusch, Bernhard Redl*





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