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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Donnerstag, 3. März 2016; 03:16
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Glosse:

> Ein Grußaugust braucht keine Volkswahl

Alle 6 Jahre gibt es in Österreich die gleiche Debatte. Dann nämlich, wenn
die Wahl zum Bundespräsidenten ansteht. Dann wird erstens diskutiert, ob das
Amt überhaupt vonnöten ist, zweitens, ob die Befugnisse des
Bundespräsidenten als Kaiser-Ersatz heute noch zeitgemäß sind, und drittens,
wie der BP sein Amt verstehen und ausführen soll. Da kommen dann regelmäßig
Kandidaten vor, die meinen, sie wollten das Amt aktiver gestalten und nicht
den klassischen "Rollenverzicht" üben. Einer davon wurde sogar
Staatsoberhaupt, Thomas Klestil nämlich, aber dessen aktivere Rolle
beschränkte sich hauptsächlich auf ein finstres Gschau bei der Angelobung
von Schwarz-Blau. Mit anderen Worten: Die turnusmäßigen Debatten über das
Amt gehen aus wie das Hornberger Schießen, bleiben folgenlos und der
Bundespräsident gibt nach der Wahl den netten Staatsonkel, der zu Neujahr
Moralappelle verbreiten darf (eine Staatstante wirds eh nicht, schließlich
sind wir in Österreich, also ist das Gendern des Begriffs eher entbehrlich).

Doch diesmal fühlt sich die Debatte anders an -- haushoher Favorit ist ein
Grüner und nach dem derzeitigen Stand der Dinge müssen die
Koalitionszwillinge schon froh sein, wenn es überhaupt einer von beiden in
die Stichwahl schafft. Natürlich ist es unwahrscheinlich, daß ein HBP VdB
letztlich anders agieren würde als alle seiner Vorgänger. Seine Ansage, ein
Kabinett Strache nicht angeloben zu wollen, wird wohl eher
Wahlkampfgeplänkel sein, in der Hoffnung, niemals beweisen zu müssen, daß er
tatsächlich so handelt. Aber was weiß man? VdB ist es am ehesten zuzutrauen,
daß er eine solche Ankündigung wahrmacht. Und das macht bestimmte Leute
nervös: "Demokratiepolitisch höchst bedenklich und besorgniserregend" nannte
es ÖVP-Generalsekretär Peter McDonald und sein FPÖ-Pendant Herbert Kickl
sprach von "linkslinker Anarchie". Und das nur, weil VdB gemeint hatte, er
würde eher den Nationalrat neu wählen lassen, als eine FPÖ-Regierung
anzugeloben.

Gehts nur um einen Kanzler Strache?

Aber wieso soll das undemokratisch sein und wieso die harschen Töne? -- von
den Bedingungen der fokussierten Unintelligenz bei Wahlkämpfen einmal
abgesehen. Hier steht mehr auf dem Spiel als nur die Angst der ÖVP, eine
blauschwarze Regierung nicht durchzubringen, oder der FPÖ, eine
Alleinregierung könnte trotz absoluter Mehrheit im Nationalrat am
Präsidenten scheitern. Es geht um die österreichische Realverfassung, die
bekanntermassen nur marginal etwas mit der niedergeschriebenen
Formalverfassung zu tun hat. Nun ist diese Verfassung legistisch in vielen
Dingen eine Katastrophe (Klecatsky/Morscher sprechen in ihrem
Standard-Kommentar von "ruinenhaften Zügen", die die Verfassung tragen
würde). Doch die Reform von 1929 war nicht geprägt vom klassischen
post-k.u.k-Pallawatschismus wie der Rest der Verfassung und auch nicht nur
Ausdruck einer autoritären Haltung, wie so oft geschrieben worden ist,
sondern die darin enthaltene Ermächtigung des Bundespräsidenten zielte
ebenso auf genau das Gegenteil: Der Bundespräsident sollte im Sinne der
Prinzipien sowohl der Gewaltentrennung als auch des Check-and-Balances mit
der Autorität der Volkswahl eine Regierung bestimmen können, die dann vom
Parlament kontrolliert (im Sinne von überprüft) werden kann. Damit wäre eine
Balance zwischen zwei obersten Instanzen gegeben, die beide vom Volk
bestimmt sind. Die Regierung wäre dann nur ausführendes Organ, nicht die
herrschende Macht. "Wäre" deswegen, weil das in der österreichischen
Realverfassung halt anders gespielt wird -- die Möglichkeit des
Mißtrauensvotums durch den Nationalrat wird bei uns faktisch mit einem
Regierungswahlrecht gleichgesetzt. Und genau wegen dieser so gerne geübten
Mißinterpretation sind nicht die Äusserungen VdBs, sondern die von Kickl und
McDonald -- im Sinne der Verfassung -- allerdings demokratiepolitisch höchst
bedenklich und besorgniserregend.

Miklas und Jonas

Die österreichische Geschichte hat da auch zwei interessante Beispiele für
den Machtgebrauch respektive -nichtgebrauch und zu bieten. Als Kanzler
Dollfuß 1933 das Parlament für ausgeschaltet erklären ließ, hätte der
Bundespräsident sofort eine Auflösung des Nationalrats und damit Neuwahlen
verfügen müssen -- diese Macht hätte er mit der neuen Verfassung bereits
gehabt. Allerdings hatten sich die Sozialdemokraten drei Jahre vorher
leichtsinnigerweise darauf eingelassen, per Sondergesetz den Präsidenten
einmal noch vom Parlament wählen zu lassen -- was zur Wiederwahl von Wilhelm
Miklas, einem Simandl von Dollfuß, geführt hatte. Dieser schaute dann
einfach nur zu, was der Kanzler so trieb. Ein volksgewählter Bundespräsident
hingegen wäre der Sozialdemokratie zumindest nahegestanden und hätte wohl so
einfach den Austrofaschismus nicht zugelassen.

Das andere Beispiel ist Franz Jonas, eigentlich ein Freund großer
Koalitionen, der auch ohne Mucken eine ÖVP-Alleinregierung angelobt hatte,
allerdings 1970 angesichts schwarzer Begehrlichkeiten, die eine GroKo
unmöglich machten, Bruno Kreisky mit einer Minderheitsregierung beauftragte.
Naja, und daß die Regierung Kreisky Österreich nicht gut getan habe oder
demokratisch nicht legitim gewesen wäre, behaupten heute höchstens noch ein
paar Revanchisten in den Reihen der ÖVP.

Der Bundespräsident beauftragt nach bestem Wissen und Gewissen jemanden mit
der Bildung einer Regierung und kann den Nationalrat auflösen, wenn dieser
keine Mehrheiten für eine akzeptable Regierung aufweist. So steht es
zumindest geschrieben. Das kann natürlich auch mißbraucht werden -- siehe
Türkei, wo mittlerweile ähnliche Bestimmungen vorhanden sind und Erdogan
erst jüngst bewies, wie Machtpolitik geht. Keine Bestimmung in demokratisch
verfaßten Systemen ist vor Mißbrauch gefeit. Aber sowohl die
Verfassungstheorie als auch die praktischen Beispiele zeigen, daß die
Funktion des Bundespräsidenten als Notnagel der Verfassung sinnvoll ist.

Und für einen Grußaugust braucht man ja nun wirklich keine Volkswahl.
*Bernhard Redl*



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