**********************************************************
akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Donnerstag, 3. März 2016; 03:13
**********************************************************

Initiativen:

> 29.2., Tag des Prekariats

Am Montag, 29.02.2016, war es wieder einmal soweit: Es findet der
San-Precario-Tag statt. Dieser wurde in Italien ins Leben gerufen und wird
weltweit alle vier Jahre zelebriert. Santa Precaria bzw. San Precario sind
die Schutzheiligen für prekär Beschäftigte. (Anm. akin: siehe Kasten)

Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir erkennen müssen, dass es dank
technischer Rationalisierung (Robotisierung, Industrie 4.0, weitere
Informatisierung, ...) und Globalisierung die Wirtschaft für immer mehr
Menschen immer weniger Existenz sichernde Erwerbsarbeit anbietet. Viele der
Erwerbsarbeitsplätze, die es noch gibt, sind schlecht bezahlt, sind prekäre
Arbeitsplätze in Form von geringfügigen Beschäftigungen, Teilzeit- und
Leiharbeit, Praktika, befristeten Dienstverhältnissen und
Scheinselbständigkeit.

Die von Prekarisierung Betroffenen sind die modernen Tagelöhner, "Working
Poor", "All-Inclusive-Vertragsnehmer". Sie sollen am Santa-Precaria-Tag in
den Mittelpunkt gestellt werden, um ein Bewusstsein für die weiter
voranschreitenden Prekarisierung von immer mehr Arbeitsbereichen zu
schaffen.

Der Rest des "Menschenmaterials" wird vom immer totalitärer agierenden
Wirtschaftssystem einfach als "Überflüssige" ausgeschieden und in kleinen
Schritten vernichtet bzw. hin und her geschoben und gegeneinander
ausgespielt. Die zum Teil künstlich geschaffene und hoch gespielte
"Flüchtlingskrise" zeigt eindrucksvoll das Versagen der Politik und wie die
Herrschenden mit den entrechteten Menschenmassen umgehen.

Der Tag der Prekarisierten wird mit Aktionen im öffentlichen Raum gestaltet.
Nicht so im sozialpartnerschaftlichen Österreich. Nachdem 2008 sogar
Erwerbsloseninitiativen zu gemeinsamen Aktionen eingeladen worden waren,
sind Gewerkschaften und AK mittlerweile auf Tauchstation gegangen. Die
grundlegende Mehrfachdauerkrise des Kapitalismus wird nun erst recht
geleugnet und das Wirtschaftswachstum, das Jobs schaffen soll, wird wie
unter Drogen stehend weiter angebetet.

Weil uns die BerufsfunktionärInnen der parteipolitisch beherrschten
Gewerkschaften und Arbeiterkammern völlig im Stich lassen bleibt uns stumm
Gemachten einstweilen nur noch das stille Gedenken an Santa Precaria.

Löbliche Ausnahme: Die parteiunabhängige "Linke Steiermark" verteilte
Flugblätter am Grazer Hauptpatz: http://www.linkestmk.at/?p=7391

Auch zum internationalen Aktionstag "Transnationalen MigrantInnen-Streik" am
1. März herrscht großteils Funkstille im paternalistischen Österreich.
(Aktive Arbeitslose / bearb.)


*

Kasten:

> Happy Birthday, San Precario!

Rainer Hackauf erzählt die Geschichte des San Precario:

Der 29. Februar ist der Feiertag von San Precario, dem Schutzheiligen aller
von Prekarisierung Betroffenen. San Precario wurde 2004 von
EuroMayDay-AktivistInnen in Mailand erfunden. Die erste Erscheinung des
Heiligen in der Öffentlichkeit war während der Sonntagsöffnungszeit eines
lokalen Supermarktes am 29. Februar 2004. Seitdem wurden Statuen und Bilder
von San Precario im Zuge von Sozialprotesten in vielen Städten Europas
mitgeführt.

Um auf die schlechten Arbeitsbedingungen in der Bekleidungs- und Modebranche
hinzuweisen, wurde im Rahmen der Mailänder Modewoche 2005 die fiktive
Modedesignerin Serpica Naro (ein Anagramm von San Precario) ins Leben
gerufen. Die EuroMayDay-AktivistInnen schafften es dadurch prekäre
Arbeitsverhältnisse direkt am Catwalk der internationalen Modewelt sichtbar
zu machen. [...]

In Österreich wurde San Precario zum ersten Mal von AktivistInnen in
Innsbruck aufgegriffen, später erschien der Heilige dann auch verstärkt im
Zuge der EuroMayDay Mobilisierungen in Wien. Auch auf der Romaria -
Wallfarten in Solidarität mit Flüchtlingen und im Zuge der Proteste gegen
den FPÖ-Burschenschafter-Ball ist San Precario schon in Erscheinung
getreten.

Weil besonders Frauen von prekären Arbeitsbedingungen betroffen sind, wurde
von der GPA-djp "Santa Precaria" 2008 als Schutzheilige ins Leben gerufen.
Am 29. Februar 2008 und 2012 kam es unter dem Label "Santa Precaria" in
Österreich zu gewerkschaftlichen Aktivitäten rund um das Thema
Prekarisierung, auch ein eigener Blog wurde dafür ins Leben gerufen. Von der
kämpferischen Kampagne gegen Prekarisierung in Italien ist hier nicht viel
geblieben. Schon am unglücklich gewählten Logo wirkt die Santa Precaria der
österreichischen Gewerkschaft zerbrechlich und reproduziert damit gängige
Vorstellungen von Frauen als ohnmächtige Opfer.

Mittlerweile hat es San Precario in Österreich übrigens auch schon in
diverse Ausstellungen geschafft. Darunter auch in die Dauerausstellung im
Technischen Museum unter dem Titel »In Arbeit«.
(gek.)

Volltext: http://si-se-puede.at/2016/02/29/happy-birthday-san-precario/

*

Auch der "Transnationale MigrantInnenstreik-Tag geht auf eine italienische
Erfindung zurück, auf den 1.März 2010, an dem sich vielleicht nicht
unbedingt an einem echten Streik im Sinne von Arbeitsniederlegung, so doch
an einem Aktionstag kolportierte mehrere hunderttausende migrantisch
definierte Menschen über ganz Italien verstreut beteiligt hatten.

Mehr dazu (in Englisch) unter:
http://www.connessioniprecarie.org/2016/02/29/march-first-courses-of-action-leading-to-an-unexpected-strike/

*

Weitere Initiativen zum Thema
https://precarios.wordpress.com/
http://prekaer.at/
Twitterkanal: https://twitter.com/prekaer




***************************************************
Der akin-pd ist die elektronische Teilwiedergabe der nichtkommerziellen
Wiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd muessen aber nicht
wortidentisch mit den in der Papierausgabe veroeffentlichten sein. Nachdruck
von Eigenbeitraegen mit Quellenangabe erbeten. Namentlich gezeichnete
Beitraege stehen in der Verantwortung der VerfasserInnen. Ein Nachdruck von
Texten mit anderem Copyright als dem unseren sagt nichts ueber eine
anderweitige Verfuegungsberechtigung aus. Der akin-pd wird nur als
Abonnement verschickt. Wer versehentlich in den Verteiler geraten ist, kann
den akin-pd per formlosen Mail an akin.buero{AT}gmx.at abbestellen.


*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1170 wien, Lobenhauerngasse 35/2
vox: ++43/1/535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
http://akin.mediaweb.at
Blog: https://akinmagazin.wordpress.com/
Facebook: https://www.facebook.com/akin.magazin
Mail: akin.redaktion{AT}gmx.at
Bankverbindung lautend auf: föj/BfS,
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976-00, Zweck: akin
IBAN AT041200022310297600
BIC: BKAUATWW